Francisco Pizarro

Ein schreibunkundiger Schweinehirte zerstört in den Anden die Hochkultur der Inka. Getrieben von der Gier nach Gold, löst der Spanier riesige Raubzüge aus – und wird am Ende durch Feinde in den eigenen Reihen umgebracht.

Von National Geographic

Ein schreibunkundiger Schweinehirte zerstört in den Anden die Hochkultur der Inka. Getrieben von der Gier nach Gold, löst der Spanier Francisco Pizarro riesige Raubzüge aus – und wird am Ende durch Feinde in den eigenen Reihen umgebracht.

Die Zukunft liegt jenseits des großen Wassers, in den reichen, neu entdeckten Ländern. In der kargen, rauen Extremadura, einer der ärmsten Regionen Spaniens, denken um das Jahr 1500 viele so wie der junge Bauernsohn. Francisco Pizarro ist nie zur Schule gegangen. Er muss des Vaters Schweine hüten, während in der Ferne das große Abenteuer lockt.

Eines Tages rennt Francisco Pizarro weg nach Sevilla, dem Tor zur Neuen Welt. Von hier brechen Glücksritter in Scharen per Schiff nach Westen auf. Pizarro dient sich dem Gouverneur von Hispaniola als Soldat an. 1509 geht er mit Alonso de Ojeda auf seine erste Entdeckungsfahrt an die südamerikanische Küste. 1513 begleitet Francisco Pizarro Vasco Nuñez de Balboa auf dessen Zug über den Isthmus von Darién (Isthmus von Panama). Dabei lernt er die Mechanismen der Machtspiele und Intrigen kennen, die überall in Spaniens neuen Kolonien im Gange sind. Als Balboa in Ungnade fällt, nimmt Pizarro ihn im Auftrag von Pedro Arias de Ávila, dem Gouverneur von Panama, gefangen. Und nachdem Balboa hingerichtet worden ist, beginnt sein Aufstieg in der Siedlergesellschaft. Pizarro wird Bürgermeister der 1519 gegründeten Stadt Panama.

Ein kränklicher Akademiker bahnt Francisco Pizarro 1522 den Weg für die ganz große Karriere. Pascual de Andagoya hat auf einer Seefahrt nach Süden von einem mächtigen Reich namens Birú oder Pirú mit riesigen Goldschätzen gehört. Doch er ist nicht der Mann für große Taten, bei einem Sturz aus dem Boot wäre er beinahe ertrunken. So kehrt er resigniert nach Panama zurück und legt alle weiteren Expeditionen in die Hände eines Mannes, der so etwas anpacken kann. Pizarro verbündet sich mit Diego de Almagro und dem Priester Hernando de Luque, hinter dem der Jurist Gaspar de Espinosa als Finanzier und stiller Teilhaber steckt.

Seine ersten Erkundungsreisen, die Francisco Pizarro ab 1524 entlang der pazifischen Küste Südamerikas unternimmt, bringen mehr Fehlschläge als Erfolge. Durch Krankheiten und Kämpfe mit Indianern sterben mehr als zwei Drittel seiner Leute, die Verbliebenen sind zerlumpt und durch Hunger bis auf die Knochen abgemagert. Der neue Gouverneur von Panama, Pedro de los Ríos, befiehlt den Abbruch des Unternehmens, weil ihm die Verluste in keinem Verhältnis zum Ertrag zu stehen scheinen. Doch der Hauptmann, der die Truppe zurückbeordern soll, erlebt einen Auftritt, mit dem der Analphabet aus der Extremadura zeigt, dass andere Qualitäten in ihm stecken. Auf der Isla del Gallo, der Hahn-Insel, zieht er mit seinem Schwert einen Strich durch den Sand, deutet erst nach Süden und dann nach Norden und spricht dazu die schicksalhaften Worte, die bald eine Blutspur in der Geschichte hinterlassen werden: «Kameraden und Freunde! Dies ist der Leidensweg, der nach Peru führt, um reich zu werden. Dort geht es zum Ausruhen nach Panama, zur Armut. Wählt!» 13 Verwegene schlagen sich noch auf seine Seite. Mit ihnen landet Francisco Pizarro in Tumbes, einer Küstenstadt mit Gold- und Silberschmieden, mit Speiseschüsseln aus Gold und Silber, mit Tempeln funkelnd vor Gold und Silber. Sie gibt Pizarro eine Ahnung von der Kultur, die im Inneren des Landes herrscht.

