Sequenzierung des Beutelwolf-Genoms könnte erster Schritt zur Wiederbelebung sein

Der genetische Bauplan des ausgestorbenen Beuteltiers offenbarte einige Überraschungen und könnte Wissenschaftlern in Zukunft dabei helfen, die Art zurückzubringen.

Von John Pickrell
Veröffentlicht am 18. Dez. 2017, 15:51 MEZ
Der Beutelwolf war ein australisches Raubtier. Das letzte bekannte Exemplar starb 1936.
Der Beutelwolf war ein australisches Raubtier. Das letzte bekannte Exemplar starb 1936.
Foto von Taxidermic specimen, American Museum of Natural History, New York

Ein 108 Jahre alter Beutelwolf-Welpe enthielt genügend hochwertiges genetisches Material, um Forschern die Sequenzierung seines vollständigen Genoms zu ermöglichen. So entstand einer der bisher besten genetischen Baupläne eines ausgestorbenen Tieres.

Das Genom hat Details über die Evolution und den Niedergang dieses Beuteltiers offenbart – und es ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, um das Tier zu klonen und die Art womöglich von den Toten auferstehen zu lassen.

Der Beutelwolf, der auch unter den Namen Tasmanischer Tiger oder Beuteltiger bekannt ist, war ein wolfsgroßes, fleischfressendes Beuteltier, das in Australien einst verbreitet war. Auf dem Festland starb es vor 3.000 Jahren aus, aber überlebte auf der südlichen Insel Tasmanien. Im frühen 20. Jahrhundert wurde die Art schließlich von menschlichen Jägern ausgerottet, die vermeintlich ihr Vieh schützen wollten.

Der letzte bekannte Beutelwolf starb 1936 im Hobart Zoo, aber die Art könnte noch bis in die Vierziger hinein in der Wildnis existiert haben. 1982 wurde die Tierart offiziell für ausgestorben erklärt.

Die Forscher wollten einen genaueren Blick auf die Gene von Thylacinus cynocephalus werfen, um zu verstehen, warum die karnivoren Jäger unter den Beuteltieren sich evolutionär so entwickelt haben, dass sie Wölfen in Aussehen und Verhalten glichen. Der letzte gemeinsame Vorfahre der beiden Tiergruppen reicht 160 Millionen Jahre zurück, und dennoch führten sie unabhängig voneinander ein sehr ähnliches Leben in unterschiedlichen Teilen der Welt.

„Der Beutelwolf und der Hund [oder Wolf] sind die engsten Beispiele einer konvergenten Evolution, die wir je zwischen zwei Arten gemessen haben“, sagt Andrew Pask von der Universität Melbourne. Er ist der Hauptautor der Studie, die vor Kurzem in „Nature Ecology & Evolution“ erschien. Wissenschaftler verfügen bereits über Genome von Hunden und verwandten Arten. Eine Sequenzierung des Genoms der ausgestorbenen Art würde ihnen daher dabei helfen, nach konvergenten Ähnlichkeiten in ihren Genen zu suchen. So könnten sie die Evolution auf einer molekularen Ebene nachvollziehen.

„Wenn sich zwei Tiere so anpassen, dass sie fast identisch aussehen, kann man das dann auch in ihrem Genom sehen? Kann man Teile ihrer DNA finden, die sich so entwickelt haben, dass sie einander ähneln?“, fragt er.

„MAGISCHES EXEMPLAR“

2008 war Pasks Team das erste, das genetisches Material von einer ausgestorbenen Art erfolgreich in eine lebende Art übertrug: Die Forscher fügten Beutelwolf-DNA aus Knochen und Knorpelgewebe in Mäuseembryos ein.

Die DNA-Sequenzen waren damals von eher schlechter Qualität, was die Sequenzierung eines ganzen Genoms fast unmöglich machte. In Museen gibt es etwa 750 Exemplare und Proben von Beutelwölfen, die meisten in Form von Fell oder Knochen, die nur wenig brauchbare DNA enthalten. Aber es gibt 13 Jungtiere, die aus dem Beutel ihrer Mutter entnommen und in Ethanol konserviert wurden. Eines dieser Jungtiere hatte überraschend gut erhaltenes genetisches Material.

