Korallen überleben in saurem Wasser – ohne Skelett

Klimawandel ist nicht nur die Oberflächenerwärmung der Erde und das Abschmelzen der Gletscher.

Von Ed Yong
Veröffentlicht am 27. Feb. 2018, 14:25 MEZ
Foto von National Geographic

Das Kohlendioxid, das der Mensch durch sein Handeln in die Atmosphäre pumpt, löst sich auch im Wasser der Weltmeere und erhöht so nach und nach ihren Säuregrad. Und das wird zum Problem für Korallen.

Korallen sehen vielleicht aus wie unbewegliche Steine, aber diese harten Panzer sind das Zuhause von Weichtieren. Diese Korallenpolypen bilden gewaltige Riffe aus Calciumcarbonat, indem sie Carbonat-Ionen aus dem sie umgebenden Wasser ziehen. Sinkt nun der pH-Wert des Wassers, verringert sich auch das Vorkommen dieser Ionen und den Korallen geht der Baustoff für ihre Häuser aus.

Wissenschaftler prognostizieren, dass die weltweiten Riffbauaktivitäten von Korallen um bis zu 80% zurückgehen werden, falls sich das Kohlendioxid-Level verdoppelt. Sollten sie nicht genug nachbauen können, um natürliches Absterben und Erosion entgegenzuwirken, werden die Riffe nach und nach verschwinden.

Nun haben Maoz Fine und Dan Tchernov vom Inter-University Institute for Marine Science in Israel herausgefunden, dass Korallen eine Möglichkeit haben, mit ihrer Obdachlosigkeit umzugehen. Die beiden Forscher ließen jeweils einige Fragmente von zwei europäischen Korallenarten unter normalen Mittelmeerbedingungen wachsen. Parallel dazu beobachteten sie das Wachstum der gleichen Arten in Wasser, dessen pH-Wert um 0,7 Einheiten saurer war.

Diejenigen, die einen Monat im sauren Becken verbrachten, veränderten sich rasch. Ihr Skelett löste sich auf und die Kolonie teilte sich. Die ungeschützten, einzelnen Polypen sehen aus wie kleine Seeanemonen und blieben fest an der steinernen Oberfläche verhaftet. Wenn es für sie also hart auf hart kommt, werden sie offensichtlich weich.

Foto von Jan Derk

Selbst ohne schützendes Skelett überlebten sie mehr als ein Jahr lang und schienen weiter ihrem Lebensrhythmus nachzugehen. Sie gediehen gut, sie pflanzten sich normal fort und sie gingen auch weiterhin eine Symbiose mit Algen ein, die ihnen erlaubten, Energie durch Photosynthese zu gewinnen. Und als sie in ihre normalen Umweltbedingungen zurückgesetzt wurden, gaben sie ihre Unabhängigkeit umgehend wieder auf, formten erneut Kolonien und bildeten harte Panzer.

Fines und Tchernovs Erkenntnisse deuten an, dass die Korallen vielleicht in der Lage sind, den drohenden Klimawandel zu überleben, allerdings ohne Skelett und freistehend. Außerdem gibt es Beweise dafür, dass sie diesen Trick schon einmal genutzt haben. Die harte Schale der Korallenriffe versteinert schnell, aber es gibt immer noch große Lücken in der Fossiliendokumentation, in denen keine Riffe gefunden wurden. Das waren vielleicht zeitliche Abschnitte in der Erdgeschichte, in denen Korallen in ihrer weichen Form ausgeharrt haben.

Diese neue Entdeckung gibt zwar Grund zur Hoffnung, sollte jedoch keine Bequemlichkeit nach sich ziehen. Auch wenn Korallen das Ganze in anderer Form durchstehen könnten, hängt die große Artenvielfalt doch von ihnen ab und diese könnte für immer verloren sein, wenn die Riffe verschwinden.

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