Pizarro erkennt, dass seine Mittel nicht reichen, um den Staat der Inka in die Knie zu zwingen. Zerknirscht und verschuldet kehrt er Anfang 1528 nach Panama zurück, am allerletzten Tag der Frist, die ihm der neue Statthalter gesetzt hat. Doch noch im selben Jahr bricht er nach Spanien auf, um König Karl V. für seinen Eroberungszug zu gewinnen; Freunde schießen ihm die Reisekosten vor. 1529 schließt er mit dem Hof einen Vertrag, der Pizarro zum Statthalter und Generalkapitän von Neukastilien macht, wie die Länder nach der Eroberung heißen sollen. Seine Partner Luque und Almagro werden mit den Posten eines Bischofs bzw. Statthalters von Tumbes abgespeist – Klauseln, die den Keim künftiger Katastrophen in sich tragen.

Pizarro ist schon über 50, als er zu seinem großen Schlag ausholt. Im Januar 1531 bricht er von Panama mit drei Schiffen, 37 Pferden und 180 Mann auf, darunter seine Halbbrüder Gonzalo, Hernando, Juan und Martín. Am 11. Mai 1532 landet er wieder in Tumbes. Die Stadt ist gezeichnet von Kämpfen. Ohne es zu ahnen, dringt Pizarro ins Inka-Reich zu einem Zeitpunkt ein, der für ihn am günstigsten ist: Zwischen Huáscar und Atahualpa, den Söhnen des 1527 verstorbenen Inka-Herrschers Huayna Capac, sind Thronstreitigkeiten ausgebrochen. Atahualpa hat sie zu seinen Gunsten entschieden. Der Dynastie aber sind schon Wunden geschlagen.

Auf breiten, gut befestigten Straßen, vorbei an Unterkunftshäusern, die im Abstand von Tagesetappen stehen, zieht Pizarro im Sommer 1532 hoch ins Gebirge. Zwei weitere Konquistadoren, Hernando de Soto und Sebastián de Belalcázar, bringen Verstärkung. Atahualpa erholt sich zu dieser Zeit an den heißen Quellen bei Cajamarca von seinen Kämpfen. Er hat ein Gefolge von 40000 bis 50000 Kriegern um sich. Doch er lässt die Spanier ohne Gegenwehr nach Cajamarca ziehen, das umrahmt von Bergen auf 2750 Meter Höhe liegt.

Die Parallelen zur Eroberung Mexikos durch Hernán Cortés gut zehn Jahre zuvor sind frappierend. Auch hier hinterlassen die Pferde, Waffen und Rüstungen der Spanier einen tiefen Eindruck. Auch hier, so schreibt später der Chronist Garcilaso de la Vega, gab es düstere Vorahnungen. Atahualpas Vater soll auf dem Sterbebett prophezeit haben, vom Meer würden neue, unbekannte Menschen kommen und die Herrschaft über das Reich antreten. «Ich befehle euch, ihnen zu gehorchen und zu dienen, wie man dem in Allem Überlegenen dient, denn ihr Gesetz wird besser sein als das unsere...»

