Forscher simulieren Gefühl in Armprothese

Durch die neue Methode könnten Amputierte bessere Kontrolle über ihre Prothesen erlangen.

Von Michael Greshko
Veröffentlicht am 20. März 2018, 16:54 MEZ
Neue Technik ahmt Gefühl in Armprothese nach
Wissenschaftler haben eine Technik entwickelt, die Menschen mit Amputationen ein intuitives Gefühl für ihre Armprothese gibt.

Wenn es darum geht, die eigenen Arme und Beine zu bewegen, passiert das scheinbar wie von selbst. Intuitiv wissen wir, wo unsere Gliedmaßen sind und in welcher Position sie sich befinden. Wir können sie bewusst steuern, aber die meiste Zeit über verschwenden wir an unsere alltäglichen Bewegungen kaum einen Gedanken.

Diese Fähigkeit, unsere Körperteile bewusst oder unbewusst wahrzunehmen und zu lenken, wird als Kinästhesie bezeichnet und ist etwas, das uns bei Prothesen fehlt – insbesondere bei fortschrittlichen, motorisierten Ersatzkörperteilen. Eine neue Studie in „Science Translational Medicine“ zeigt aber nun, wie dieses körperliche Selbstempfinden durch ein paar ausgeklügelte Illusionen auch auf Prothesen ausgeweitet werden kann.

„Indem wir ein intuitives Gefühl der Bewegung in den Gliedmaßen wiederherstellen – das Gefühl, die Hand zu öffnen oder zu schließen –, können wir die Grenzen zwischen dem verwischen, was das Gehirn des Patienten als ‚Selbst‘ und als ‚Maschine‘ wahrnimmt“, sagte Paul Marasco. Er ist der Leiter des Labors für bionische Integration an der Cleveland Clinic.

Aber wie schaffen es Wissenschaftler, ein solches Gefühl in künstlichen Gliedmaßen zu erzeugen? Mit einem gut getimeten Summen. Wissenschaftler konnten bereits nachweisen, dass vibrierende Sehnen in den Gliedmaßen nicht amputierter Menschen das Gefühl erzeugen, als würde sich die Gliedmaße bewegen oder drehen. 1977 fand man durch eine Studie heraus, dass diese Illusion derart stark war, dass man Menschen glauben machen konnte, ihre Handgelenke würden sich in einem unmöglichen Winkel biegen.

Um herauszufinden, ob ähnliche Vibrationen auch bei künstlichen Gliedmaßen funktionieren würden, arbeiteten Marasco und sein Team mit sechs Amputierten zusammen, denen bei einer Operation die verbliebenen Nerven in der amputierten Gliedmaße umgelenkt wurden. Bei diesem Eingriff wurden die Nerven zu den angrenzenden Muskeln geleitet, damit die Patienten ihren Roboterarm intuitiv steuern können.

Zunächst nutzten die Forscher ein Handwerkzeug, um diese Bereiche an den Nerven der fehlenden Gliedmaßen zum Vibrieren zu bringen. Gleichzeitig baten sie die Patienten, mit ihrer gesunden Hand die Gesten nachzuahmen, die sie bei ihrer Prothese „spürten“. Zur Überraschung der Forscher berichteten die Patienten von 22 verschiedenen Gesten in ihrer amputierten Hand – allesamt Illusionen, die durch die Vibrationen entstanden.

„Wir dachten, wenn das so wie bei nicht amputierten Menschen funktioniert, könnten wir vielleicht ein, zwei Gelenke ansprechen. Ein Handgelenk, irgendwas Grundlegendes“, sagte Marasco in einem Interview mit Gizmodo. „Aber was wir gefunden haben, waren komplexe Synergien verschiedener Finger, bei denen sich die ganze Hand bewegt und sie wissen, wo ihre Finger hinzeigen und was sie machen. Sie eignen sich diese wirklich spannenden Griffe an. Das hat uns einfach umgehauen.“

In späteren Experimenten mit drei der Patienten zeigte Marascos Team, dass diese motorischen Illusionen als Feedback dienen können. Sensoren über der Haut und den Muskeln der Patienten registrierten es, wenn die Neuronen in den Nerven feuerten und so eine Bewegung des Roboterarms auslösten. Außerdem bauten die Forscher ein Modul, das die Haut und Muskeln in bestimmten Mustern vibrieren lassen konnte, je nachdem, welche Bewegungen die Prothese machte.

Innerhalb von Minuten konnten die drei Patienten ihre Kontrolle über den Arm verbessern und berichteten, dass sie ihren Roboterarm nun besser handhaben konnten.

Marasco zufolge soll künftige Forschung in dieser Richtung noch mehr Empfindungen (wie den Berührungssinn) einbeziehen. Er und seine Co-Autoren verweisen zudem auf die Notwendigkeit, ihre Ergebnisse mit einer größeren Anzahl von Patienten zu überprüfen.

„Das letztendliche Ziel unserer Forschung ist es, das Gefühl der Bewegung zu nutzen, um die Beziehung zwischen Patienten und ihrer Technologie zu optimieren und ihre Prothesen als natürlichen Teil ihrer selbst besser zu integrieren“, erklärte Marasco in einer Mitteilung.

Michael Greshko auf Twitter folgen.

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