Das Leben der Menschen an der Grenze zwischen den USA und Mexiko

Wie kann man über die Drohungen und politischen Einzeiler über die US-Mexikanische-Grenze hinausblicken? Indem man sie besucht.

Von Daniel Stone
bilder von James Whitlow Delano
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:31 MEZ
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Ein neuer Abschnitt der von den USA gebauten Grenze zwischen Tijuana und Tecate in Baja California. Deportierte erzählen, dass diese Berge berüchtigt für Entführungen sind.
Foto von James Whitlow Delano

Vor dreißig Jahren – also drei Jahrzehnte, bevor irgendein Präsident des 21. Jahrhunderts die Massen mit dem Versprechen aufstachelte, eine Mauer zu bauen – fragte sich der Fotograf James Whitlow Delano, warum die Grenze zwischen den USA und Mexiko ein so belastetes Verhältnis hatte. Hier waren zwei Länder, die seit über einem Jahrhundert in Frieden nebeneinander existierten. Aber die Kluft zwischen ihnen war groß genug, um eine Reihe an Grenzzäunen und verärgerten Debatten darüber, wie man illegale Einwanderer aufhalten könne, zu rechtfertigen.

Dreißig Jahre später haben sich die Debatten und die Situation in der Gegend zugespitzt. Die Stellen mit den Zäunen wurden seitdem durch Drohnen, Scanner und Wachen verstärkt. Schmuggler, die einst ein paar Hundert Dollar verlangten, um die Grenze in einem ausgehöhlten Truckboden oder einer verrückten Jagd durch die Sonora-Wüste zu überqueren, wurden von teuren Coyoten und tödlichen Kartellen abgelöst, deren einzige Garantien hohe Preise, extreme Gefahr und das Androhen von Entführungen und Erpressung sind.

Whitlow Delanos jüngste Arbeit konzentriert sich auf die Menschen, die in dem Grenzgebiet leben, das als „la frontera“ bekannt ist, sowie auf die ständigen Spannungen, Bedrohungen und Gefahren, die Teil ihres Alltags sind.

Grenzmauer
Die von den USA erbaute Grenzmauer ist mit Kreuzen bestückt, auf denen die Namen derjenigen zu lesen sind, die beim Versuch der Grenzüberquerung gestorben sind. Tijuana, Mexiko.
Foto von James Whitlow Delano
Grenzmauer Mexico
Estel, eine Großmutter, wiegt ihr Enkelkind im Garten ihres Hauses, das an die alte Grenzmauer grenzt. Ihr Schwiegersohn Jesus wurde von den USA deportiert, weil er eines Verbrechens für schuldig befunden wurde. Jetzt träumt er davon, ein Visum für Kanada zu bekommen.
Foto von James Whitlow Delano
Tijuana
Bei Tijuana betritt ein Mann illegal die USA, indem er durch Stacheldraht klettert.
Foto von James Whitlow Delano
Katholischer Schrein
Ein katholischer Schrein für die Jungfrau von Guadalupe wurde von „Luis“ direkt an der Grenzmauer errichtet, einem Deportierten, der auf einem Hügel über den Playas de Tijuana in seiner Redoute wohnt, Baja California, Mexiko. Was er und die anderen Deportierten am meisten fürchten, sind „Coyoten“, also Schleuser, oder fremde Migranten, die sich auf dem Hügel herumtreiben, weil sie eine Möglichkeit zur Grenzüberquerung in die USA suchen oder schändlichere Absichten haben.
Foto von James Whitlow Delano
Unterschlupf
Ein von den USA Deportierter wohnt in einem provisorischen Unterschlupf auf einem trostlosen Tafelberg östlich des Pazifiks neben der Grenzmauer zwischen den USA und Mexiko. Der Mann, der seinen richtigen Namen nicht nennen wollte, erzählt, dass er gelegentlich für fünf Dollar am Tag Einkaufswägen für einen Supermarkt in der Nähe einsammelt und auf diesem Hügel wohnt, weil er sich sicher fühlt.
Foto von James Whitlow Delano
Hügel in Tijuana
Die behelfsmäßigen Strukturen auf diesem abgeschiedenen Hügel in Tijuana, Baja California, Mexiko gehören einem der Deportierten, der hier Zuflucht gesucht hat. Gelegentlich können die Deportierten Geld verdienen, indem sie Aludosen einsammeln, die sie für 220 Pesos (11 Dollar) pro Kilogramm verkaufen können, oder indem sie für 95 Pesos (5 Dollar) Einkaufswägen für einen Supermarkt in der Nähe einsammeln.
Foto von James Whitlow Delano
Colonia Libertad, Tijuana
Zwei Jungs der Familie Arias kabbeln sich im Staub neben ihrem Zuhause, das in Colonia Libertad, Tijuana, Mexiko an die alte von den USA gebaute Grenzmauer stößt. Hinter ihnen erstreckt sich eine Reihe von Lichtern, die von der US-Grenzpatrouille aufgestellt wurden, bis zum Meer. Die Lichter sollen es für Migranten schwerer zu machen, nachts über die Grenze zu kommen.
Foto von James Whitlow Delano

Whitlow Delano hat oft Menschen getroffen, die in einem niederschmetternden Schwebezustand gefangen waren – aufgrund ihrer Schulden bei Coyoten und Kartellen konnten sie nicht einmal ihre Hütten oder Häuser verlassen. Mehrere Männer, die er getroffen hat, haben Kinder in den USA, die sie nicht sehen können. Viele schämten sich für den Zustand ihres Lebens, in dem sie ökonomisch und persönlich in einer Sackgasse stecken. Ein Mann aus Zentralamerika wurde deportiert, weil er in den USA eine Straftat begangen hat. Anstatt nach Hause zurückzukehren, blieb er im Norden Mexikos und entwarf eine Strategie, um nach Kanada zu kommen.

Eine verstärkte Grenzmauer – eine „große“ und „schöne“, wie sie Präsident Trump versprochen hat – wird für die Bewohner des Grenzlandes keine Probleme lösen. Ein großes infrastrukturelles Projekt würde sie auf unbestimmte Zeit in einen Baustellenbereich befördern, und ihre Häuser würden Schauplätze zunehmender Spannungen werden, wenn die Mauer hochgezogen und mit neuen Wachen besetzt wird.

Genauso wenig ist es wahrscheinlich, dass sie illegalem Schmuggel ein Ende setzen wird. Whitlow Delano hat gesehen, wie Mauern durch Tunnel und andere, zunehmend kreativere Strategien an Grenzübergängen umgangen werden. Eine Handlung in der Rüstungsspirale der illegalen Einwanderung wird unweigerlich die nächste bedingen.

Falls die Pattsituation tatsächlich eskalieren sollte, will sich Whitlow Delano bereithalten. Die humanitäre, ökonomische und militarisierte Beziehung zwischen zwei Nationen, die sich nicht im Krieg befinden, sei einfach eine zu gute Story – und nur, wenn man selbst dort ist, kann man hinter die politische Demagogie blicken. „Mir liegt die gemeinsame Geschichte unserer beiden Länder am Herzen“, sagt er. „Ich schätze, ich bin auch einfach neugierig, wie weit das noch gehen wird.“

James Whitlow Delanos Arbeit wurde durch ein Stipendium des Pulitzer Centre für Krisenreportagen ermöglicht.

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