Diese alten Bäume erzählen Geschichten

Von Author Becky Harlan
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:22 MEZ
Herz des Drachens
Drachenbaum (Dracaena cinnabari) auf Sokotra, Jemen. Diese bizarren Bäume werden bis zu 500 Jahre alt und wachsen nur auf der Insel Sokotra. Da sie in harschem Klima wachsen, haben sich ihre Äste mit der Zeit nach oben gereckt, um Wasser aus dem feuchten Hochlandnebel zu gewinnen - so entsteht die charakteristische Optik ihrer Baumkronen, die aussehen wie ein Regenschirm, der durch den Wind umgeklappt wurde. Den Insulanern wird zweimal im Jahr gestattet, die Stämme dieser Bäume anzuschneiden, um den tiefroten Pflanzensaft aufzufangen, der seit der Antike unter anderem als wertvolles Heilmittel teuer gehandelt wird. Die verbleibenden Bäume, die einst Teil eines großen Waldes waren, gelten mittlerweile als gefährdet.
Foto von Beth Moon

Artikel in englischer Sprache veröffentlicht am 24. März 2016

Auf der Erde gibt es mehr als drei Billionen Bäume, aber nur von sehr wenigen kennen wir die Geschichte. Natürlich ist jeder Baum wichtig. Sie reinigen die Luft, bieten Fell- und Federtieren ein Zuhause und auf ihren lernen Kinder (und Junggebliebene) das Klettern. Aber manche Bäume gibt es schon deutlich länger als andere. Köcherbäume beispielsweise können bis zu 300, Eichen bis zu 1.000 und Borstenkiefern und Eiben sogar mehrere Tausend Jahre alt werden.

Der Riesen-Lebensbaum (Thuja plicata) im Gelli Aur-Park in Llandeilo, Carmarthenshire, Wales. Im Arboretum von Gelli Aur (Golden Grove) findet man eine beeindruckende Sammlung alter Bäume. Doch keiner von ihnen ist so überwältigend wie der Riesen-Lebensbaum mit seinen vielen Stämmen, der vermutlich 1863 gepflanzt wurde.
Foto von Beth Moon

Im Jahr 1999 machte es sich die Fotografin Beth Moon zur Aufgabe, einige dieser alten Bäume zu dokumentieren. Dabei suchte sie speziell nach alten Motiven, die „aufgrund ihrer Größe oder ihres Erbgangs einzigartig sind“. Es war eine echte Herausforderung. „Es wurden so viele unserer alten Bäume gefällt“, berichtet sie, „dass man alleine kaum einen findet“.

BELIEBT

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    Wüstenrose (Adenium obesum), in Sokotra, Jemen. Die Flaschenbäume von Sokotra gehören zu den beeindruckendsten Anblicken in dieser außerirdisch anmutenden Landschaft. Knollig und ledrig ähneln sie kleinen Affenbrotbäumen mit aufgeblähten Stämmen und riesigen Wurzeln, die offensichtlich kaum Erde benötigen: Sie wachsen auf kahlen Felsen. Den poetischen Namen Wüstenrose verdanken sie ihren Blüten.
    Foto von Beth Moon

    Während sie einige Motive durch Recherche fand, folgte sie in anderen Fällen Tipps von Freunden und begeisterten Reisenden. Dabei führte ihr Weg sie von Großbritannien über die USA, Afrika und den Nahen Osten bis nach Asien. Sie fand nach Königinnen benannte Eichen und teekannenförmige Affenbrotbäume.

    Majesty, Stieleiche (Quercus robur) in Nonington, Kent, England. Eine der größten jungfräulichen, also nicht beschnittenen Eichen Europas wächst auf einem privaten Grundstück im englischen Kent. Der Stamm des vermutlich mehr als 400 Jahre alten Baums weist einen Umfang von mehr als zwölf Metern auf. Ein großer abgebrochener Ast auf der Nordseite des Baums hat eine Öffnung hinterlassen, die dien Blick in sein hohles Inneres freigibt.
    Foto von Beth Moon

    „Manchmal ist der Weg schon das halbe Ziel“, sagt Moon in Bezug auf einen Baum in Madagaskar, der besonders schwer zu finden war. „Er war so groß, dass man meinen könnte, er wäre leicht zu entdecken. Aber dem war nicht so. Letztendlich fuhr das Dorfoberhaupt mit uns bis zum Baum. Die Dorfbewohner waren so fasziniert, dass sie hinter dem Jeep herliefen und mich im Feld sitzend beim Fotografieren beobachteten.“

    Die Straße der Affenbrotbäume (Adansonia grandidieri) in Morondava, Madagaskar. Diese Baobabs oder Affenbrotbäume gibt es nur auf der Insel Madagaskar. Sie können gut 30 Meter hoch werden und werden als Renala bezeichnet – das madagassische Wort für „Mutter des Waldes“. Diese Baumgruppe ist etwa 800 Jahre alt. Leider sind die kaum mehr als 20 Bäume die einzigen Überlebenden eines ehemals dichten Tropenwaldes. 2007 wurde der Straße ein vorübergehender Schutzstatus zuerkannt.
    Foto von Beth Moon

    An den Bäumen begeistert sie unter anderem der Grund für ihre lange Lebenserwartung. „Mich fasziniert immer wieder, wie Bäume sich an schwierige Bedingungen anpassen und sie überstehen. Manche Bäume werden im Alter hohl, um zu überleben. Der Baum sendet in der Mitte des Stamms eine Luftwurzel hinab, die von innen nach außen weiterwächst.“ In ihrem Buch „Ancient Trees: Portraits of Time“ erklärt sie, dass „diese uralten Individuen überragende Gene besitzen, die ihnen halfen, Krankheiten und andere Herausforderungen zu überleben.“