Aber anders als in Mexiko gibt es hier kein langes Geplänkel. Pizarro ist ein Mann des Schwerts, nicht der Diplomatie. Die Spanier sinnen nur auf einen Vorwand, um die Wirkung ihrer Waffen entfalten zu können. Als Atahualpa mit ihnen am 16. November 1532 zusammentrifft, fordern sie ihn umgehend auf, sich dem spanischen König zu unterwerfen. Der Dominikanerpater Vincente Valverde reicht ihm eine Bibel und sagt, sie enthalte die Worte des einzig wahren Gottes. Der Inka aber kennt keine Schreibschrift und wird von seinem Volk selber als Gott verehrt. Er hält, in seiner Sänfte sitzend, die Bibel ans Ohr, und als er nichts hört, wirft er sie auf den Boden. Gleich darauf kracht die erste Salve, eine halbe Stunde lang dauert das Gemetzel. Atahualpa fällt Pizarro in die Hände. Die Indianer sind fassungslos: Sie haben ihren Gott stürzen sehen.

Um wenigstens sein Leben zu retten, spricht Atahualpa die einzige, aber dafür große Schwäche der Spanier an. Er geht mit Pizarro in eine sieben Meter lange und fünf Meter breite Halle. Für seine Freilassung, so verspricht er, werde er diesen Raum mit Gold füllen, so hoch er mit seiner Hand reichen könne – und er zieht mit dem Arm, gut zwei Meter über dem Boden, eine Linie an den Wänden entlang. Pizarro stimmt zu. In den folgenden Monaten werden auf Befehl des Inka-Königs Schätze aus dem ganzen Reich herbeigeschafft und zu Barren geschmolzen.

Nun hat Pizarro das Gold. Atahualpa ist ihm nur noch im Weg. Der Spanier bricht sein Wort und inszeniert gegen ihn einen Prozess, bei dem Pizarro und Almagro selber als Richter fungieren. Die konstruierte Anklage lautet auf zwölf Delikte, darunter Anstiftung zum Aufstand, die Ermordung Huáscars, Missbrauch von Staatsgeldern, Ehebruch und Götzendienst. Selbst ein Dutzend Leute aus den eigenen Reihen protestieren gegen diese Farce. Doch das vorhersehbare Urteil wird gesprochen: Tod durch Verbrennen. Am 29. August 1533 wird Atahualpa nach Sonnenuntergang bei Fackelschein zum Scheiterhaufen getragen. In letzter Minute ist er bereit, sich auf den Namen Juan de Atahualpa christlich taufen zu lassen – so stirbt er nicht im Feuer, sondern im Würgeisen, wie ein gewöhnlicher Verbrecher.

Am 15. November 1533 zieht Pizarro in die Inka-Hauptstadt Cuzco ein. Sein Bruder Hernando wird zu deren Statthalter ernannt. Von Cuzco aus dringt Belalcázar 1534 in das Gebiet um Quito, Almagro 1535 bis zum Río Maule in Chile vor. Unter dem Inka-Führer Manco Capac II. bricht 1536 ein Aufstand los, bei dem Cuzco von 15000 Indianern belagert wird. Die Brüder Pizarro und Almagro schlagen ihn 1537 noch gemeinsam mit ihren Truppen nieder. Dann aber kämpfen sie, kaum ist der gemeinsame Feind bezwungen, gegeneinander um die Macht.

So wird Peru, kaum von Spanien erobert, zum chaotischen Schauplatz blutiger Fehden unter den Konquistadoren. Pizarro residiert als Vizekönig in der neuen Hauptstadt Ciudad de los Reyes (dem späteren Lima), die er 1535 an der Küste gegründet hat. Seine Brüder schlagen Almagro 1538 in der Schlacht von Las Salinas. Hernando lässt Almagro auf Befehl seines Bruders erdrosseln; er wird dafür später in Spanien mit 20 Jahren Festungshaft bestraft. Und Almagros Anhänger rächen sich 1541 in Lima, indem sie Francisco Pizarro ermorden. Er stirbt in seinem Palast durch einen Degenstich in die Kehle. Sein Tod ist wie der logische Schlusspunkt seines Lebens. Alle Träume, die Francisco Pizarro hatte, haben stets Zerstörung bedeutet.

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