Eine Reise in Chiles wilde Landschaft

In einem Land voller atemberaubender natürlicher Schönheit wartet an jedem Ort ein Abenteuer.

Von Krista Rossow
Veröffentlicht am 28. Juli 2021, 15:06 MESZ
In der chilenischen Atacama-Region, die für ihren Mangel an Lichtverschmutzung  und ihren klaren Himmel bekannt ist, ...

In der chilenischen Atacama-Region, die für ihren Mangel an Lichtverschmutzung  und ihren klaren Himmel bekannt ist, hat man nachts immer die Möglichkeit, die Sterne zu beobachten.

Foto von Krista Rossow, National Geographic

In Chile ist alles lebendiger. Der Wind weht nicht, er heult. Die Berge türmen sich nicht nur auf, sie beherrschen die Landschaft. Sogar die Form dieses langen, schmalen Landes trägt zu seinem schroffen Charakter bei und belohnt diejenigen, die nicht vor großen Distanzen zurückschrecken. Da Chile zwischen dem Pazifischen Ozean und den Anden eingebettet liegt, ist der Weg nach Westen und Osten ein relativ einfacher Ausflug. Eine Reise vom Norden in den Süden führt auf 4270 Kilometern durch trockene, zerklüftete Wüsten bis hinauf in junge Berge, die noch aktiv von Gletschern geformt werden.

Als ich Chile das erste Mal besuchte, ging mir sofort das Herz auf. Ich fühlte eine Verbindung, als wäre ich schon einmal dort gewesen. Es war fast wie Nostalgie, nur umgekehrt – eine Sehnsucht nach all den Abenteuern, die mir bevorstanden. Ich hatte Chile schon bei mehreren Gelegenheiten in seiner ganzen Länge besucht, während ich auf National Geographic Expeditionen Fotografie unterrichtete. Jedes Mal durfte ich per Schiff, Bus und Flugzeug die vielfältigen Landschaften Chiles und mehrere der mehr als 40 atemberaubenden Nationalparks des Landes erkunden. Hier habe ich nun einige meiner schönsten Erinnerungen aus der Wüstenregion der Atacama bis hin zu den südlichsten Regionen von Patagonien und Tierra del Fuego zusammengestellt.

Chiles berühmte Atacama-Wüste liegt im Norden nahe der Grenze zu Bolivien. Als ich nach San Pedro de Atacama fuhr, ein geschäftiges Zentrum in der ansonsten dünn besiedelten Region, hatte ich Zeit, die felsigen, ockerfarbenen Weiten eines der trockensten Orte der Welt zu bewundern. Trotz harter Bedingungen entdeckte ich Wildtiere wie Vikunjas, eine mit dem Lama verwandte Tierart, deren geschätzte Wolle nur Mitglieder der Königsfamilien der Inkas tragen durften. Und ein Nagetier, das wie ein Kaninchen aussieht, aber mit dem Chinchilla verwandt ist: das Viscacha.

Die Geysire des El Tatio bei Sonnenaufgang sollte man nicht verpassen, wenn man schon in der Atacama ist, und sie sind definitiv die Anfahrt vor Sonnenaufgang wert. Trotz des schon einsetzenden südlichen Frühjahrs im Oktober war der kühle Griff des Winters auf über 4267 Meter Höhe immer noch spürbar. Vor dem pastellfarbenen Himmel stiegen weiße Dampfwolken aus dem Geysirfeld auf, sodass ganze Gruppen von Menschen zu verschwinden schienen, wenn der Wind den Dampf verwehte. Die Sonne, die über dem Horizont aufstieg und die Luft erwärmte, brachte einige tapfere Seelen dazu, in den heißen Quellen zu baden. Ich zog meine Mütze weiter über die Ohren und entschied mich, in den Dampfwolken verborgen zu bleiben.

Morgens herrschen ideale Bedingungen für eine Besichtigung der Geysire des El Tatio in der Atacama. Auf über 4267 Meter Höhe hat man das Gefühl, auf Wolken zu laufen, wenn der Dampf aus den Fumarolen aufsteigt.

Foto von Krista Rossow, National Geographic

Der Tag begann mit der Besichtigung der Geysire und ging weiter mit einer Nachmittagswanderung durch die raue, mondähnliche Landschaft von Valle de la Luna, das so treffend benannte Tal des Mondes. Das Wunder der Wüste setzte sich nach Sonnenuntergang fort, als ich das Sternbild „Kreuz des Südens“ in einem der dunkelsten Himmel, den ich je erlebt hatte, bestaunen konnte. Die Atacama lockt Sternenbeobachter aus der ganzen Welt in ihre Observatorien, da hier kaum Lichtverschmutzung und gleichzeitig trockenes, wolkenfreies Wetter herrschen.

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    Die einzigartige Geologie des Tals des Mondes in der Atacama wird bei Sonnenuntergang noch eindrucksvoller, wenn lange Schatten die felsige, karge Landschaft noch prominenter zur Geltung kommen lassen.

    Foto von Krista Rossow, National Geographic

    Fast am anderen Ende des Landes, wo sich die Spitze des südamerikanischen Kontinents allmählich nach Osten neigt, beobachtete ich im Nationalpark Torres del Paine die Sterne. In dieser Nacht drückte die Silhouette des sich hoch auftürmenden Granitmassivs, für das die Region Patagonien so bekannt ist, den Horizont wie ein schlafender Riese nach unten, während sich die Milchstraße über den Himmel wand.

