7 neue Erkenntnisse über den Wald

Brandschutz mit Bananen, duftende Bäume, Waldbaden für Kinder und überraschende Neuigkeiten zu Europas Urwäldern: Was Forschende über die Wälder dieser Welt erfahren haben.

National Geographic Image Collection/Michael Nichols

Bärlauchblüte im thüringischen Nationalpark Hainich. Hier und in zwei weiteren deutschen Waldgebieten haben Forschende der TU Darmstadt in einer Langzeitstudie die Entwicklung der Insektenpopulationen dokumentiert. Das Ergebnis: Zwischen 2008 und 2017 schrumpften diese dramatisch. 1.805 verschiedene Spezies sind in den hiesigen Wäldern heimisch. Bei 60 Prozent von ihnen sind die Zahlen rückläufig. Betroffen von dieser Entwicklung sind in erster Linie die größeren und eigentlich häufigen Arten, die sich von anderen Insekten oder Totholz ernähren. Positive Veränderungen gab es lediglich bei den pflanzenfressenden Insekten. Während das Insektensterben auf Agrarflächen durch den Einsatz von Pestiziden und den Wegfall von Randstrukturen erklärt werden kann, spielen diese Faktoren im Wald keine Rolle. Die Ergebnisse ihrer Studie – der bisher umfangreichsten zum Insektensterben in mitteleuropäischen Wäldern – haben die Autor*innen darum sehr überrascht. 

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Diese Wanderer im Smoky Mountains-Nationalpark im US-Bundesstaat North Carolina wissen es: Ein Spaziergang im Wald tut gut. Das sogenannte Waldbaden baut Stress ab und kann sogar bei der Behandlung chronischer Krankheiten helfen. Wie stark der Effekt bei Kindern und Jugendlichen wirkt, hat eine Studie der University of Waterloo in Ontario, Kanada, untersucht. Die Forschenden begleiteten junge Menschen im Alter von neun bis 17 Jahren in verschiedenen Umgebungen – Wohngebiete, Innenstädte, Wälder oder Parks – und befragten sie vor Ort zu ihrem Befinden. Dabei zeigte sich, dass die innere Anspannung beim Aufenthalt in der Natur um 13 Prozent niedriger war als an urbanen Orten. Angstzustände und Depressionen zählen heute zu den häufigsten Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Laut den Studienautor*innen sollte der positive Effekt, den die Natur auf die mentale Gesundheit hat, bei der Stadtplanung dringend berücksichtigt werden. 

National Geographic Image Collection / James P. Blair

Der boreale Nadelwald, auch Taiga genannt, zieht sich wie ein grüner Gürtel über die Nordhalbkugel – von Alaska und Kanada (im Bild) über Sibirien bis hin nach Skandinavien. Anders als in tropischen Gebieten, wo Waldbrände meist durch Menschen verursacht werden, haben Brandereignisse in der Taiga einen anderen Hauptgrund: Blitzschlag. Wie eine Studie der University of East Anglia in Norwich, England, zeigt, ist dieser für 77 Prozent der dortigen Feuer verantwortlich. 91 Prozent des borealen Nadelwalds wachsen auf Permafrost, in dem große Mengen CO2 gespeichert sind. Wenn es hier brennt, wird mehr davon freigesetzt als bei Bränden in anderen Regionen der Erde. Das CO2, das so in die Atmosphäre gelangt, treibt die Erderwärmung voran, durch die laut den Studienautor*innen wiederum die Wahrscheinlichkeit für Blitzschläge steigt: mit jedem Grad Celsius um elf bis 31 Prozent. Das Problem befeuert sich also im wahrsten Sinne des Wortes selbst. 

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Die Vorstellung, dass die Landschaft des urzeitlichen Europas durch dichte Urwälder geprägt war und erst mit der Urbarmachung von Land durch den Menschen offener wurde, ist weitverbreitet. Laut einer Studie von Forschenden der dänischen Universität Aarhus ist diese Annahme jedoch ein Irrtum. Sie haben mittels Pollenanalyse ermittelt, welche Pflanzen in der Eem-Warmzeit vor 126.000 bis 115.000 Jahren auf dem Kontinent wuchsen und herausgefunden, dass die Landmasse in dieser Periode der Erdgeschichte zu etwa 50 bis 75 Prozent von offener und halboffener Vegetation bedeckt war. Zwar gab es auch hochwachsende Bäume, doch bei der Mehrheit der Pflanzen handelte es sich um Sträucher wie den Hasel. Die Autor*innen erklären das damit, dass große Säugetiere wie Bisons, Elefanten und Nashörner, die damals den Kontinent bewohnten, Pflanzen in großen Mengen fraßen und so den Baumbewuchs in Schach hielten. 

