Schlau wie Stroh
Getreidehalme statt Styropor – Eine junge Firma aus Bayern will die Verpackungsbranche umkrempeln.
Am Eingang der Firma Landpack in Alling bei München verkündet ein Schild: „Hier wird Styropor ersetzt.“ Das klingt ungefähr so aufregend wie „Jute statt Plastik“. Und das hat ja damals schon nicht funktioniert. „Ach, das Schild“, sagt Patricia Eschenlohr, „das nehmen viele Besucher gar nicht wahr.“ Und das ist symbolhaft – das Schild beschreibt genau, was die junge Firma macht, doch viele Menschen nehmen das noch nicht sonderlich ernst. Dabei ist es vielleicht die Lösung eines gigantischen Problems. Oder zumindest ein Teil davon.
Das Material Polystyrol – Styroporist ein Markenname – ist einer jener ungemein praktischen Kunststoffe, die sich rasant verbreitet haben. Und sie sind ein Riesenproblem, wie die Weltgerade zu begreifen beginnt, denn sie sind biologisch praktisch nicht abbaubar und reichern sich überall an. Jeder kennt das: Beim Auspacken bricht ein Stück Styropor ab, und schon sind die Kügelchen in der Umwelt. Kein Wunder, dass viele Menschen inzwischen mit Styroporverpackungen unglücklich sind. „Die Akzeptanz sinkt rapide“, sagt Patricia Eschenlohr.
Die 36-jährige Gründerin und ihr Mann Thomas Maier-Eschenlohr, 39, sind eines dieser typischen Power-Paare der heutigen Zeit. Seit mehr als 15 Jahren sind sie zusammen, sie kennen sich seit dem Studium, sie BWL, er Maschinenbau. Und in ihrer Firma, die gerade noch so eben als Start-up durchgehen mag, können sie ihre Eigenschaften perfekt bündeln.
Patricia Eschenlohr schwenkt etwas in der Hand, das aussieht wie ein plattgedrücktes Sofakissen: eine Strohmatte, 40 mal 50 Zentimeter groß, vier Zentimeter dick. Das ist also das Produkt. Reines Stroh, ohne Zusatzstoffe, ohne Klebstoffe, ohne Bindemittel. Es ist lediglich von einem feinen Vlies umhüllt, damit sich keine Halme lösen; aber auch das Vlies besteht aus natürlicher Stärke. Mit diesen Strohmatten wird ein Pappkarton lückenlos ausgekleidet, und schon hat man eine Verpackung, die genauso gut isoliert wie Styropor, aber zur Herstellung nur zwei Prozent des Energieaufwands benötigt. Die keinen Abfall produziert und komplett kompostierbar ist. Und die sogar nebenbei anfällt, bei der Getreideernte.
Allerdings ist es gar nicht so einfach, aus Stroh eine Verpackung zu machen. Die Getreidehalme nur zu pressen, bringt nichts, denn Stroh ist sehr elastisch und federt zurück; es sei denn, man presst extrem stark, aber dann wird es hart wie Holz. Man muss das Stroh „formen“, wie die Gründer sagen, Druck und Feuchtigkeit spielen eine Rolle, mehr wird nicht verraten. Das Betriebsgeheimnis besteht in der Kombination aus dem Prozess und den Maschinen. Zwar ist beides patentiert, aber Experten könnten sich zu viel abschauen.
„Das große Risiko war die Frage, ob es wirklich möglich sein würde, den Prozess zu automatisieren“, erzählt Maier-Eschenlohr. Drei Jahre lang tüftelte ein Team aus Ingenieuren und Technikern; drei Jahre war die Firma damit beschäftigt, die Geräte zu bauen, die die Strohmatten produzieren. „Die Anlage ist komplett selbst entwickelt“, sagt er, „bis zur letzten Schraube.“ „Es ist schon sinnstiftend, wenn man weiß, mit jeder Verpackung ersetze ich eine Styroporverpackung“, sagt seine Frau. Anfang des Jahres ist ein neues Gesetz in Kraft getreten, das jeden „Inverkehrbringer“ einer Verpackung verpflichtet nachzuweisen, dass seine Verpackung einem Recyclingsystem angehört. Die Branche verändert sich gerade gewaltig. Für Landpack in die richtige Richtung.
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