Vintage-Fotos von Meerestieren aus den 1920ern

Seeigel, Seepferdchen und Hummerscheren: Jean Painlevé vereinte Kunst und Wissenschaft, um die Menschen für die Bewohner des Meeres zu begeistern.

Von Alexandra Genova
bilder von Jean Painlevé
Veröffentlicht am 4. Mai 2018, 06:00 MESZ
Garnele
Garnele, 1929.
Foto von Archives Jean Painlevé

Vom flüchtigen Paarungstanz der Seepferdchen bis zu Fangarmen eines Oktopus, die aus schlammigen Tiefen hervorragen, präsentierte Jean Painlevé gewöhnliche Meerestiere sowohl in wissenschaftlicher Manier als auch als in künstlerischer Form.

Der visionäre Filmemacher und Fotograf verbrachte einen Großteil des 20. Jahrhunderts damit, die Unterwasserfauna als grafische und architektonische Wunder darzustellen. Inspiriert von seiner Kindheit an der bretonischen Küste Frankreichs erkundete Painlevé die Unterwasserwelt in Fotografien, die er durch ein Mikroskop aufnahm, in über 200 Filmen und sogar in einer thematisch passenden Schmuck- und Mode-Kollektion.

Seine Arbeit wurde als wissenschaftliche Forschung an der Akademie der Wissenschaften in Paris präsentiert, inspirierte zahlreiche namhafte Künstler und galt sogar als wichtiges Symbol für die Gleichstellung der Geschlechter.

Seepferdchen und sozialer Wandel

Sein bekanntestes Werk – ein Film von 1934 namens „L‘Hippocampe“ (dt. „Das Seepferdchen“) – war eines der ersten, welches die Fortpflanzung von Seepferdchen zeigte. Die intime Paarung der Tiere – bei der das Weibchen das Männchen schwängert, welches später die Jungen gebiert – wurde nicht nur zensiert, sondern löste auch eine Kontroverse über die Umkehr von Geschlechterrollen aus, zu der Painlevé begeistert ermutigte. 

Zu diesem Thema schrieb er: „All jenen, die leidenschaftlich danach streben, ihr tägliches Schicksal zu bessern, all jenen Frauen, die sich nach jemandem ohne den üblichen Egoismus sehnen, mit dem sie ihre Sorgen und ihre Freude teilen können, ist dieses Symbol der Zuverlässigkeit gewidmet, welches die maskulinsten Mühen mit der femininsten Brutpflege in sich vereint.“

Die extreme Vergrößerung, die charakteristisch für seine Werke war, erreichte er mithilfe einer „Mikrokamera“, die er selbst aus einem Mikroskop und einer Kamera baute. Painlevé gründete zusammen mit dem Erfinder Yves Le Prieur den ersten Amateurtauchclub, den er Club des Sous l‘Eau (dt. „unter dem Wasser“) nannte, um die Meerestiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu erforschen.

Leider spielte die Technik nicht mit. Da es noch keine Unterwasserkameras gab, hielt Painlevé die meisten seiner Werke in Aquarien fest, die er in seinem Labor-Atelier an der bretonischen Küste aufbaute.

Surrealismus trifft Wissenschaft

Painlevés wegweisende Techniken und sein künstlerisches Flair weckten auch das Interesse der zeitgenössischen Surrealisten wie Man Ray und Alexander Calder sowie der Vertreter der „neuen deutschen Objektivität“ in der Fotografie.

„Er gehörte aber nie irgendeiner Bewegung an“, sagt Brigitte Berg, eine Archivarin von Painlevés Werken und die Direktorin der „Documents Cinématographiques“ in Paris. „Auf gewisse Weise war er ein Rebell und widersprach dem offiziellen Dogma oft. Er war ein großer Liberalist.“

Obwohl seine Fotos und Filme von den avantgardistischen Künstlern seiner Zeit gefeiert wurden, war seine Zielgruppe eher die desinteressierte Öffentlichkeit. „Ihm war bewusst, dass man etwas tun musste, um die Wissenschaft interessant zu machen, weil er glaubte, dass sich die meisten Leute nicht dafür interessierten“, sagt Berg. „Er hatte wirklich viel Freude daran, Filme für die Allgemeinheit zu drehen und den Menschen die Tiere zu zeigen, in die er sich verliebte.“

Jean Painlevé hält seine Debris-Kamera, die sich in einem wasserdichten Kasten befindet. Saint Raphaël, Frankreich, 1936.
Foto von Archives Jean Painlevé

Musik machte einen wichtigen Teil des Reizes von Painlevés Arbeiten aus. Die Bewegungen der Tiere wurden von Klängen aus der Feder des berühmten Filmkomponisten François de Roubaix und des elektronischen Musikpioniers Pierre Henry untermalt. „Er ließ der Vorstellungskraft freien Lauf“, sagt Berg. „Die Bildsprache, die Erzählung und der Einsatz der Musik trugen alle dazu bei, diese Filme für die Öffentlichkeit so ansprechend zu machen.“

Auch der pädagogische Wert seiner Arbeit – ebenso wie ihre ästhetische Poesie – war ein wichtiger Aspekt. Seine große Zuneigung zu den Bewohnern des Meeres, die er sein Leben lang dokumentiert hat, schaffte es nicht nur, auch andere zu unterhalten und zu informieren, sondern verschaffte den Tieren auch einen Platz im künstlerischen Kanon. Er vermenschlichte sie, sodass das Seepferdchen für Painlevé ebenso eine Muse sein konnte wie Charlotte von Stein es für Goethe und Schiller gewesen ist.

„Die Tiere – die Garnele, der Seeigel, der Oktopus – werden durch seine Filme und seine Fotografie zu Motiven“, sagt Berg. „Er hat dabei geholfen, sie zu einem Teil unserer Welt zu machen.“

loading

Nat Geo Entdecken

  • Tiere
  • Umwelt
  • Geschichte und Kultur
  • Wissenschaft
  • Reise und Abenteuer
  • Fotografie
  • Video

Über uns

Abonnement

  • Magazin-Abo
  • TV-Abo
  • Bücher
  • Disney+

Folgen Sie uns

Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved