5 Fragen an … David Guttenfelder

Der bekannte Fotojournalist spricht über seine umfangreiche Arbeit in Nordkorea, denkwürdige Momente und seinen Schlüssel zu guter Berichterstattung.

Von National Geographic
Veröffentlicht am 22. Dez. 2017, 13:18 MEZ

2011 wurde das erste Büro einer westlichen Nachrichtenagentur, der Associated Press, in Nordkorea eröffnet. Die Bilder, die der National Geographic-Fotograf David Guttenfelder seither von dem isolierten asiatischen Land machte, gingen um die ganze Welt. Der Fotojournalist aus Iowa, der seit mehr als 20 Jahren über geopolitische Konflikte, den Naturschutz und verschiedene Kulturen berichtet, wurde mehrfach vom TIME Magazin ausgezeichnet und gewann bereits acht Mal den World Press Photo Award.

Im Interview sprach der einflussreiche Fotograf mit National Geographic darüber, wie man nach der Arbeit in Konfliktzonen in sein altes Leben zurückkehrt, welche Ereignisse ihn in Nordkorea ganz persönlich berührt haben und welche Bedeutung Smartphones heutzutage für die professionelle Fotografie haben. (Lesenswert: Die letzten amerikanischen Touristen in Nordkorea)

David Guttenfelder über seine Arbeit in Nordkorea

Wie kommen Sie an Ihre Storys? Werden Sie einfach für einen Job ausgewählt oder haben Sie spezielle Interessen, durch die Sie sich für bestimmte Aufgaben besonders eignen?

Auf gewisse Weise bin ich Journalist. Als Fotograf war ich erfolgreich, indem ich bei Ereignissen von weltweiter Bedeutung schnell an Ort und Stelle war. Aber bei National Geographic ist das ein bisschen anders. Man konzentriert sich da mehr auf das eigene Spezialgebiet und kann wirklich tief in Geschichten eintauchen. Manche Storys, die ich für National Geographic mache bekomme ich als Auftrag vom Magazin, weil sie glauben, ich sei die richtige Person für den Job. Aber viele entspringen meinen eigenen Ideen und entstehen aus Langzeitprojekten, in die ich meine Karriere investiert habe.

Also können Sie sich mehr Ihren eigenen Ideen widmen, wenn Sie für National Geographic arbeiten?

Ja, ich denke schon. Ich bin da tendenziell ein bisschen journalistisch geprägt. Ich bin kein Haifotograf, ich spezialisiere mich nicht auf eine bestimmte Sache wie zum Beispiel geopolitische Storys. Aber ja, was [National Geographic] bei der Zusammenarbeit mit Fotografen respektiert und am meisten zu schätzen weiß, sind Leute, die ihre eigenen Leidenschaften, ihre eigene Berufung und ihre eigene Story haben. National Geographic bietet ihnen dafür den richtigen Ort.

Und Sie wirken dabei ja durchaus leidenschaftlich, als würden Sie Ihre Storys wirklich selbst leben. Sie gehen dafür nicht nur irgendwo hin, Sie leben das aus und versuchen, dem wirklich auf den Grund zu gehen.

Ja. Je näher man der Sache ist, je enger man mit den Menschen zusammenlebt, deren Geschichte man erzählt, und je besser man sie versteht, desto besser wird das Ergebnis. Auf diese Weise wollte ich schon immer arbeiten.

Das Leben der Menschen zu teilen ist also die beste Möglichkeit, um so nah wie möglich an die echte Geschichte dahinter zu kommen?

Ja, absolut. Man kann die Geschichte von Menschen nur dann wirklich erzählen und sie verstehen, wenn man mit ihnen zusammenlebt und die Dinge mit eigenen Augen sieht und versucht, den Menschen eine Stimme zu geben.

Sie haben viel aus Konfliktzonen berichtet. Wie gehen Sie mit der Gefahr um? Sind Sie ein anderer Mensch, wenn Sie hinter der Kamera stehen?

Ich denke, man entwickelt gewisse Überlebensfähigkeiten, die einen absichern, und Instinkte, auf die man sich im Einsatz sofort verlassen kann. Das sind nicht immer die besten Fähigkeiten und Instinkte für das Leben in der echten Welt, wenn man nach Hause zurückkehrt. Die Art und Weise, auf die man sich während der Arbeit in einer Konfliktzone verhält, und die Art, wie man sich in einem Supermarkt verhält, sind sehr unterschiedlich.

Denken Sie, dass Menschen, die in Kriegsgebieten waren, das gleiche Problem haben, wenn sie ins „echte Leben“ zurückkehren?

Ja, ich glaube, das ist schwer. Man ist monatelang fort, um eine Story zu fotografieren, insbesondere bei gefährlichen Aufträgen, und dann kehrt man zurück zur Familie, in das eigene Leben und das eigene Land. Es kann sehr, sehr schwer sein, diesen Übergang zu schaffen und zwischen diesen Situationen zu wechseln. Die Fähigkeiten, die man braucht, um da draußen in der Wildnis zu überleben, unterscheiden sich sehr von denen des täglichen Lebens.

