Düfte und Gewürze: AlUlas Weihrauchstraße

Mehr als tausend Jahre lang waren die Oasenstadt Dadan, Hauptstadt der Königreiche Dadan und Lihyan, und ihre Nachfolgerin, die nahe gelegene nabatäische Stadt Hegra, Dreh- und Angelpunkte eines Handelsnetzwerks, das sich über Kontinente erstreckte.

Das Grabmal von Lihyan, dem Sohn von Kuza, in Hegra.

Von Royal Commission for AlUla
Veröffentlicht am 26. Sept. 2022, 18:08 MESZ

In der Weite der Wüste ist Wasser für die Besiedlung und Zivilisation überlebenswichtig. Dadan im AlUla-Tal verfügte über Wasser in Hülle und Fülle – sowohl Grundwasser als auch Wasser aus den saisonalen Regenfällen der umliegenden Berge, das aufgefangen und für die trockenen Monate gespeichert wurde. Anhand von Spuren, die das Wachstum von Pflanzen in der Antike dokumentieren, können Archäobotaniker feststellen, welche Pflanzen hier zu verschiedenen Zeiten angebaut wurden. Bekannt ist, dass Datteln, Granatäpfel, Trauben und Weizen in früheren Jahrhunderten in Dadan auf dem Speiseplan standen. Später wurden in Hegra Weizen- und Gerstensorten, Linsen, Kichererbsen (Kichererbsenbohnen) und Feigen sowie Datteln und Granatäpfel angebaut. Diese bemerkenswerte Vielfalt wurde durch Futterpflanzen wie Wicken bereichert, die zur Haltung von Schafen, Ziegen, Rindern, Hühnern und Kamelen dienten.

Die Oase von AlUla
Seit tausenden von Jahren spendet die Oase Schatten und Wasser. Heute ist sie Zuhause von Dattelpalmen, Zitronenbäumen und aromatischen Kräutern – sowie Zentrum eines Regenerationsprojekts.

Der Wasserreichtum in diesen Oasen führte dazu, dass sich dort Menschen ansiedelten. Bereits vor circa 2.500 Jahren war das Tal von AlUla ein Umschlagplatz für den Fernhandel. Der Archäologe Abdulrahman Alsuhaibani schreibt, dass AlUla „eine strategische Position an den großen Nord-Süd-Karawanenrouten durch Arabien innehatte“. Die Kaufleute zogen mit ihren Kamelkarawanen monatelang mehr als tausend Kilometer durch die Wüste – von Südarabien bis Dadan oder noch weiter, um die Märkte rund um das Mittelmeer und in anderen Ländern zu erreichen.

Warum begaben sich die Händler auf solche Reisen? Die Profite waren bestimmt beachtlich. Auf den ersten Reisen wurden wohl Aromastoffe wie Weihrauch und Myrrhe sowie Halbedelsteine aus Südarabien wie Achat mitgeführt. Mit dem Ausbau der Handelsnetze wurden auch Gewürze vom indischen Subkontinent und darüber hinaus in den Handel eingeführt – zusätzlich zu den ohnehin schon lange gehandelten Waren wie Textilien, Leder, Werkzeuge und Waffen. Dadurch wurden auch neue Einflüsse in Kunst, Architektur, Kultur und Sprache sichtbar.

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    Luftaufnahme von Dadan im AlUla-Tal.

    Foto von Matthieu Paley

    Als besonders wertvoll galt der Weihrauch, „eine der begehrtesten Waren der antiken Welt“, sagt der Historiker Michael Macdonald. Dieses honigfarbene, weißliche oder sogar grüne Harz wird in kleinen Klumpen aus dem Saft eines ganz besonderen Baumes gewonnen, der den lateinischen Namen Boswellia sacra trägt und nur im halbtrockenen Hochland von Südarabien und den angrenzenden Gebieten am Horn von Afrika gedeiht. Beim Verbrennen von Weihrauch wird ein einzigartiger, berauschender Duft freigesetzt. Es war ein wesentlicher Bestandteil zahlreicher Rituale in den klassischen Zivilisationen des alten Griechenlands und Roms. Südarabische Bauern ernteten in großen Mengen Weihrauch und andere aromatische Harze und Gewürze wie Myrrhe, Bdellium und Myrobalan und brachten sie nach Norden auf die Märkte.

    Viele Wege führten nach Dadan, das schnell Berühmtheit erlangte und sogar im Alten Testament wegen seiner Bedeutung für den kulturellen und kommerziellen Austausch erwähnt wurde. Wie bedeutend das lihyanitische Königreich war, zeigt sich bereits daran, dass der römische Autor Plinius der Ältere die Spitze des Roten Meeres, die heute als Golf von Akaba bekannt ist, als „Golf von Lihyan“ bezeichnete.

    Sogar Kaufleute aus der weit entfernten südarabischen Stadt Ma’in, die in der Nähe einer wichtigen Weihrauchquelle lag, siedelten sich in Dadan an. Diese Gruppe scheint eine Gemeinschaft von Händlern gewesen zu sein, die „in friedlicher Koexistenz mit ihren Gastgebern“ lebte, so Macdonald. Auch Alsuhaibani spricht von einer „langen Tradition der Offenheit“ im AlUla-Tal in dieser Zeit. Die Ma’ini-Händler (Minäer) hatten einen besonderen Status in ihrer Wahlheimat, der internationale Beachtung erlangte; griechische Seeleute und Händler hingegen zahlten zu dieser Zeit Zölle an lihyanitische Steuereintreiber.

    Myrrhe und Weihrauch.

    Foto von Matthieu Paley

    Mit der Machtübernahme durch die Nabatäer im ersten Jahrhundert v. Chr. erreichte der Handel mit Luxusaromaten seinen Höhepunkt. Die Nabatäer, ursprünglich ein Stamm aus dem arabischen Hinterland, verschmolzen Elemente verschiedener Kulturen zu einer einzigartigen Zivilisation, die durch ihren Reichtum aus dem Handel mit Rohstoffen, insbesondere Weihrauch, beflügelt wurde. Sie meißelten prachtvolle Grabmäler in die Sandsteinfelsen rund um ihre Handelsstadt Hegra, die nicht weit von Dadan entfernt in einer Wüstenebene nördlich des AlUla-Tals liegt. Regenwasserzisternen und mehr als hundert Brunnen sorgten für das überlebensnotwendige Wasser. Archäologen entdeckten in Hegra zahlreiche kleine Alabastergefäße, die sich hervorragend zur Aufbewahrung von Gewürzen und Aromaten eignen, sowie glasierte Keramik aus dem Osten und filigrane Glaswaren aus dem Norden und Westen. Dank seiner Handelsrouten, die nach Südarabien, zum Roten Meer, zur nabatäischen Hauptstadt Petra (im heutigen Jordanien) und zu weiter entfernten Märkten führten, war Hegra in der Lage, Weihrauch und andere Luxusgüter an Kunden in allen Himmelsrichtungen zu liefern. Umgekehrt wurden hochwertiges Kunsthandwerk und Produkte aus verschiedensten Ländern importiert. Die Oase blühte auf und florierte.

    Das Römische Reich übernahm Nabatäa im zweiten Jahrhundert n. Chr. Zu Beginn mag dies den Einfluss von Hegra noch verstärkt haben – es gibt Belege dafür, dass römische Soldaten aus Nordafrika und anderen Teilen der Welt in der Stadt stationiert waren –, aber es war auch ein Zeichen des Niedergangs. Nach Ansicht des Historikers François Villeneuve war Hegra einfach „zu weit entfernt“ von den römischen Machtzentren, um politisch oder wirtschaftlich relevant zu sein. Dieser Prioritätenwechsel führte zu einer Verschiebung der Handelsstrukturen. Die traditionellen Überlandrouten waren bereits von den Seetransporten verdrängt worden. Zwischenzeitlich gab es zwar eine kombinierte See- und Landroute, die durch Hegra führte, aber als das Römische Reich zerfiel, ging auch die Nachfrage nach den Luxusgütern aus Hegra zurück. Im dritten Jahrhundert wurde Hegra wahrscheinlich von den Römern aufgegeben.

    Obwohl das AlUla-Tal auch in den folgenden Jahrhunderten weiter besiedelt war, blieb der Handel unbeständig und wechselhaft. Der Weihrauch, einst ein lebenswichtiges Luxusgut, das die Grundlage für all diese Träume und Errungenschaften bildete, hat jedoch nie seine Faszination verloren. Bis zum heutigen Tag ist der Weihrauch aus Südarabien ein wichtiger Bestandteil kultureller Interaktionen in vielen Teilen der arabischen und anderen Teilen der Welt. Sein unvergleichlich reichhaltiges Aroma durchflutet Rezeptionen und Veranstaltungsräume. Die lange Geschichte dieses natürlichen Symbols des Wohlstands und der Gastfreundschaft basiert auf dem kaufmännischen Geschick der alten Völker von AlUla.

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