Die Wissenschaft vom Schmecken
Veröffentlicht am 10. März 2022, 07:30 MEZ

Der Spaß am Essen beginnt mit einem Molekül aus einer Speise, die wir verzehren. Es berührt eine der winzigen Geschmacksknospen in den Papillen, die auf dem Bild links als helle Flecken auf der blau gefärbten Zunge zu erkennen sind. Im Gehirn vereinen sich Geschmack und andere Sinneswahrnehmungen. Der Eindruck, dass wir etwas Leckeres essen, stellt sich ein.
Foto von Brian FinkeForscher haben aufgezeigt, dass das, was wir schmecken, mehr ist als das, was die Zunge meldet. Heston Blumenthal praktiziert darum in seinem Restaurant Fat Duck im englischen Bray das „multisensorische Kochen“. Die Gäste auf diesem Bild genießen das Menü „Klang des Meeres“: Muscheln, Salzschaum, „essbarer Sand“ aus Maniokmehl, Panko-Panade (japanisches Paniermehl), Aale. Kopfhörer übertragen das Rauschen der Brandung und Möwengeschrei, abgespielt von Musikplayern, die in Meerestiergehäusen stecken.
Foto von Brian FinkeKinder haben von Geburt an Vorlieben und Abneigungen. Einige sind vererbt, andere wurden durch die Ernährung der Mutter in der Schwangerschaft geprägt. Dieser zehn Monate alte Junge hat am Monell-Zentrum für Geschmacksforschung in Philadelphia zum ersten Mal Brokkoli gegessen. Sein Widerwille ist unübersehbar. „Wenn man ihn aber immer wieder probieren lässt“, sagt die Biologin Julie Mennella, „dauert es immer länger, bis er das Gesicht verzieht.“ Eines Tages schmeckt das Gemüse vielleicht sogar.
Foto von Brian FinkeKann die Wissenschaft Supermarkt-Tomaten schaffen, die so schmecken wie früher? In Tests, bei denen Versuchspersonen nicht sehen, was sie essen, versuchen Forscher herauszufinden, welche Aromen Menschen mögen. Die gezielte Zucht von Tomaten, die solche Aromen haben, wäre der nächste Schritt.
Foto von Brian FinkeWelse sind die Superschmecker der Tierwelt: Haut, Kiemen, Lippen und die fühlerartigen Barteln sind mit Geschmacksknospen besetzt, die denen unserer Zunge ähneln.
Foto von Brian FinkeDamit spüren die Welse auch in trübem Wasser Nahrung auf – und es macht sie für den Biologen John Caprio zu besonders guten Forschungsobjekten. An der Universität von Louisiana misst er, welche Nervenimpulse von den Geschmacksknospen der Welse ausgehen. Um die schwachen Nervenströme unverfälscht erfassen zu können, arbeitet er in einem Faradayschen Käfig, der elektrische Spannungen aus der Umgebung abschirmt.
Foto von Brian FinkeAm Culinary Institute, einer exklusiven Kochschule in New York, zermahlt ein Student Käsebrocken. Er hat vorher aus geschmolzenem Käse die festen Bestandteile abzentrifugiert und in flüssigem Stickstoff gefroren. Das Ziel: Ein Käsesaucen-Pulver für Imbissstände.
Foto von Brian FinkeOft ist die Abneigung gegen bestimmte Speisen die Folge anerzogener Vorurteile. Welche Geschmäcke wir mögen und welche nicht, ist zwar angeboren, wie wir aber zum Beispiel Gerüche bewerten, wird uns beigebracht. Das Nordic Food Lab in Kopenhagen will kulturell verpönte Lebensmittel gesellschaftsfähig machen: etwa Ameisen, die sich „eklig“ anfühlen.
Foto von Brian FinkeDas Nordic Food Lab experimentiert auch mit „übel riechenden“ Innereien von Makrelen. Diese werden im Labor in Form einer Sauce aus gepökelten, erhitzten und vergorenen Eingeweiden serviert. Sie ähnelt dem Würzmittel Garum, das in der Antike auf jeden Tisch gehörte – und in ähnlicher Form in der asiatischen Küche unverzichtbar ist.
Foto von Brian FinkeDie Entwicklung des Geschmackssinns half ursprünglich, Nahrung zu finden und Gifte zu meiden. Heute verhilft er manchen aber auch zu regelrechten „Abenteuern“. Die Londoner Firma Bompas & Parr etwa ist spezialisiert auf „geschmacksbasierte Erlebnisveranstaltungen“. Auf einer ihrer Partys haben sich Teilnehmer als Tiere verkleidet, mit denen sie sich spirituell verbunden fühlen.
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