Abseits der Touristenpfade: 5 Reisetipps für Venedig

Von Julia Buckley
Veröffentlicht am 10. Feb. 2023, 15:08 MEZ
Venedig Kanal

Die Lagunenstadt ächzt unter den Touristenmassen, alte Lebensweisen drohen zu verschwinden. Doch auf den Inseln haben die Einheimischen ihre handwerklichen und kulinarischen Traditionen bewahrt.

Foto von Shutterstock.com

Von der Kirchturmspitze der Insel San Giorgio Maggiore sieht Venedig anders aus. Unsichtbar sind die Brücken, die sich über hübsche Kanäle spannen. Unsichtbar sind auch die ausgefallenen Villen am Wasser, deren pastellfarbene, von Hand gestaltete Fassaden einst Zeichen von Reichtum und Status waren. Unsichtbar ist der elegante, verschnörkelte Canal Grande. Unsichtbar zudem der Markusplatz, dessen byzantinische Basilika vom bonbonfarbenen Dogenpalast verdeckt wird. Und ebenfalls verschwunden sind die 30 Millionen Touristen, die die 50000 Einwohner zählende Stadt jedes Jahr überschwemmen. 

Von hier oben betrachtet, spielt der Mensch keine Rolle. Venedig ist vor allem eine schimmernde, sich ständig verändernde Lagune: silbern glitzernd in der Sonne am Lido, tiefblau am Giudecca-Kanal, während ein vaporetto (Wasserbus) leise dahintuckert, rosa in der Nähe der Inselgruppe Murano, wenn die Sonne untergeht. Schon immer dreht sich das Leben der Venezianer um das Wasser – seit dem fünften Jahrhundert, als die Bewohner von Altino auf der Flucht vor feindlichen Invasoren in ihre Boote stiegen und sich auf dem vorgelagerten Watt niederließen. Auch wenn das Wasser heute wie für Touristen gemacht scheint – Gondeln, die die Kanäle auf und ab schippern, der fotogene Fischmarkt in Rialto –, ist die Lagune noch immer der Puls der Stadt. 

Im Osten liegen Inseln – einige sind verlassen, andere beherbergen heute Luxushotels, eine diente in der Renaissance als Quarantäneeinrichtung. (Die Idee, ansteckende Personen zu isolieren, wurde hier erstmals zur Bekämpfung von Seuchen im 15. Jahrhundert umgesetzt.) Im Norden liegen einige der beliebtesten Ausflugsziele der Stadt: die Inseln Murano, Burano und Torcello, alle heimgesucht von Venedigs Plage des 21. Jahrhundert – dem overtourism. Und doch führt mein Ausflug in diesen Teil der Lagune, wo die Einheimischen inmitten der Souvenirläden die Tradition zu bewahren versuchen, zurück zu den Wurzeln der Stadt. 

Murano: Kultur abseits der Massen

Auf dem Rückweg ins Zentrum von Venedig halte ich in Murano – nicht wegen der berühmten Glasmacher, sondern wegen der Kirche San Pietro Martire. In der Stadt, im Dogenpalast, stehen die Leute stundenlang Schlange, um Werke von Tintoretto, Venedigs herausragendem Maler des 16. Jahrhunderts, zu sehen. Hier hängt einer ohne Rahmen an der Wand. Es gibt kein Schild, aber der leicht teigige Jesus beugt sich mir entgegen, um sich taufen zu lassen. Daneben hängt die Madonna mit Kind und Heiligen von Bellini, einem weiteren venezianischen Superstar. 

Marias modellhaftes Gesicht und der lagunenblaue Mantel, der sie umhüllt, stehen auf einer Stufe mit Bellinis Werken in der angesehenen Florentiner Accademia. Aber hier gibt es nur mich und die mundgeblasenen Kronleuchter, die von den Bögen herabhängen. Ich verlasse Murano und fahre nach Giudecca, der hörnchenförmigen Insel südlich von Venedig, zu den Artisti Artigiani del Chiostro, einem Kloster aus dem 15. Jahrhundert, umgewandelt in Ateliers für Kunsthandwerker. Eines davon gehört dem in Murano geborenen Meister Stefano Morasso und seiner Frau Nicoletta Viola. 

