Endstation für Amerikas Zirkuselefanten

2021 sollen 35 Asiatische Elefanten aus Zirkussen in ein naturnahes Habitat umziehen. Das Schutzzentrum White Oak hat große Pläne für die Zukunft der Tiere.

Von Oliver Whang
Veröffentlicht am 25. Sept. 2020, 17:46 MESZ
Asiatische Elefanten

Asiatische Elefanten des Ringling Bros. and Barnum & Bailey Circus treten am 1. Mai 2016 zum letzten Mal in Providence in Rhode Island auf.

Foto von Bill Sikes, AP Photo

Die Elefanten des amerikanischen Zirkusunternehmens Ringling Bros. and Barnum & Bailey Circus werden 2021 in ein geräumiges neues Zuhause in einem Naturschutzzentrum in Florida einziehen. Damit kommen sie ans Ende einer Reise, die 2015 begann: Damals verkündete die Muttergesellschaft des Zirkus, Feld Entertainment, dass sie keine Elefanten mehr in ihren Zirkusshows nutzen würde.

(Das Ende einer der ältesten Shows der Welt)

Das Schutzzentrum White Oak Conservation kaufte insgesamt 35 Asiatische Elefanten von Feld Entertainment. Nach Angaben der Organisation handelt es sich damit um die größte Gemeinschaft Asiatischer Elefanten in der westlichen Hemisphäre. Der Bau eines 1.000 Hektar großen Habitats für die Tiere hat bereits begonnen und soll bis 2021 abgeschlossen sein.

Das neue Refugium bietet den Tieren verschiedene Landschaften – einschließlich Feucht-, Gras- und Waldlandschaften – und wird elf Wasserlöcher haben. Jedes davon ist groß genug, dass die Elefanten hineinwaten können

10 FAKTEN ÜBER ELEFANTEN

„Für uns ist das eine Chance, sie in eine Situation zurückkehren zu lassen, in der sie einfach wieder Elefanten sein können und die der Wildnis so nahekommt, wie wir es einrichten konnten“, sagt Michelle Gadd. Sie leitet die globalen Naturschutzbemühungen für die Walter Conservation. (White Oak, das dem Geschäftsmann Mark Walter und seiner Frau Kimbra gehört, ist Teil von Walter Conservation, einer Abteilung der philanthropischen Arbeit der Familie, die sich dem Schutz von Wildtieren widmet).

In Gefangenschaft beträgt die Lebenserwartung Asiatischer Elefanten 45 Jahre. Die 35 Tiere sind zwischen wenigen Jahren und mehr als 70 Jahren alt. Da sie überwiegend in Gefangenschaft gelebt haben, können sie nicht ausgewildert werden. Aber das Unterfangen sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Ed Stewart, der Präsident und Mitbegründer der Performing Animal Welfare Society (PAWS). Die in Kalifornien ansässige gemeinnützige Organisation kümmert sich um verstoßene, misshandelte und pensionierte Zirkustiere. „Es sieht so aus, als würde es sich um sehr gute Tierwohl-Maßnahmen für ein Szenario in Gefangenschaft handeln – tatsächlich sogar einige der besten, die es gibt.“

Ein Tier ohne Lebensraum

Asiatische Elefanten sind eine stark gefährdete Art und ihr weltweiter Bestand ist in den letzten 75 Jahren um mindestens die Hälfte zurückgegangen. Schätzungsweise 20.000 bis 40.000 Exemplare gibt es noch in freier Wildbahn. Dieser Rückgang ist weitgehend auf die Zerstörung von Lebensräumen zurückzuführen: Nur 15 Prozent ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets in Süd- und Südostasien sind heute noch vorhanden. Der Rest fiel Entwaldung, Landwirtschaft und industrieller Expansion zum Opfer. Der Bestand ist außerdem durch Wilderer gefährdet, die es auf die Haut und die Stoßzähne der Tiere abgesehen haben.

Ein Paar ehemaliger Zirkuselefanten steht 2016 zusammen im 80 Hektar großen Zentrum für Elefantenschutz von Ringling Bros. in Polk City, Florida. Dreißig Elefanten aus dem Zentrum werden 2021 in ein neues, 1.000 Hektar großes Habitat von White Oak umziehen.

Foto von KERRY SHERIDAN/AFP, Getty Images

Etwa ein Drittel aller Asiatischen Elefanten lebt in Gefangenschaft. Sie werden vor allem in Indien, Thailand und Myanmar für landwirtschaftliche Zwecke, zur Holzgewinnung und als Touristenattraktionen genutzt. Die Ausbildung junger Elefanten in Gefangenschaft kann brutal sein und umfasst oft furchtbasierte Methoden, bei denen die Bestrafung im Vordergrund steht, Schmerzen zugefügt und die Tiere mitunter sogar verletzt werden.

In den USA gibt es mehrere hundert Asiatische Elefanten, die meisten von ihnen in Zoos. Ein Großteil der anderen lebt in Schutzgebieten und –zentren. Eine Handvoll ist immer noch im Besitz von Zirkussen, die in Bundesstaaten und Gemeinden auftreten, in denen diese Nutzung von Wildtieren noch legal ist.

Da Asiatische Elefanten kleiner sind als ihre afrikanischen Vettern und im Allgemeinen als leichter zu handhaben gelten, wurden sie um die Mitte des 18. Jahrhunderts zum Elefanten der Wahl für Zirkusshows. Der Trend begann mit der Elefanten-Conga in P.T. Barnums „Tollster Show der Welt“.