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Im Hitzesommer 2022 verbraunten 37 Prozent der gemäßigten und mediterranen Waldregionen Europas. Dass Hitze und Trockenheit Bäumen die Vitalität nehmen, ist einleuchtend. Doch wie eine Studie der ETH Zürich zeigt, ist dieser Effekt nicht so unmittelbar, wie man annehmen würde. Bei der Analyse von Satelliten- und Wetterdaten aus den Jahren 2002 bis 2021 stellten die Forschenden fest, dass die Verbraunung erst eintritt, wenn mindestens über zwei Vorgängerjahre zu hohe Temperaturen geherrscht haben und nicht genug Regen gefallen ist. Diesen Legacy-Effekt belege zum Beispiel, dass im Jahr 2003 trotz extremer Hitze in europäischen Wäldern keine Verbraunung aufgetreten sei. Seit 2018 haben die Wälder jedoch jährlich mit Dürren zu kämpfen, sodass die Verbraunung inzwischen ein weitverbreitetes Phänomen ist. 

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Küstenmammutbäume im Nebel im kalifornischen Redwood-Nationalpark. Alle Pflanzen geben Duftstoffe ab, mit denen sie Fressfeinde abwehren, auf Umweltbedingungen reagieren und miteinander kommunizieren. Eine Studie der Universität Leipzig, des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung hat untersucht, welchen Einfluss die Vielfalt der Waldpflanzen auf diese Emissionen hat – mit überraschenden Ergebnissen. Denn entgegen früherer Annahmen ist die Konzentration von Duftstoffen in artenreichen Wäldern niedriger als in solchen mit Monokulturen. Als Grund vermuten die Forschenden, dass Pflanzen in artenreichen Gebieten weniger unter Hitze, Trockenheit, Fressfeinden und somit unter weniger Stress leiden, als es in Lebensräumen mit geringer Biodiversität der Fall ist. Eine wichtige Erkenntnis, denn aus den Duftstoffen entstehen Aerosole, die sich auf Luftqualität, Wolkenbildung und somit auch das Klima auswirken. Ist ihre Konzentration niedrig, fallen diese Veränderungen in der Atmosphäre geringer aus, was Risiken des Klimawandels wie starke Niederschläge reduziert.

National Geographic Image Collection/James P. Blair

Die Häufigkeit von Waldbränden nimmt zu, gleichzeitig leben immer mehr Menschen in Gebieten, die durch solche Ereignisse stark gefährdet sind. Forschende der University of California in Los Angeles haben nach Wegen gesucht, die Schäden gering zu halten und in einer Studie einen neuen Brandschutzansatz vorgestellt: Bananenbäume, die als Puffer zwischen Wald und Siedlungsgebieten angepflanzt werden. Ihren Modellen zufolge kann eine 633 Meter breite, mit Bananenstauden bepflanzte Pufferzone dank des extrem hohen Wassergehalts der Pflanzen die Intensität einer anrollenden Feuerwalze um 96 Prozent reduzieren. Verbrannte Bananenbäume treiben von selbst wieder aus, müssen also nicht neu angepflanzt werden. Und wenn es nicht brennt, kann mit ihren Früchten ein Ertrag von über 75.000 US-Dollar pro Hektar erwirtschaftet werden. Der Ansatz ist natürlich nur für Regionen geeignet, in denen Bananen gedeihen können. Das sind den Studienautoren zufolge Gebiete mit mediterranem Klima – also etwa Teile Kaliforniens, Mexiko, Australien oder Südafrika, aber natürlich auch der Mittelmeerraum. So könnte das Pflanzen von Bananenbäumen für Länder wie Spanien und Portugal, in denen Waldbrände an Intensität und Häufigkeit zunehmen, die rettende Lösung sein.

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