    Die Eibe (Taxus baccata) von Crowhurst in Surrey, England. Zwischen den Grabsteinen auf einem Friedhof im englischen Crowhurst steht eine uralte Eibe mit einem Umfang von fast zehn Metern. Ihr Alter wird auf mehr als 1.500 Jahre geschätzt. Als die Dorfbewohner ihren Stamm im Jahr 1820 aushöhlten, fanden sie darin eine Kanonenkugel – ein Überbleibsel aus dem Englischen Bürgerkrieg Mitte des 17. Jahrhunderts. Das eigentliche Ziel der Kugel war möglicherweise der Hof gegenüber der Kirche mit seinen königstreuen Besitzern gewesen.
    Foto von Beth Moon

    Diese Belastungsfähigkeit zeigen ihre Fotografien, die sie mit einer Mittelformat-Kamera von Pentax aufnimmt. Die Abzüge erstellt sie auf schwerem Aquarellpapier aus Baumwolle, das mit einer Metalltinktur aus Platin und Palladium beschichtet ist. Bei diesem Verfahren wird das Bild in die Papierfasern eingebunden, sodass es die Zeit überdauert, ohne zu verblassen.

    Kapokbaum (Ceiba pentandra) in Palm Beach, Florida, USA. „Kapokbäume dieser Größe wachsen normalerweise im Regenwald, aber diesen entdeckte ich auf einem Privatgrundstück in Florida. Die erste Aufnahme von ihm sah ich in einem Buch aus den 1940er Jahren, unter Angabe des Aufnahmeorts Palm Beach. Ein Vergleich des echten Baums mit diesem alten Foto zeigte, dass der Stamm innerhalb von 60 Jahren wesentlich breiter geworden ist. Die Wurzeln reichen auf eine Höhe von fast vier Metern.” (Durch die Bank links im Bild bekommt man eine bessere Größenvorstellung.)
    Foto von Beth Moon

    In der Realität stehen vielen der gezeigten Bäume jedoch harte Zeiten bevor. „Köcherbäume sterben in Namibia, weil es zu wenig Wasser gibt. Drachenblutbäume stehen auf der Liste der gefährdeten Arten, und drei verschiedene Affenbrotbäume sind zurzeit auf der Roten Liste gefährdeter Arten der Weltnaturschutzunion aufgeführt. „Das Verschwinden von Primärwäldern ist wohl eines der gravierendsten Umweltprobleme unserer Zeit.“

    Die Teekanne von Ifaty (Adansonia za) in Toliara, Madagaskar. Dieser Baobab, der in einem kleinen Reservat in Ifaty an der Westküste Madagaskars steht, hat seinen Namen seinem Aussehen zu verdanken: Er ähnelt unverkennbar einer Teekanne. Der Stamm der schätzungsweise 1.200 Jahre alten Teekanne von Ifaty hat einen Umfang von fast 14 Metern und kann mehr als 100.000 Liter Wasser speichern.
    Foto von Beth Moon

    Moon erinnert sich noch gut an ihre Kindheit, in der sie viele Nachmittage in einer bequemen Öffnung in ihrer Lieblingseiche verbrachte. „Ich hatte schon immer eine besondere Beziehung zu Bäumen“, erzählt sie. Daran hat sich nicht viel geändert. „Bei der Arbeit an diesem Projekt hatte ich oft die Gelegenheit, unter den Bäumen, die ich fotografiert habe, zu übernachten. Es waren unvergessliche Erfahrungen, im Weihrauchwald auf der Insel Sokotra oder in den Salzpfannen der Kalahari-Wüste in Botswana unter riesigen Affenbrotbäumen zu schlafen. Ich habe mich noch nie lebendiger gefühlt.“

    Köcherbaum (Aloe dichotoma), Keetmanshoop, Namibia. Der spektakuläre Köcherbaumwald im Süden Namibias ist Heimat einiger der außergewöhnlichsten Bäume der Erde, von denen einige drei Jahrhunderte alt sind. Streng genommen handelt es sich dabei um Aloe-Sukkulenten, die bis zu zehn Meter hoch werden können. Die Buschmänner und Hottentotten nutzten die hohlen Äste dieser Pflanze, um Köcher für ihre Pfeile herzustellen. Der Wald wurde 1995 zum Nationaldenkmal erklärt.
    Foto von Beth Moon

    Sie hofft, durch das Teilen dieser Wunder eine Diskussion über den Erhalt dieser Schätze zu entfachen. Sie betrachtet es als ihre Aufgabe als Künstlerin, ihre Leidenschaft in Form von Kunst auszudrücken und so Dialoge und Taten anzuregen und Begeisterung zu wecken.

    Rilkes Bayon (Tetrameles nudiflora) in Ta Prohm, Provinz Siem Reap, Kambodscha. Heute steht der im späten 12. Jahrhundert errichtete buddhistische Tempel Ta Prohm in einem halbverfallenen Zustand zwischen Wäldern und Ackerland. Das Gebäude wird von riesigen Tetramelaceae gesäumt, deren schlangenähnliche Wurzeln die alten Steine auf der verzweifelten Suche nach Erde auseinanderhebeln. So zeigt der Tempel eindrucksvoll, was ein ungebändigter Tropenwald selbst mit den mächtigsten Monumenten anstellen kann, wenn sie ihm überlassen werden.
    Foto von Beth Moon
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