Galerie: Mama tot, Liebe gesucht

Eine Untersuchung des Magazins „Mother Jones“ aus dem Jahr 2011 berichtete, dass die Elefanten von Anfang an misshandelt und schlecht versorgt wurden. Ein Tier aus Barnums erster Elefantenfang-Expedition starb beim Transport vom heutigen Sri Lanka in die USA, berichtete das Magazin. Trainingstechniken mit Hilfsmitteln wie elektrischen Stäben wurden zum Standard, der auch noch fortgeführt wurde, als Feld Entertainment 1967 Barnums Zirkus kaufte. Die Untersuchung ergab, dass bis weit ins 21. Jahrhundert hinein viele der bei Feld auftretenden Tiere überlastet waren. Eine Reihe starb an gesundheitlichen Komplikationen, die mit ihren Haltungsbedingungen zusammenhingen.

Unter dem Druck von Tierschützern und einem Sinneswandel der Öffentlichkeit schickte Feld 2016 den letzten seiner Zirkuselefanten in den Ruhestand. Alle – damals 40 – Tiere wurden auf ein 80 Hektar großes Grundstück mit dem Namen Ringling's Center for Elephant Conservation (CEC) verlegt. Ein Jahr später schloss das Unternehmen den Zirkus schließlich ganz.

Aber auch im CEC ging die Kontroverse weiter. Mehrere Tierrechts- und Tierschutzgruppen, darunter People for the Ethical Treatment of Animals (PETA) und der International Fund for Animal Welfare, kritisierten die Größe der Elefantengehege. Reuters berichtete 2016, dass die Elefanten nachts angekettet wurden.

Auf diese Behauptungen hin verteidigte Feld sein Engagement für das Wohlergehen der Tiere und behielt die Elefanten im CEC. Im Laufe der Jahre wurden einige an Zoos verkauft, einige starben und es kamen durch Geburten ein paar hinzu.

Jetzt gibt es 34 Elefanten im CEC und ein weiterer befindet sich als Leihgabe im Zoo von Fort Worth. Fast alle von ihnen werden bald wieder umziehen.

Neue Elefanten für die Wildnis?

Der Umzug vom CEC zum neuen Elefantenhabitat in White Oak bringt eine Reihe von Herausforderungen mit sich. Die meisten der Tiere sind daran gewöhnt, in fast völliger Isolation zu leben, und keines von ihnen hat zuvor selbst nach Nahrung gesucht, sagt Gadd. Aus diesem Grund wird eine Handvoll der Tiere – die genaue Anzahl wird noch festgelegt – für den Rest ihres Lebens im CEC bleiben. Allerdings wird sich fortan White Oak um ihr Wohlergehen kümmern. Einige der Elefanten, so Gadd, würden sich in der neuen Umgebung einfach nicht wohl fühlen oder seien zu alt, um umzuziehen.

Im Allgemeinen fühlen sich die Tiere in menschlicher Gesellschaft wohl und suchen sie manchmal sogar auf, so Gadd. Aber sie sind nicht vertraut mit der Herdendynamik und den familiären Bindungen, die normalerweise zwischen wilden Asiatischen Elefanten bestehen.

Galerie: Die Krieger, die einst Elefanten fürchteten, beschützen diese nun

Nick Newby, ein Mitglied der Elephant Taxon Advisory Group der Association of Zoos and Aquariums (AZA), kümmert sich seit 2003 um Elefanten. Newby wurde von White Oak angeheuert, um die Elefanten kennenzulernen und sie auf das Leben in ihrem neuen Zuhause vorzubereiten. Zu dieser Arbeit gehört auch, durch überwachte Gruppeninteraktionen langsam eine soziale Hierarchie entstehen zu lassen und autarkes Verhalten zu fördern. Feld Entertainment habe diese Bemühungen unterstützt, sagt Gadd.

„Wir sind stolz auf unsere Partnerschaft mit White Oak, um die Elefanten in unserer Obhut in ihre Einrichtung zu überführen und ihre Bemühungen zum Schutz gefährdeter Arten weiter auszubauen“, sagte Kenneth Feld, Vorsitzender und CEO von Feld Entertainment.

(Sprechen Elefanten unsere Sprache?)

Wenn die Elefanten nächstes Jahr das CEC verlassen, sollen sie sich leichter in ihrem neuen Zuhause einleben können und „wie normale Elefanten leben“, so Gadd. Langfristig will White Oak die dort geborenen Elefanten wieder auswildern, sagt sie.

Ein Umzug mit 500 Elefanten

Stewart von PAWS verweist allerdings darauf, dass noch nie ein Asiatischer Elefant erfolgreich wieder ausgewildert wurde. Das liege vor allem an ihrem rapide schrumpfenden Lebensraum und der komplizierten Dynamik der „menschlichen Kultur, der Elefantenkultur und der Bereiche, in denen sie sich überschneiden“.

Deshalb ist er sich nicht sicher, ob die Elefanten, die in dem neuen Refugium geboren werden, wieder in die Wildnis zurückkehren können. Auch Gadd gibt zu, dass das White-Oak-Habitat – so geräumig es auch ist und so nahe es dem natürlichen Lebensraum des Asiatischen Elefanten auch kommen mag – keine Garantie für eine erfolgreiche Auswilderung bietet. Es ist jedoch ein „wirklich wichtiges Experiment darüber, wie gut Elefanten wilde Verhaltensweisen wieder erlernen können“, sagt sie.

Stewart, Gadd, die Walters und andere Naturschützer sind überzeugt, dass noch viel mehr getan werden muss, um Asiatische Elefanten zu erhalten und zu schützen, sowohl in den USA als auch im Ausland. Aber in der Zwischenzeit, so Stewart, sei dieser Schritt es wert, gefeiert zu werden: „Es gibt keine perfekte Situation in Gefangenschaft, aber das hier sieht nach einer enormen Verbesserung für diese Elefanten aus. Und die haben sie verdient.“

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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