Wer hat Fußball erfunden?

Auf der Suche nach dem Ursprung des Fußballs wurden Wissenschaftler in antiken Hochkulturen fündig und erfuhren Überraschendes über die Anfänge der Mannschaftssportart.

Von Erin Blakemore
Veröffentlicht am 28. Juni 2021, 15:40 MESZ
Die Wiederentdeckung eines 3.000 Jahre alten Sports: Lange bevor es Fußball und Basketball gab, verabredeten sich ...

Die Wiederentdeckung eines 3.000 Jahre alten Sports: Lange bevor es Fußball und Basketball gab, verabredeten sich die antiken Mayas auf ein paar Runden Mesoamerikanisches Ballspiel im Park. Heute ist eine Gruppe von Sportlern in Hidalgo, Mexiko, wild entschlossen, das Spiel wieder zu etablieren und so die Traditionen ihrer Ahnen zu ehren.

Foto von Photogrpah by Luis Acosta, AFP, Getty Images

Auch wenn nur wenige Zuschauer zugelassen sind und Public Viewing eher rar ist: die Europameisterschaft zieht gerade wieder viele in ihren Bann. Fußball ist bei Weitem die beliebteste Sportart der Welt. Aus gutem Grund. Jeder der weltweit 256 Millionen Fans kann jederzeit ohne viel Aufwand in einem Hinterhof oder auf einem Feld ein Spiel beginnen. Dadurch hat jeder die Möglichkeit, sich in die Profispieler hineinzuversetzen, die gerade um den Titel Europameister kämpfen.

Doch wer hatte zuerst die Idee, Laufen, Kicken und Teamwork in einem Spiel zu vereinen? Um das herauszufinden, muss man ein wenig an Uhr und Globus drehen.

Die Chinesen waren die Ersten, die im 3. Jahrhundert v. Chr. einen Sport daraus machten, Bälle mit dem Fuß in ein Netz zu treten. Die Regeln für das Spiel, das man heute auf der ganzen Welt als Fußball kennt, wurden im 19. Jahrhundert in England festgeschrieben. Doch der Vorgänger so ziemlich aller modernen Ballsportarten, die wir heute kennen und spielen, hat seinen Ursprung auf dem amerikanischen Kontinent.

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„Die Idee zu der Mannschaftssportart ist in Mesoamerika geboren worden“, sagt Mary Miller, Professorin für Kunstgeschichte an der Yale University, die ausführlich zu der Historie des Sports geforscht hat.

Der Fußball und seine antike Geschichte

Die historische Region Mesoamerika war von enormer Größe und erstreckte sich von Mexiko bis nach Costa Rica. Ihre Zivilisationen entwickelten sich sehr erfolgreich – bis sie von Columbus „entdeckt“ wurden. Viele Bewohner Mesoamerikas betrieben einen Sport, bei dem ein schwerer Ball zum Einsatz kam, der aus einem Baumharz-basierten Material gemacht war.

Es ist nicht abschließend geklärt, wo das Spiel erfunden wurde, da es in vielen mesoamerikanischen Kulturen gleichermaßen beliebt war: bei den Teotihuacános, den Azteken, und auch die Maya nahmen vor etwa 3.000 Jahren den Sport auf. Sein Name war von Kultur zu Kultur unterschiedlich: Die Azteken nannten ihn ullamaliztli, die Mayas sprachen von pok-ta-pok oder pitz. Und auch die Regeln variierten. So hielt man den Ball mancherorts im Spiel, indem man ihn vom Körper abprallen ließ, anderswo benutze man Schläger oder Keulen.

Jahrtausende bevor man herausfand, wie durch Vulkanisierung modernes Gummi produziert werden konnte, hatten diese antiken Zivilisationen den Prozess zur Herstellung von Gummibällen längst perfektioniert.

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BELIEBT

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    „Gummibälle wurden damals vermutlich zu Tausenden produziert“, sagt Miller. Die Bälle seien zwar innen hohl gewesen, hätten aber trotzdem mehr als 7 Kilogramm gewogen.

