„Schlafende“ Lebensformen in trockenster Wüste der Erde entdeckt

Im hyperariden Boden der Atacama-Wüste – der trockensten Wüste außerhalb der Polargebiete – schlummern Mikroben, die Hinweise darauf geben, wie mögliches Leben auf dem Mars überleben könnte.

Von Michael Greshko
Veröffentlicht am 28. Feb. 2018, 13:57 MEZ
Im August 2017 blühen während einer seltenen Feuchtperiode Blumen in der chilenischen Atacama-Wüste.
Im August 2017 blühen während einer seltenen Feuchtperiode Blumen in der chilenischen Atacama-Wüste.
Foto von Martin Bernetti, AFP, GETTY IMAGES

Die Atacama-Wüste in Chile ist vermutlich jener Ort unseres Planeten, der dem Mars am ähnlichsten sieht: Er ist salzig, windgepeitscht und so knochentrocken, dass man ihn leicht für ein lebloses Fleckchen Erde halten könnte.

Aber eine neue Studie bestätigte nun, dass es in dem kargen Boden Leben gibt, das geduldig auf eine Chance zu erblühen wartet. Nur knapp unter der Oberfläche schlummern außergewöhnlich widerstandsfähige Bakterien, Pilze und Mikroben, die sich an die strapaziöse Trockenheit, die UV-Strahlung und den hohen Salzgehalt angepasst haben.

Die meiste Zeit über sind sie inaktiv, aber wann immer Regen fällt, erwachen sie zum Leben.

Die Entdeckung, die in „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht wurde, verdeutlicht die eindrucksvollen Fähigkeiten des Lebens auf Erden, sich selbst an ganz unerwarteten Orten durchzusetzen. Letztendlich könnte sie auch Hinweise darauf geben, wie das Leben auf dem Mars überdauert haben könnte, nachdem die Oberfläche des Roten Planeten vor Milliarden von Jahren austrocknete. Womöglich schlummern selbst heute noch ein paar Mikroben tief unter dem Boden und warten auf ein paar Tropfen Wasser.

VOM REGEN ERWECKT

Im Vergleich zum Mars, der seit Ewigkeiten keinen Regen gesehen hat, wirkt die Atacama-Wüste wie ein Paradies. Aber für Erdverhältnisse ist die chilenische Wüste höllisch trocken. Manche Gebiete haben eine jährliche Niederschlagshöhe von nur 0,5 Millimetern. Die Trockenheit hält dort schon seit so langer Zeit an, dass sich vom Wind herbeigetragene Salze angehäuft haben, ohne je vom Regen fortgewaschen zu werden.

Um die Trockenperioden zu überleben, können manche Organismen dehydrieren und in einen inaktiven Zustand übergehen. Allerdings gibt es keine Garantie dafür, dass sie diesen Ruhezustand überleben werden. Sie sind zwar vor bestimmen Schäden geschützt, aber ihre natürlichen Heilkräfte funktionieren in diesem Zustand nicht.

„Man ist quasi aufgeschmissen, wenn man es macht, und man ist aufgeschmissen, wenn man es nicht macht“, sagt Penelope Boston, die Direktorin des Astrobiologie-Instituts der NASA, die von National Geographic gefördert wird.

Bisherige Studien hatten bereits Anzeichen mikrobiellen Lebens im hyperariden Boden der Wüste entdeckt – es war allerdings möglich, dass diese Mikroben vom Wind dort hingetragen wurden und in der unwirtlichen Landschaft sofort starben. Um herauszufinden, ob dort wirklich etwas lebt, mussten die Forscher den Boden über einen größeren Zeitraum hinweg beobachten und untersuchen, wie er auf Umweltveränderungen reagierte.

Im März 2015 zog dann ein Team unter der Führung des Astrobiologen Dirk Schulze-Makuch von der Technischen Universität Berlin in die Atacama-Wüste. Nur wenige Wochen zuvor war eine ganze Jahresmenge an Niederschlag in der Region gefallen und hatte in einigen Gegenden wahre Blütenmeere entstehen lassen.

Blütenpracht an einem der trockensten Orte der Welt

Das Team hob in Gebieten, die chemischen Analysen zufolge von Menschen unberührt waren, bis zu einem Meter tiefe Gräben aus. 2016 und 2017 kehrten sie wieder dorthin zurück, um weitere Proben zu nehmen und zu überprüfen, wie sich die vorhandenen Mikroben veränderten, während die verlassene Landschaft wieder austrocknete.

Zurück im Labor untersuchten die Biologen des Teams die Proben und fanden DNA, die zeigte, dass es in feuchteren Gebieten in Küstennähe größere und vielfältigere Mikrobenpopulationen gab als in trockeneren Gegenden im Inland. Außerdem fanden sie Hinweise auf ein Molekül namens ATP – quasi die Universalwährung einer Zelle für das Speichern und den Transport von Energie – und Bausteine für Zellmembranen.

Als der Boden nach den Regenfällen von 2015 wieder austrocknete, beobachteten Wissenschaftler, wie die ATP-Konzentrationen abnahmen – genau, wie man es erwarten würde, wenn vom Regen aufgeweckte Mikroben wieder in einen Ruhezustand übergehen.

Die Ergebnisse sind ein Zeugnis „der erstaunlichen Anpassungsfähigkeit des Lebens, um sich selbst [dort] zu erhalten, [...] wo es nur einmal im Jahrzehnt regnet“, sagt Schulze- Makuch. „Nur ein bisschen Feuchtigkeit und das Leben kann fortbestehen und dieses Gebiet – mit sehr wenig Wasser, hoher UV-Strahlung und chemischen Belastungen – zu einem Lebensraum machen, zumindest übergangsweise.“

BOHREN NACH HINWEISEN

Den Forschern zufolge könnten die Ergebnisse bei der zukünftigen Suche nach Leben auf dem Mars helfen, allerdings sollte man sich nicht zu früh freuen: Der Mars ist noch deutlich unwirtlicher als die Atacama-Wüste.

Die dünnere Atmosphäre des Roten Planeten und das fehlende Magnetfeld bedeuten, dass Sonnenstrahlen und kosmische Strahlung fast ungehindert auf die Oberfläche treffen. Die Strahlung kann Zellen schädigen und Oxidationsmittel produzieren, darunter auch jene Chemikalien, aus denen Bleiche besteht.

„Diese Sachen fressen organische Verbindungen einfach auf, daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass es auf der Marsoberfläche irgendeine Art von Leben gibt“, sagt der Co-Autor der Studie, Samuel Kounaves, ein Chemiker der Tufts Universität. Er war auch der führende Wissenschaftler für die NASA-Raumsonde Phoenix.

Bei künftigen Marsmissionen wird man tief in den Boden bohren müssen, wenn man überhaupt eine Chance haben will, Leben zu finden. Zumindest eine der bisher geplanten Missionen hat das bereits vor: Der ExoMars-Rover der ESA, der 2020 landen soll, hat einen Bohrer, der an die zwei Meter tief bohren kann.

Derweil wird die Forschung in der Atacama-Wüste und an anderen trockenen Orten der Erde weitergehen und den Wissenschaftlern weitere wertvolle Hinweise darauf geben, wie unser rostfarbener Nachbarplanet funktionieren könnte.

„Die sind wirklich von entscheidender Bedeutung“, sagt Boston über diese Forschungsstandorte auf der Erde. „Aber keine von ihnen ist der Mars.“

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