„Dieses Junge aus dem Beutel scheint ein magisches Exemplar zu sein, das zufällig sehr gut erhaltene, intakte DNA hat“, sagt Pask.

Als sie das fertige Genom mit dem eines Hundes verglichen, fanden sie heraus, dass die beiden trotz ihrer Ähnlichkeiten in Aussehen und Verhalten keine unabhängigen genetischen Ähnlichkeiten entwickelt hatten. Laut Pask könnte es Ähnlichkeiten dabei geben, wann Gene während der Entwicklungsphase an- und abgeschaltet werden. Das soll in einem zukünftigen Projekt untersucht werden.

Die Forscher machten aber auch eine neue Entdeckung: Die genetische Vielfalt in der Beutelwolfpopulation ging vor 70.000 bis 120.000 Jahren stark zurück. Das ist unerwartet, da Wissenschaftler lange Zeit dachten, dass die Vielfalt innerhalb der Art vor deutlich kürzerer Zeit abnahm.

„Wir gingen immer davon aus, dass der Beutelwolf genau wie der Beutelteufel nach seiner Isolierung auf Tasmanien eine sehr eingeschränkte genetische Diversität hatte. Das war erst vor 10.000 bis 15.000 Jahren, als eine Landbrücke zum Festland wegfiel“, sagt Pask.

Stattdessen könnte die Art vom Klimawandel betroffen gewesen sein, der etwa zu jener Zeit zu einer Verschiebung in der Vegetation führte. Diese Entdeckung lässt darauf schließen, dass der Beutelwolfbestand auf dem Festland schon lange vor der Ankunft der Aborigines vor 65.000 Jahren zurückging.

WIEDERBELEBUNGSMASSNAHMEN?

Letzten Endes wurde der Beutelwolf aber von menschlichen Jägern ausgerottet, weshalb manche Experten hoffen, dass das neue Genom eines Tages ein Werkzeug für die Wiederbelebung der ausgestorbenen Art sein könnte.

„Von all den kürzlich erfolgten Fällen des Aussterbens einer Art ist das einer, bei dem die Schuld unbestreitbar bei uns liegt. Vielleicht sollte das also zusammen mit der Wandertaube ein Kandidat dafür sein“, sagt Ross Barnett. Der Evolutionsbiologe von der Durham Universität ist ein Experte für alte DNA.

Mike Archer, ein Paläontologe der Universität von New South Wales und Experte für De-Extinction, also die Wiederbelebung ausgestorbener Arten, leitete Anfang der 2000er ein Pionierprojekt zur Erforschung der Beutelwolfklonung. 2013 klonten er und sein Team erfolgreich Embryos einer anderen ausgestorbenen Art: der Magenbrüterfrösche.

„Es gibt da noch eine Menge Arbeit zu tun, aber ich glaube, Pasks Gruppe hat demonstriert, dass etwas, das wir vor 20 Jahren noch als lächerliche Unmöglichkeit angesehen hätten, nun zunehmend möglich wird“, sagt Archer.

Pasks würde den Beutelwolf zwar gern zurückbringen können, aber er räumt ein, dass dazu noch andere Probleme gelöst werden müssen: “Ein vollständiges funktionales Genom zu erzeugen ist etwas ganz anderes, als ein sequenziertes Genom vorliegen zu haben. Das ist also eine große Hürde, die wir noch überwinden müssen.“ Dennoch hat er die Hoffnung, dass es eines Tages möglich sein könnte, ein verwandtes Beuteltier zu nehmen, all die Unterschiede zwischen den Genomen aufzudecken und diese Unterschiede zu bearbeiten, um einen Beutelwolf nachzubauen.

„Es wird noch mindestens zehn Jahre dauern, bis wir die Technologien haben, um wirklich mit der Wiederbelebung zu beginnen“, schätzt er. „Aber man weiß nie, wie schnell sich einige dieser Technologien entwickeln werden.“

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