    In den Kulturen, in denen sie zum Einsatz kamen, waren die Bälle nahezu allgegenwärtig und man findet sie heute in vielen archäologischen Sammlungen. Neben Keramikbehältern und den rund 1.300 steinernen Spielfeldern, die Platz für viele Zuschauer boten und sich über die gesamte Region verteilen, gibt es aber auch noch andere Belege für die Sportart.

    In historischen Aufzeichnungen finden sich ebenso Hinweise, zum Beispiel in den Schriften von Diego Durán aus der Kolonialzeit. Der dominikanische Priester war Augenzeuge des aztekischen Lebens und beschrieb unter anderem einen Ballsport, auf den er 1585 aufmerksam wurde.

    Zwei Mannschaften spielten dabei gegeneinander, der Ball durfte nur mit Hüften und Po, nicht aber mit Händen oder Füßen gespielt werden. Ziel war es, mit dem Ball die Wand an der Rückseite der gegnerischen Spielhälfte zu treffen. Dabei musste der Ball mit nur einem Körperkontakt über die Mittellinie gespielt werden. Oft erlitten Spieler lebensgefährliche Verletzungen, wenn sie von dem harten, schweren Ball getroffen wurden.

    Der Sieger des Spiels war laut Durán „ein verehrter Mann, der viele bezwungen und den Kampf gewonnen hat.“

    Sport treiben heißt Opfer bringen

    Das Spiel war, ähnlich wie Fußball oder Basketball heute, ein Alltagssport. Doch es hatte auch seinen heiligen Platz in der Religion und der Kriegsführung mesoamerikanischer Kulturen. Für die Könige der Azteken war es ein Ersatz für tatsächliche Kriege: zur Klärung von Herrscherrechten oder diplomatischer Streitigkeiten.

    In der Maya- und Veracruz-Kultur ging es sogar um Leben und Tod: Die Verlierer mancher rituellen Spiele endeten als Menschenopfer.

    Die genauen Umstände sind ungeklärt, doch manche Spielstätten sind mit Tafeln dekoriert, auf denen die blutige Opferung der unterlegenen Spieler dargestellt wird. Im Schöpfungsmythos der Maya sind Sport und Opferung eng verbunden: Er beschreibt ein ballspielendes Zwillingspaar, das den Gott der Unterwelt auf dem Spielfeld besiegt. Danach werden die beiden zu Sonne und Mond.

    Die Mayas „stellten sich den Göttern täglich mit Ballspielen entgegen“, erklärt Miller. „Es gibt ein zentrales Element des Konflikts zwischen Göttern und Menschen.“

    Trotz konkreter Hinweise darauf, dass die Verlierer manchmal wortwörtlich den Kopf hinhalten mussten, waren einige der Archäologen des 20. Jahrhunderts laut Miller der Überzeugung, nur Sieger wären geopfert worden. Sie vermutet dahinter ein Streben danach, die Maya nicht als kriegerisch, sondern als außergewöhnlich darzustellen.

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    „Sie konnten sich nicht vorstellen, dass die Mayas Menschenopfer gebracht haben“, sagt sie. „Wir wissen heute, dass das ein Irrglaube ist – genauso wie die Idee, dass die siegreichen Spieler als Opfer ausgewählt worden wären.“ In der Maya-Mythologie wurde der Verlierer des Spiels geopfert und unter heutigen Wissenschaftlern gibt es kaum noch Zweifel daran, dass ein Sieg bedeutete, dass man seinen Kopf behalten durfte.

    Doch trotz der vielen Erkenntnisse sind auch heute noch einige Fragen offen. Welche konkreten Regeln hatte die Sportart? Wie genau sahen die schrecklichen Rituale aus, die die Verlierer erwarteten? Doch die Seele des Spiels, die Miller als „komplexes Mannschaftsdenken“ beschreibt, hat die Zeit überdauert. Sie lebt in der modernen Version des Spiels und in den Millionen Menschen weiter, die jeden Tag auf provisorischen Spielfeldern auf der ganzen Welt rennen, passen und Tore schieße. 

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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    Wir sind zum Laufen geboren – aber wir machen es falsch

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