„Wer am Ende den Auslöser drückt, ist egal“

Interview mit dem Fotografen-Paar Heidi und Hans-Jürgen Koch

Von Lisa Srikiow
bilder von Heidi und Hans-Jürgen Koch
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:33 MEZ
Hummelzuchtfirma
Die Fotografen Heidi & Hans-Jürgen Koch bei ihren Recherchen: Auf der Zugangstür zu den den Hummel-Produktionsräumen ist der Hinweis "Fotografieren verboten" nicht zu übersehen. Für die Kochs wurde eine Ausnahme gemacht.
Foto von Heidi & Hans-Jürgen Koch

Heidi und Hans-Jürgen Koch fotografierten bereits Bisons im Yellowstone-Nationalpark und die Tierwelt der Everglades. Für ihre jüngste Reportage über Hummeln – erschienen im National Geographic Magazin 6/2017 – waren sie vor allem in Deutschland und Belgien unterwegs. Im Interview erzählen sie, warum sie sich nicht als Tierfotografen bezeichnen, warum Hummeln so sympathisch sind und wie sie selbst als Ehepaar zusammenarbeiten. 

Sie haben im vergangenen Jahr viel Zeit mit Hummeln verbracht. Wie würden Sie die Insekten beschreiben?
Hummeln sind wahre Sympathieträger. Im Vergleich zu der schlanken, ehrgeizigen Biene wirken sie auf uns wie kleine, pelzige Pummelchen. Sie sind außerdem ziemlich chaotisch, in ihren Nestern geht es drunter und drüber. Da gibt es keine symmetrisch angeordneten Waben wie bei den Bienenvölkern. Gleichzeitig sind Hummeln ungeheuer wichtig für unsere Nahrungsmittelproduktion. Viele Gartenbaubetriebe sind auf die Tiere angewiesen.

Inwiefern?
Ohne ihre Bestäubung wäre die Züchtung vieler Obst- und Gemüsearten nicht möglich, beispielsweise bei der Tomatenzucht. Wie bedeutend Hummeln für die Lebensmittelindustrie sind, haben wir erst bei unseren Recherchen realisiert. In Belgien gibt es ein Unternehmen, das in großem Stil Hummeln züchtet und in die ganze Welt verkauft. Da summt und brummt es überall, die Regale sind voller Nester – es ist ein richtiger Großbetrieb.

Wie wollten Sie die Geschichte optisch umsetzen?
Für uns war schnell klar, dass die Hummel-Geschichte einen wissenschaftlichen Fokus haben muss. Wir waren deshalb bei den Züchtern in Belgien, bei Landwirten, die mit ihnen arbeiten und an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Dort haben wir Forscher besucht, die das Verhalten der Tiere studieren. Optisch haben wir die Geschichte vor allem mit Makrobildern umgesetzt. Auf den Bildern zeigen wir extreme Ausschnitte einzelner Körperteile, wie Pelz, Auge oder Stachel. Durch die große Tiefenschärfe bekommt der Leser so ganz wunderbare Einblicke in die fremde Welt der Insekten.

Wie gelingen solche Bilder?
Die Fotos haben wir in unserem Studio gemacht, allerdings reicht eine normale Makroausrüstung dafür nicht aus. Um diese Schärfe hinzubekommen, haben wir uns für Focus-Stacking entschieden. Bei diesem Verfahren fährt die Kamera auf einem computergesteuerten Schlitten über die Hummel hinweg und macht dabei eine Vielzahl von Bildern des Motivs – alles im scharfen Bereich. Zum Schluss setzen wir die Bilder am Rechner zusammen. Das funktioniert nur mit einem toten Tier, da das Motiv sich nicht bewegen darf. Allerdings musste dafür natürlich keine Hummel ihr Leben lassen. Bei unseren Recherchen in dem Zuchtbetrieb haben wir die toten Exemplare eingesammelt.

Wie wählen Sie Ihre Geschichten aus?
Wir sehen uns nicht als Tier- oder Naturfotografen. Es geht uns vielmehr darum, Geschichten zu erzählen, die etwas über das Verhältnis zwischen Tier und Mensch aussagen. Bei den Hummeln haben wir uns nicht wochenlang auf eine Wiese gelegt und die Hummeln beobachtet, sondern haben uns eben für den wissenschaftlichen Fokus entschieden. Zwar spielen Tiere meist eine Rolle bei unseren Arbeiten, aber anders als bei der klassischen Tierfotografie wollen wir soziale, kulturelle oder historische Ansätze beleuchten. Wir würden uns auch nie anmaßen zu behaupten, wir verstünden Tiere, weil wir sie oft fotografieren. Tiere sind einfach eine andere Spezies. Aber für uns Menschen sind sie oft Projektionsflächen. Wir sehen die Dinge in ihnen, die wir sehen möchten – ob gut oder schlecht.

Sie arbeiten als Ehepaar zusammen. Wie funktioniert das?
Es funktioniert sehr gut. Was uns vielleicht von anderen Fotografen-Paaren unterscheidet, ist, dass wir uns am Anfang unserer Karriere gemeinsam entschieden haben, diesen Weg zu gehen. Wir ergänzen uns daher perfekt und müssen nicht darüber diskutieren, wie wir die Bildsprache einer Geschichte gestalten oder welchen Ansatz wir wählen. Da sind wir uns meist einig. Allerdings ist Hans-Jürgen eher derjenige, der den Adrenalinkick mag. Er geht gerne auf Tuchfühlung mit einem Elch oder legt sich auch mal zu Wildhunden. Für mich ist das nichts. Aber wir beide geben alles, damit das Bild entsteht, das uns beiden vorschwebt. Wer dann letztendlich den Auslöser drückt, ist für uns unerheblich.

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