„Ohne Frieden ist der Rest nichts wert.“

Der Alfred-Fried-Preis ehrt Fotografen, die den Kampf für Frieden zeigen. Das Gewinnerbild 2019 stammt vom deutschen Fotografen Stefan Boness und zeigt den friedlichen Protest der Fridays-for-Future-Bewegung.

Von Andrea Henke
Veröffentlicht am 21. Sept. 2019, 21:03 MESZ
Alfred-Fried-Photography-Award
Das "Friedensbild des Jahres 2019"
Foto von Stefan Boness

Wir sind an dramatische Fotos gewohnt, nicht an Bilder, die Frieden ausdrücken. Ihn darzustellen fällt viel schwerer und wird leicht als Kitsch abgetan. Der Alfred-Fried-Photography-Award, benannt nach dem österreichischen Friedensnobelpreisträger des Jahres 1911, soll das ändern. Mit ihm werden Bildern friedlichen Zusammenlebens und des Strebens nach Schönheit ausgezeichnet. Im Österreichischen Parlament sind in der vergangenen Woche zum siebten Mal fünf Fotografen geehrt worden, denen solche Bilder gelungen sind. Der mit 10.000 Euro dotierte Hauptpreis „Peace Image of the Year 2019“ ging an Stefan Boness für seine Reportage über die Fridays For Future. In dieser Bewegung protestieren weltweit Kinder und Jugendliche vor allem für mehr Engagement der Politik gegen den Klimawandel. Für die 25-köpfige Jury ist sie „die Friedensbewegung unserer Zeit“. Zum dritten Mal wurde zusätzlich auch ein Bild in der Kinder- und Jugendkategorie der unter Vierzehnjährigen prämiert. Lois Lammerhuber hat den Preis gemeinsam mit seiner Frau Silvia Lammerhuber aus der Taufe gehoben.

Herr Lammerhuber, was für ein Foto ist das diesjährige „Peace-Image-of-the-Year?

Frieden kann man auch mit „gelungenes Leben“ übersetzen. Es ist eine Herausforderung, das gut zu fotografieren. Fast jeder strebt nach der Schönheit des gelungenen Lebens, sie abzubilden ist aber sehr herausfordernd. Stefan Boness hat das geschafft. Sein Bild zeigt etwas, das es so in der Geschichte noch nicht gegeben hat: Die Generation der Kinder und Jugendlichen meldet sich zu Wort gegen die politischen Entscheidungsträger. Die Entscheidung für Stefan Boness ist nicht politikfrei. Wir erhoffen uns, dass sein Bild in den Medien für die Bewegung „Fridays-for-Future“ wirkt. Politische Relevanz ist aber kein Kriterium für eine Prämierung. In diesem Fall war sie einfach Teil des Fotos.

Was möchten Sie mit dem Alfred-Fried-Photography-Award erreichen?

Unser Wettbewerb ist für Amateure und Profis offen, alle können ihre Bilder einreichen. Mein Traum ist, dass eine Graswurzelbewegung entsteht, und dass ganz viele Menschen mit ihren Bildern ein Statement zum Thema Frieden abgeben. So könnte sich idealerweise unsere Sicht auf die Welt verändern. Ohne Frieden ist der Rest nichts wert, er ist die Voraussetzung für alles im Leben.

Gibt es allgemeingültige Bilder von Frieden? Unabhängig von Generation, Geschlecht oder Religion?

Ich denke, das trifft für fast alle Bilder zu. Die Verortung ist nur zufällig und relativ. Die Einreichungen kommen aus der ganzen Welt – in diesem Jahr aus 113 Ländern und von mehr als 1500 Fotografen und Fotografinnen. Die Geografie ist natürlich erkennbar am Aussehen der Menschen, aber das Streben nach Frieden, nach gelungenem Leben ist omnipräsent und im Interesse aller. Es ist zugleich aber eine fotografische Herausforderung, weil der Journalismus nie gelernt hat, mit diesen Bildern umzugehen.

Der Wunsch nach FrIeden und die Hoffnung darauf sind überall gleich. Ist die fotografische Umsetzung auch gleich?

Es gibt zwei verschiedene Zugänge: den dokumentarisch-journalistischen und den künstlerisch-allegorischen. Unsere Jury betrachtet die dokumentarischen Arbeiten etwas geneigter als die künstlerischen, und wir haben bisher eher Reportagen prämiert.

Die norwegische Juryvorsitzende Hilde Sandvik hat in ihrer Laudatio gesagt, dass diese Bilder „ein Bollwerk sind, wenn Sprache versagt. Nichts weniger.“ Was können Fotos bewirken?

Alles! Wir erleben die Welt zu Zeit völlig neu. Seit Erfindung der Smartphone-Fotografie ist eine dramatische Kulturrevolution im Gang, die sogar das Primat des Wortes infrage stellt. Zum ersten Mal hat fast jeder Zugang zu seinem persönlichen kreativen Ausdruck.

Sie sehen auch die vielzitierte „Bilderflut“ positiv?

Ich sehe das anders als viele, die darüber stöhnen. Die Millionen Fotos, die bei Instagram täglich hochgeladen werden, sind doch gar nichts im Vergleich zu den allein fast 300 Milliarden E-Mails, die in der selben Zeit verschickt werden. Bei denen fragt auch niemand: „Wer soll das alles lesen?“ Ein Bild kann Zusammenhänge oft so viel schneller darstellen als das Wort. Ich finde es wichtig, dass wir Fotos und Bilder noch besser lesen und interpretieren lernen. Es darf beispielsweise nicht an den Kosten liegen, dass schon in Schulbüchern viel zu wenige Bilder abgedruckt werden. Ich denke auch, dass die klassischen Künste durch die Fotografie abgelöst werden, weil bei ihnen nichts Neues mehr kommen kann.

BELIEBT

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    Lois Lammerhuber ist Fotograf und Fotobuchverleger. Die von ihm und seiner Frau Silvia Lammerhuber gegründete Edition Lammerhuber wurde selbst mehrfach preisgekrönt.
    Foto von Francis Giacobetti

    Gibt es Motive, die Sie direkt aussortieren?

    Ein gutes Bild ist ein gutes Bild ist ein gutes Bild. Das gilt auch für oft gescholtene Fotos von Sonnenuntergängen. Aber ein reines Landschaftsbild haben wir noch nicht ausgezeichnet. Frieden ist ja ein gesellschaftliches Thema: Wie können wir zusammenleben? Diese Frage sollte das Bild stellen – und am besten beantworten.

     

    In jeder Ausgabe des National Geographic-Magazins stellen wir ein Fotoprojekt vor. In Heft 10/2019 sind es die uralten Kreaturen, die David Herasimtschuk in Flüssen, Bächen und Seen fotografiert. 

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