BELIEBT

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    Wo wir gerade beim Thema Gefahr sind: Nordkorea wird oft als gefährlich dargestellt, besonders für Fotografen. Sie sind einer der ersten Ausländer, die solch intime Fotos des Landes gemacht haben. Was haben Sie an sich, dass Sie an diesen Punkt gelangen konnten?

    Was ich an mir habe? [Lacht]

    Ja, vielleicht liegt es ja an Ihrer Persönlichkeit?

    Na, ich weiß nicht. Ich wuchs auf einer kleinen Farm mitten im Nirgendwo in den USA auf. Ich bin nie irgendwo gewesen. Als ich 18 wurde, hatte ich noch nicht mal das Meer gesehen und kannte niemanden, der einen Reisepass hatte. Ich war nur neugierig und wollte die Welt mit eigenen Augen sehen. Ich habe die erste Gelegenheit dazu ergriffen und bin gewissermaßen nie zurückgekehrt.

    Während Ihrer Zeit in Nordkorea war immer jemand dabei, der Sie bei der Arbeit begleitet und darauf geachtet hat, auf was Sie Ihre Kamera richten. Ab welchem Punkt wurden Ihre Begleiter etwas entspannter und wie kam es dazu? Haben Sie manchmal auch heimlich Fotos geschossen?

    Ich schätze, es hatte schon etwas von einem Katz-und-Maus-Spiel, bei dem ich versuchte, Fotos zu machen, ohne dabei kontrolliert zu werden. Aber hauptsächlich war es eine ehrliche Kommunikation und eine Beziehung, die ich zu den Leuten aufbaute, mit denen ich zusammenarbeitete. Am Anfang hatten sie Angst, dass ich ihr Land in einem schlechten Licht zeigen würde. Jahre später verstanden sie, dass es nicht zwingend etwas Schlechtes war, die Realität ihres Landes zu fotografieren. Und dass es im Grunde Verbindungen zwischen ihnen und der Außenwelt herstellt, wenn man fotografiert, wie die Menschen in ihrem Land ihr Leben wirklich führen. Und das kann für die Welt nur gut sein, glaube ich. Ich glaube, sie begannen, das zu verstehen, und hörten auf, so genau darauf zu achten, was ich tat.

    Gab es da einen besonderen Moment, der Sie auf persönlicher Ebene wirklich berührt hat?

    Ich würde sagen, dass das sehr oft passiert, wenn ich unterwegs bin. Man widmet seine Karriere einem Ort, weil es Momente gab, die man nie vergessen kann.

    In Nordkorea war der erste Moment dieser Art für mich der, als ich Familienzusammenkünfte zwischen Nord- und Südkoreanern fotografierte, die seit 50 Jahren voneinander getrennt waren. Ich sah Familien, die sich nach fünf Dekaden zum ersten Mal wiedersahen. Sie hatte drei Tage zusammen, dann wurden sie wieder auseinandergerissen und auf die entgegengesetzten Seiten der Demilitarisierten Zone geschickt. Das war für mich eine direkte, sehr wirksame emotionale Art zu verstehen, was auf der Koreanischen Halbinsel vor sich ging, wie das Land und die Menschen geteilt wurden und wie die Dinge zerstört und auseinandergerissen wurden.

    Das erinnert an die Situation in Deutschland bis 1989.

    Ich glaube, dass besonders Deutsche sich da hineinversetzen und das verstehen können, wenn sie ein anderes Land sehen, das seit so langer Zeit geteilt ist. Deutsche können das, denke ich, auf eine einzigartige Weise nachempfinden.

    Wie verlief Ihr Übergang zur Digital- und Smartphone-Fotografie?

    Zuerst habe ich das Mobiltelefon [zum Fotografieren] benutzt, weil es leicht und diskret ist und es einem ermöglicht, sehr nah an die Menschen heranzukommen, weil es nicht so einschüchternd wie große, professionellere Kameras ist. Außerdem macht das jeder, das verstehen die Leute also irgendwie besser. Am Anfang habe ich das für den Bereich Social Media gemacht, mit Apps wie Instagram. Aber das hat sich weiterentwickelt. Jetzt können die Fotos, die ich mit meinem Handy mache, publiziert oder ausgestellt werden. Die Qualität der Kameras ist hoch genug, um die Bilder, die ich mit dem Telefon machen, überall zu veröffentlichen und auszustellen. Letztes Jahr habe ich drei Artikel für das National Geographic Magazin gemacht, und ich glaube, etwa die Hälfte der Bilder aus diesen Artikeln, die im Magazin abgedruckt wurden, habe ich mit meinem Smartphone gemacht.

    Dieses Interview wurde zugunsten von Länge und Deutlichkeit redigiert.

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