Menschen waren 18.000 Jahre eher in Australien als angenommen

Eine neue Analyse alter Werkzeuge lässt vermuten, dass frühe Menschen vor 65.000 Jahren eventuell zu Fuß den Kontinent erreichten.

Von Sarah Gibbens
Veröffentlicht am 8. Nov. 2017, 09:54 MEZ

Wir wissen schon seit Langem, dass der moderne Mensch – oder Homo sapiens – in Afrika bereits vor 200.000 Jahren existierte. Bis vor Kurzem dachte man, dass die frühen Menschen vor 47.000 Jahren Australien erreicht haben. Ihre Ankunft auf dem Kontinent signalisierte damit einen der späteren Zwischenstopps der menschlichen Migration und hätte umfangreiche Seereisen vorausgesetzt.

Eine neue Entdeckung, von der kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature“ berichtet wurde, stellt diese Darstellung nun infrage. Laut ihr sind Menschen schon vor 65.000 Jahren in Australien gelandet. Damit sind die Gesellschaften der australischen Aborigines 18.000 Jahre älter als bisher angenommen. (Die fortlaufenden Untersuchungen an einer Felsdach-Stätte könnten diese Zahl jedoch noch in Richtung 10.000 Jahre korrigieren.)

Ein Team von Archäologen von der Universität von Queensland kam zu diesem Schluss, als es eine Ausgrabung an einem Abri oder Felsdach in Majedbebe durchführte. Die Region befindet sich im Norden Australiens und war 2012 und 2015 Schauplatz von Ausgrabungen. Unter den Artefakten, die man in der Region entdeckt hat, befanden sich auch Steinwerkzeuge und Beile, was auf eine fortgeschrittene Kenntnis des Waffenbaus hindeutet. Ähnliche Beile tauchten laut der Autoren der Studien in anderen Kulturen erst 20.000 Jahre später auf.

„Die Äxte waren perfekt erhalten, [sie] befanden sich an der Rückwand des Unterstandes, als wir weiter und weiter gruben“, erzählte einer der Studienautoren, Chris Clarkson, dem australischen Unternehmen „Fairfax Media“.

Bisherige Datierungsmethoden für Artefakte beruhen auf einer Technik namens Radiokarbondatierung. Sie eignet sich jedoch nur dafür, akkurate Daten für den Zeitraum der letzten 45.000 Jahre zu liefern.

Für ihre Schlussfolgerung, dass Menschen schon vor 65.000 Jahren in Australien waren, nutzten die Forscher eine zusätzliche Technik namens optisch stimulierte Lumineszens (OSL). Diese Technik wird auf kleine Fragmente mineralischen Gesteins angewendet, um zu bestimmen, wann es zuletzt mit Licht in Berührung kam. Das ist für Forscher ein Hinweis darauf, wie lange ein Artefakt bereits unter der Erde begraben liegt.

Die Artefakte, die zuerst von dem Team gefunden wurden, waren nur etwa 10.000 Jahre alt. Als sie tiefer in den Unterschlupf vordrangen, fanden sie Werkzeug, das sich auf 35.000 Jahre datieren ließ, dann 40.000 und schließlich 65.000.

Um nach Australien zu gelangen, mussten die Aborigines eine fast 100 Kilometer weite Reise von den umliegenden Regionen her hinter sich bringen. Clarkson erzählte dem „Sunday Morning Herald“, dass es möglich sei, dass die frühen Australier über Papua-Neuguinea zu den nördlichen Regionen des Kontinents gewandert sind, als der Meeresspiegel deutlich niedriger war.

Christ Stringer, Autor des Buches „The Origin of Our Species“ (dt. Die Entstehung unserer Art), arbeitet als Forscher am Natural History Museum in London. Er weist darauf hin, dass die Ankunft des Menschen in Australien eine Wendepunkt in unserer Evolution markiert.

In einer E-Mail an National Geographic schrieb Stringer, dass die Seereise, die für das Erreichen Australiens nötig war, „eindeutig die hohe Leistungsfähigkeit der Menschen demonstriert, die [diese Reise] als erste hinter sich brachten.“

Er weist auch darauf hin, dass eine Rückdatierung der Zeitspanne der menschlichen Migration noch auf etwas anderes hindeutet: Womöglich befanden sich frühe Menschen nicht in dem Ausmaß im direkten Konflikt mit anderen Hominiden und Tieren, wie man bisher glaubte. Frühere Studien legten nahe, dass die Ankunft des Menschen mit dem Aussterben mehrerer Arten einherging. Auch der Niedergang der Neandertaler wurde den Auswirkungen der menschlichen Migration zugeschrieben.

Der „Sydney Morning Herald“ hat einen anschaulichen Vergleich angebracht, um zu verdeutlichen, wie bedeutsam diese Verlängerung von 18.000 Jahren für das Verständnis der Aborigine-Gemeinschaften in Australien ist: Wenn die Kultur der Aborigines 24 Stunden alt wäre, dann wären weiße Kolonisten erst vor fünf Minuten auf dem Kontinent angekommen.

Das Archäologenteam der Universität von Queensland erhielt von der Gundjeihmi Aboriginal Corporation die Erlaubnis, seine Ausgrabungen in der Region fortzusetzen. Dem Aborigine-Clan der Mirrar obliegt das Recht, alle Aspekte der Arbeit an ihrem Land zu überwachen und ein Veto einzulegen.

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