Er bläst Glas zu Bechern, Schnapsgläsern und Schalen in den Farben von Sonnenuntergängen, Regenbögen und den Grünund Blautönen der Lagune. „Ich wurde mit Glas in den Adern geboren“, sagt Stefano gerne. Nicoletta verarbeitet seine Abfälle und kleinere Stücke zu Schmuck. „Die Glasverarbeitung auf Murano ist tausend Jahre alt – sie ist unsere Geschichte“, erklärt Nicoletta. „Wir müssen diese Traditionen aufrechterhalten, denn sie prägen die Geschichte der Menschheit.“

Venedig lockt seine Besucher mit vielen historischen Gebäuden. Wer in einem solchen übernachten möchte, hat im Ca’ Di Dio die Möglichkeit. Das heutige Luxushotel wurde 1227 erbaut und diente in seiner langen Geschichte schon als Frauenhaus. Beleuchtungen, Möbel und Marmor stammen aus venezianischen Manufakturen. Im Bild. Blick vom Restaurant des Hotels.

Foto von Ca’ Di Dio

Zurück in San Polo, in der Nähe der viel fotografierten Rialto-Brücke, besuche ich Paolo Pelosin, einen Papiermarmorierer. Er ist sich nicht sicher, woher die Tradition zur Schaffung fließender Muster stammt – vielleicht von der mittelalterlichen japanischen Technik des Suminagashi (der „schwimmenden Tinte“) oder der türkischen und persischen Kunst des Ebru. Im 15. Jahrhundert fand die Marmorierung ihren Weg ins multikulturelle Venedig. In seiner Werkstatt, Il Pavone, hält Paolo die Tradition aufrecht: Er schnippt Farbkleckse in eine Schale mit Leim und wirbelt sie dann mit Metallkämmen zu fächeroder wolkenförmigen Mustern, bevor er das Papier ablegt. Auf Gestellen trocknen Bögen über Bögen: gelb, rot, sogar schwarz, aber vor allem in Jade, Kobalt, Lapislazuli und Eau de Nil – den Farben des Wassers. „Bei der handwerklichen Arbeit geht es um Spontaneität“, sagt Paolo. „Und ich experimentiere mit Farben, die mir gerade in den Sinn kommen.“ Als ich auf die Straße trete, werde ich in den Strom der Touristen hineingezogen, die nach Rialto strömen. Aber das echte Venedig ist immer unter der Oberfläche – und von der Brücke aus sehe ich nicht die Masse der Gondeln, sondern die Farben der Lagune. 

Venedig Tipps

Anreise: Der Nachtzug von München nach Venedig braucht ca. neun Stunden: www.nightjet.com

Die Lufthansa und Eurowings fliegen z. B. von Frankfurt, Düsseldorf, Berlin und München direkt nach Venedig. Vom Flughafen aus ist das AlilagunaBoot (ca. 15 Euro) die schönste Art, in die Stadt zu gelangen: www.alilaguna.it

Übernachten: 700 Jahre alt ist das Gebäude, in dem das Boutiquehotel Ca’ Di Dio residiert. Das Restaurant Vero empfängt auch externe Gäste. DZ ab ca. 340 Euro: www.vretreats.com/en/ca-di-dio

Die Casa Burano besteht aus fünf Häuschen im Herzen der Insel Burano. DZ ab ca. 188 Euro, www.casaburano.it

Weitere Infos: Venissa: www.venissa.it

Trattoria al Gatto Nero: www.gattonero.com

Murano Glass Fine Art by Stefano Morasso: www.stefanomorasso.it

Venedig Tourismus: www.veneziaunica.it

BELIEBT

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    Der komplette Artikel mit vielen weiteren Tipps rund um Venedig erschien in voller Länge im National Geographic Traveler 2/23. Verpassen Sie keine Ausgabe mehr: Sichern Sie sich die nächsten 2 Ausgaben zum Sonderpreis!

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