Das Salz und die Erde in der Afar-Senke

Die surreale Landschaft der Afar-Senke im Osten von Afrika gehört zu den geologisch aktivsten Regionen der Erde.

Von Virginia Morell
bilder von George Steinmetz
Foto von George Steinmetz

Das Spektakel hatte Hollywood-Format: Im September 2005 sahen Hirten vom Volk der Afar im nördlichen Äthiopien entsetzt zu, wie sich der Schlund der Erde auftat und ihre Ziegen und Kamele verschlang. Unterirdische Kavernen spien Brocken von Obsidian aus, die «wie große schwarze Vögel» durch die Luft flogen, berichtete ein Einheimischer. Nach dem Ausbruch des größten Vulkans der Region verdunkelte eine Aschewolke drei Tage lang die Sonne – wie zum Beweis, dass er seinen Afar-Namen Erta Ale („rauchender Berg“) zu Recht trägt.

Die Ursache lag viele Kilometer unter der Erdoberfläche. Zwischen zwei tektonischen Platten hatte sich eine Magmablase gestaut. Der von ihr ausgehende Druck presste die Erdkruste auseinander und ließ an der Oberfläche Spalten und Verwerfungen aufbrechen, in die das unglückliche Vieh hinabstürzte.

Die Afar-Senke im Osten von Afrika gehört zu den geologisch aktivsten Regionen der Erde. Vom Flugzeug aus – oder vom Sitz des Motorgleiters, den der Fotograf George Steinmetz bevorzugt – erscheint das Gebiet so starr wie das Eis der Arktis . Seine wahre Natur rumort tief im Untergrund. Dort reißt die felsige Kruste immer weiter auf, gewaltige Magmakammern speisen zwölf aktive Vulkane, dampfende Geysire und einen brodelnden Lavasee.

Das Beben von 2005 und die vielen Erschütterungen danach sind die Folgen einer Entwicklung, die vor ungefähr 30 Millionen Jahren einsetzte. Damals schmolz sich das aufsteigende Magma durch die Erdkruste und begann, die Arabische Halbinsel von Afrika wegzudrücken. Den Riss füllen heute das Rote Meer und der Golf von Aden aus. Das Magma kühlte wieder ab, wurde dichter und sank tiefer. Einige Teile der Afar-Region liegen heute mehr als 150 Meter unter dem Meeresspiegel.

Mehrmals flutete das Rote Meer die Afar-Senke, zuletzt vor etwa 30000 Jahren. Jedes Mal hinterließ das verdunstende Seewasser dicke Salzkrusten. Dieses „weiße Gold“ war lange Zeit eine wichtige Einnahmequelle für das Hirtenvolk der Afar, das hier im Sommer bei Temperaturen nahe der 50-Grad-Marke ausharrt.

Wissenschaftler trotzen den harten Bedingungen aus einem anderen Grund. Die Afar-Senke ist einer der wenigen Plätze auf der Erde, an denen sie beobachten können, wie aufquellendes Gestein die Formen der Kontinente verändert. In einer sehr fernen Zukunft werden die Afar-Senke und der gesamte Afrikanische Grabenbruch endgültig zum Meer geworden sein. Das heutige Horn von Afrika wird dann als eigenständige Insel langsam in Richtung Indischer Ozean treiben.

(NG, Heft 03 / 2012, Seite(n) 134 bis 145)

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