Plastikmüll für den 3-D-Drucker? So revolutionieren deutsche Teenager die Kreislaufwirtschaft

Schon als Teenager haben die Gründer von QiTech ihren 3-D-Drucker mit Plastikresten gefüttert. Heute verkaufen die Jungunternehmer Maschinen, die Kunststoff recyceln.

Von Julia Graven
Veröffentlicht am 21. Juli 2023, 14:23 MESZ
3-D-Drucker

Schon als Teenager haben die Gründer von QiTech ihren 3-D-Drucker mit Plastikresten gefüttert. Heute verkaufen die Jungunternehmer Maschinen, die Kunststoff recyceln.

Foto von Sergi Lopez Roig

Eigentlich wollten Milan von dem Bussche und seine Schulfreunde individuelle Handyhüllen herstellen. Sie waren 15, Handys waren ihr Lieblingsspielzeug, und der 3-D-Drucker stand im Kinderzimmer. Bald reichte ihr Taschengeld nicht mehr für das teure Filament. Die Rollen mit Kunststoffdraht sind quasi die „Tinte“ für den 3-D-Drucker. So kamen sie auf die Idee, zu recyceln: Milan schredderte Altplastik im Küchenmixer seiner Mutter und bastelte einen Extruder, der aus geschmolzenem Plastikgranulat Filament herstellte. Den Motor für seine Maschine baute er aus dem verstellbaren Lattenrost seiner Mutter aus, ein armlanger Holzbohrer diente als Extruder-Schnecke. Stolz öffnet der 19-Jährige den Karton, in dem er das Erinnerungsstück aufbewahrt: „Das hier war mal ein Papierkorb aus Metall“, erzählt er. „Aus dem habe ich damals mit dem Schulhausmeister eine Hitzeabdeckung geschweißt.“

​Kreislaufwirtschaft: Anfragen von Autoherstellern

Wenig später gründeten die Schüler aus Oppenheim in Rheinland-Pfalz ihre Firma QiTech. Ihr erster Kunde war ein Zahntechniker, der Gebissmodelle für Zahnspangen im 3-D-Druck herstellt. Rund zwölf Modelle, die der Kieferorthopäde im Laufe einer Behandlung braucht, landeten bislang im Müll. Jetzt schreddert sie der Zahntechniker und stellt mithilfe der Geräte der Jungunternehmer Filament für neue Modelle her. Das Start-up will dafür sorgen, dass Plastikabfall aus fossilen Rohstoffen nicht länger als Müll gilt. Umweltschützer und Forscher fordern seit Langem den Einstieg in eine echte Kreislaufwirtschaft. Aus Plastik sollen immer wieder neue, hochwertige Produkte werden. Bisher landet Recyclingplastik häufig nur in Parkbänken oder Blumentöpfen, die am Ende ihres Lebens doch in der Müllverbrennung enden.

Seit Herbst 2022 studieren die Gründer in Darmstadt. Die Produktion ist mit umgezogen und sitzt jetzt in einem Darmstädter Industriepark. Morgens von sechs bis acht Uhr lernt Maschinenbaustudent Milan für die Uni, danach gehört seine Zeit der Firma. Gerade arbeitet er mit Hochdruck an einem Extruder, den BMW für die Forschung und Entwicklung bestellt hat. Dort seien mehr als zwei Dutzend 3-D-Drucker im Dauereinsatz. QiTech bringt den Großkonzern auf seinem Kreislaufwirtschaftskurs ein kleines Stück voran. Ähnliche Maschinen stehen in Forschungseinrichtungen, die sich mit dem Recycling von Kunststoffen befassen, in offenen Hightech-Werkstätten von Hochschulen oder im Kölner Ford-Werk.

​Sieger bei „Jugend gründet“

Manchmal ist Milan selbst erstaunt, wie rasant alles läuft, vom Sieg bei „Jugend gründet“ 2019 bis zum Titel „Newcomer des Jahres“ bei den German Startup Awards. Interviews gibt er souverän per Videochat, während er durch die Firmenräume läuft. Nebenbei lernt er für die Matheprüfung und schreibt Angebote für Neukunden. In Zukunft will das Start-up neben den Maschinen auch den Altplastikrohstoff verkaufen. Dafür muss das Recycling zum einen günstiger werden. Zum anderen müssen Großkunden sehen, dass die Technik auch im Industriemaßstab funktioniert. Gerade tüfteln die jungen Unternehmer an einer Maschine, die Deckel automatisch nach Farben sortiert.


Mit einer Kamera und KI-Software soll die Maschine die bunten Verschlüsse am Fließband in Windeseile farblich unterscheiden und trennen. Software-Experte Simon Kolb sammelt dafür auf seinem Laptop tausende Bilder von Flaschendeckeln, mit denen er der künstlichen Intelligenz beibringt, wie sie richtig sortiert. Wenn die Maschine fertig ist, wartet in einer Ecke der Produktionshalle schon ein großer Haufen weißer Säcke, prall gefüllt mit gebrauchten Flaschendeckeln. Irgendwann, hoffen die Gründer, werden große Kosmetikfirmen die Deckel ihrer Shampooflaschen mit Altplastik aus Darmstadt herstellen.

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Foto von National Geographic

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