    Diese ikonischen gezackten Gipfel haben den bleibendsten Eindruck meines Besuchs in Torres del Paine hinterlassen. Als ich mehrere Wanderungen in der umliegenden Landschaft unternahm, von einfachen Spaziergängen bis zu ganztägigen Ausflügen, war jede neue Perspektive und Wetteränderung ein wahrer Augenschmaus für mich und meine Kamera. Als ich eines Morgens im Morgengrauen draußen fotografierte, kamen mir die Tränen beim Anblick der türkisfarbenen Gletscherseen, schneebedeckten Granitmonolithe und hügeligen Graslandschaften. Schon träumte ich von einer erneuten Reise hierher, um eine mehrtägige Wanderung zu unternehmen oder die umgebenden schneebedeckten Berge der Region zu erkunden.

    Besucher des Nationalparks Torres del Paine werden sehen, warum der Name des Massivs übersetzt aus dem Spanischen und Tehuelche „Türme des blauen Himmels“ heißt.

    Foto von Krista Rossow, National Geographic

    Aber bevor ich Patagonien verließ, musste ich einen Ausritt in den Pampas erleben, den grasbewachsenen Ebenen, die den Nationalpark umgeben. Meine Gelegenheit dazu ergab sich an einem sehr grauen Nachmittag, aber ich beschloss, mich nicht vom Wetter abschrecken zu lassen. Zusammen mit einem Gaucho galoppierte ich durch die Landschaft, während mir Regen und Schlamm ins Gesicht klatschten, der patagonische Wind durch meine Haare peitschte und ich mich kindlich glücklich fühlte. Der Ritt durch das Meer aus Gras fühlte sich an diesem Nachmittag an, als würde ich fliegen. Ich habe kein einziges Bild gemacht, eine Seltenheit für eine Fotografin, aber diese aufregende Erfahrung hat sich in mein Gedächtnis gebrannt.

    Ein Gaucho führt die Besucher auf einen Ausritt über das hügelige Grasland, auch Pampa genannt, in der chilenischen Region Patagonien in der Nähe des Nationalparks Torres del Paine.

    Foto von Krista Rossow, National Geographic

    Südlich von Patagonien liegt Tierra del Fuego, die entlegenste Region Chiles. Hier geht die Spitze Südamerikas in ein wässriges Wunderland mit massiven bergigen Inseln, smaragdfarbenen Fjorden und eiszeitlichen Gletschern über. Ich erkundete die Gegend per Schiff, was es einfacher machte, die epischen Landschaften dieses entlegenen Spielplatzes der Natur zu erreichen.

    Die National Geographic Orion wirkt vor dem gewaltigen Garibaldi-Gletscher in Chiles südlichster Region Tierra del Fuego wie ein Spielzeugboot.

    Foto von Krista Rossow, National Geographic

    Im Naturpark Karukinka auf der chilenischen Seite der Hauptinsel beobachtete ich, wie See-Elefanten vor majestätischen schneebedeckten Bergen gegeneinander kämpften, und wanderte durch einen windgepeitschten Buchenwald. Im Nationalpark Alberto de Agostini fühlte ich mich wie Däumelinchen in der epischen, unberührten Landschaft voller Fjorde und Gletscher. Aber eine besonders schöne Erinnerung an die Natur hatte ich auf dem Weg noch weiter in den Süden, nach Kap Hoorn.

    Südliche See-Elefanten ruhen an einem malerischen Strand im Naturpark Karukinka, bis in einem Gerangel das Gebrüll dieser riesigen Säugetiere erklingt.

    Foto von Rossow, National Geographic

    Kap Hoorn markiert die nördliche Grenze der Drakestraße, der oft turbulenten Gewässer zwischen Chile und der Antarktis. Ich erkundete die Landspitze zu Fuß und geriet auf dem Weg zum Leuchtturm in einen sintflutartigen Regenguss. Ich versteckte mich in einer kleinen hölzernen Kapelle neben dem Haus des Leuchtturmwärters und rastete dort bis zum letzten möglichen Moment, um es noch rechtzeitig zurück zum Schiff zu schaffen. Als ich durch die Regentropfen zurückeilte, brach die Sonne durch die Wolken und ein wunderschöner Regenbogen spannte sich über dem Leuchtturm auf. Daraus habe ich gelernt, dass man stehen bleibt, wenn die Natur ihre Magie wirken lässt, selbst wenn man bis auf die Knochen nass ist und vielleicht das letzte Schlauchboot zum Schiff verpasst. Man muss einfach in der Schönheit schwelgen.

    Der Dichter Pablo Neruda sagte über seine Heimat: „Jeder, der noch nie im chilenischen Wald gewesen ist, kennt diesen Planeten nicht.“ Ich würde behaupten, dass seine Worte für alle wilden Orte Chiles gelten, und jetzt ist auch mein Herz für immer mit diesen Orten verbunden.

    Der Leuchtturm am Kap Hoorn markiert das Zusammentreffen des Atlantiks und des Pazifischen Ozeans und ist Zeuge aller Arten von Witterungsbedingungen – und Regenbögen.

    Foto von Krista Rossow, National Geographic
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