Auf Safari im Großstadt-Dschungel: Wildtiere erobern die City
Die Metropole als Biotop? Anpassungsfähige Tierarten kommen in der Stadt oft häufiger vor als in ihrem ursprünglichen Lebensraum.

Neue Heimat: Füchse leben oft in direkter Nachbarschaft zum Menschen.
Wildschweine auf dem Mexikoplatz in Berlin-Zehlendorf, Wanderfalken über der Frankfurter Skyline, Füchse am Kölner Mediapark: Immer mehr Wildtiere scheinen sich in der City pudelwohl zu fühlen. Doch was treibt sie aus Wiesen und Wäldern in die oft lauten und grellen Städte? Die Gründe sind vielfältig, erklärt Wildtierökologin Geva Peerenboom: „Menschliche Siedlungen sind reich an Strukturen, bieten ganzjährig ein vielfältiges Nahrungsangebot und haben ein milderes Klima als natürliche Lebensräume.“
Oft leben sogar mehr Arten in der City als im Umland. Denn so manche Spezies kommt mit Gebäuden und städtischen Grünflächen offenbar besser zurecht als mit den immer monotoner werdenden Agrarlandschaften. „Die Nähe zum Menschen können sie tolerieren“, sagt Peerenboom. Gejagt wird in der Stadt nicht. Stattdessen liefern wir unseren tierischen Neubürgern jede Menge Nahrung. Nicht nur, indem wir sie aktiv füttern. Viele Wildtiere profitieren von offenen Mülleimern und weggeworfenen Essensresten – energiereichem Superfood.
Waschbären auf dem Dachboden
Natürlich zählen bei weitem nicht alle Tierarten zu den Gewinnern, unterstreicht die Freiburger Wissenschaftlerin. Während so genannte Urban Exploiters – anpassungsfähige Generalisten wie Fuchs oder Steinmarder – ihre Reviere oft in direkter Nachbarschaft zum Menschen suchten, kämen Urban Avoiders wie Luchs oder Baummarder überhaupt nicht mit menschlicher Nähe klar.
Galerie: Großstadt WILDNIS
„Eine Vielfalt an Tierarten in urbanen Gebieten ist gesellschaftlich gewollt“, so Peerenboom. Wenn aber Waschbären auf dem Dachboden poltern, Wildschweine den Vorgarten umpflügen, Steinmarder die Bremsschläuche im Auto zerbeißen oder eine Wildgänseschar die Liegewiese am Badesee verschmutzt, kann es mit der Tierliebe schnell vorbei sein.
Um Konflikte zwischen Mensch und Tier möglichst schon im Vorfeld zu entschärfen, plädiert die Ökologin deshalb für ein urbanes Wildtiermanagement. Gemeinsam mit Kollegen von der Uni Freiburg hat sie dazu ein Handbuch verfasst, das Behörden und Bevölkerung im Umgang mit Wildtieren in der Stadt helfen soll.
Füttern verboten!
Das erste Gebot bei überraschenden Begegnungen: Abstand halten. Wildtiere sollten weder gestört, gestreichelt, gefangen nach angelockt werden. Auch Füttern sei tabu – mit Ausnahme von Gartenvögeln. Wildtiere, die hilfsbedürftig erscheinen, sollten keinesfalls mit nach Hause genommen werden. Erste Anlaufstelle bei Problemen mit Wildtieren sei die Gemeindeverwaltung.
Und wer im eigenen Garten auf Safari gehen will, sollte einfach mehr Wildnis wagen. Blühende Wiese statt englischem Rasen, heimische Sträucher statt leblosem Schotter: Naturnahes Gärtnern ist unkomplizierter als viele denken. Und der Erfolg lässt oft nicht lange auf sich warten. „Schnell wird sich eine Vielzahl an Insekten- und Vogelarten einstellen, aber auch Säugetiere wie Igel und Spitzmäuse werden Einzug halten“, betont Peerenboom.
Hauptstadt der Wildschweine
Welche faszinierenden Entdeckungen man bei wilden Steifzügen durch die City machen kann, weiß auch Sven Meurs. Seit über 10 Jahren ist der Kölner Tierfotograf im Großstadtdschungel unterwegs, um tierische Bewohner zu porträtieren. Berlin sei die Hauptstadt der Wildschweine, hinter dem Stuttgarter Hauptbahnhof lebten hunderte Feldhasen und in Düsseldorf fische der Eisvogel mitten im Park. Meurs ist sicher: „Kaum Regionen in Deutschland sind so artenreich wie unsere Großstädte.“