Sommer in Russland

Jeder dritte Russe besitzt eine Datscha, in der er seine Sommer verbringt. Sie ist ein angestammtes Stück Freiheit – und gehört zum Leben der Menschen wie Wodka, Kohl und Kaviar.

Von Cathy Newman
Foto von Jonas Bendiksen

Eine Datschageschichte hat in Russland fast jeder zu bieten. Verblassende Kindheitserinnerungen vom Baden in einem eiskalten, von grünen Fichten gesäumten Teich oder von Kiefernzapfen, die das Feuer unter dem Samowar duften ließen. Die Erzählungen aus russischen Datschen sind oft lustig und leicht, manchmal bitter und düster. Es gibt auch romantische Geschichten – von der ersten Liebe, die den Sommer nicht überstand – und dramatische. Eine ältere Frau erzählt mir, dass sie ihren Mann mit ihrer besten Freundin im Bett erwischte. Sie warf ihn raus, fragte sich aber schon bald, was sie nun, so kurz vor der Rente, anfangen sollte. Sie kaufte ein Wochenendhaus für 500 Rubel mit Garten, einem See und einem Wald zum Pilzesammeln. «Die Datscha hat mein Leben gerettet», sagt sie.

Manches Sommerhaus umgibt ein Schleier typisch russischer Melancholie. Die Großmutter von Natalia Iwanowa war eine junge Witwe mit zwei Kindern. Nachdem sie wieder geheiratet hatte, kaufte ihr neuer Mann eine Datscha in der Nähe von Moskau. Als er in einem stalinistischen Arbeitslager verschwand, blieb sie für den Rest ihres Lebens in dem Gartenhaus wohnen. «Sie hat nie etwas ausgesät, nicht einmal Blumen. Nur das Gras wurde dichter und dichter», erinnert sich Natalia, die als Autorin und Lektorin in Moskau arbeitet. «Es gibt ein Foto von mir als Kind, auf dem die Halme weit über meinen Kopf ragen.»

Auch Boris Weschnjakow hat Datscha-Storys auf Lager. Sie sind ein wenig prahlerisch. Einmal stellte er sich einigen Jugendlichen in den Weg, die sich in seiner Siedlung bei Waldai im Nordwesten Russlands betranken und laute Musik spielten. «Ich habe mir ein paar von denen geschnappt und sie in den See getaucht. Solchen Leuten muss man einfach klarmachen, wer der Stärkere ist.» Wenn Boris nicht in seiner Datscha ist, fährt er Taxi. Einmal zeigte er mir eine Grube, in die Datschniks aus großen Städten einfach ihren Müll schmeißen. «So läuft das heute in Russland», grummelte er. Aber Boris hatte schon einen Plan: Er werde eine Kamerafalle aufstellen, um die Übeltäter zu fassen.

Bis dahin war Boris für mich einfach Boris der Taxifahrer gewesen. Doch dann erfuhr ich von der zweiten Identität des 63-Jährigen mit den eisblauen Augen, dem sich weit vorwölbenden Bauch und einer Sammlung von kurzärmeligen, wild bedruckten Hawaii-Hemden: Boris war der Vorsitzende Boris, der Gemeindevorsteher von Nerzy, einer Ansiedlung von fast tausend Datschen in Waldai.

Das Königreich von Boris ist ein russisches Phänomen. Jeder dritte Russe besitzt eine Datscha. Im Moskauer Umland gibt es etwa eine Million Sommerhäuser, und am Freitagabend staut sich der Verkehr Richtung Land. Die Datscha ist mit der russischen Kultur verwoben, seit Zar Peter der Große Grundstücke vor den Toren St. Petersburgs an seine Höflinge vergab. Das Wort Datscha ist von dem russischen Verb datj („geben“) abgeleitet. Die Datscha ist die Bühne, auf der das Drama – oder die Komödie – des Sommers spielt. Die Sommer in Russland sind kurz und kostbar. Die Vegetationsperiode in der Taiga rund um St. Petersburg dauert gerade mal vier Monate, in Westeuropa acht Monate oder länger. Wenn die Sonne den Boden auftaut, erwärmen sich auch die Seelen.

Eine Datschengemeinde ist ein Abbild der russischen Gesellschaft: Es gibt Geschichten von Reibereien, von Liebe, Verlust und Leid. Der Wodka fließt in Strömen, und Korruption ist an der Tagesordnung. Lokalverwaltungen erwerben illegal Grundstücke und verkaufen sie an Immobilienunternehmen, die daraus neue Siedlungen machen. Die Sommerfrische ist ein Ort zum Grübeln, um mit dem Leben zu hadern, zu feiern, die Gesellschaft von Freunden und Verwandten zu genießen. Aber inzwischen sind Sommerhäuser auch zu einem Statussymbol für die neuen Reichen in Russland geworden, die ihren Luxus so gern zur Schau stellen.

Die Datscha von Boris ist wie die meisten in Waldai ein Gartengrundstück, auf dem ein kleines Holzhaus steht. Solche Grundstücke waren ursprünglich sechs sotkas (600 Quadratmeter) groß und gehen auf ein Programm zur Landverteilung in der Sowjetunion zurück. Es sollte die Nahrungsmittelknappheit nach dem Zweiten Weltkrieg lindern, die vom Desaster des planwirtschaftlichen Ackerbaus noch verschärft worden war. Seit der Privatisierung 1990 dürfen die Grundstücksbesitzer auch mehr Land erwerben, aber die Siedlungen bleiben eine enge Ansammlung bunter Häuschen, in denen abgelaufene Wandkalender und kitschige Gemälde von Bären hängen. Perlenvorhänge an den Türen wehren Insekten ab.

Neu im Umland großer Städte sind die Kottedschi („Cottages“), die Möchtegern­ Schlösser der Neureichen. In vielen Siedlungen rund um Moskau haben diese überdimensionierten Sommerhäuser die traditionellen Datschen verdrängt; häufig wurden sie zu Hauptwohnsitzen ausgebaut. «Oligarchen fahren an die Loire, sehen die Schlösser und sagen: So was brauche ich auch», erklärt der Lokalhistoriker Konstantin Kowaljow ­Slutschewski. Die Innenausstattung geht dann eher Richtung frühes Las Vegas: Marmorsäulen, die nichts zu stützen haben, Vergoldung, die so dick aufgetragen ist wie das Make-up eines Callgirls. Außen herum hohe Mauern, bisweilen mit Scharten darin – so als wollten Bogenschützen brennende Pfeile auf jeden abschießen, der es wagen könnte drüberzuklettern. «Die Eigentümer haben nie eine Seele für ihr Haus entwickelt», sagt Kowaljow-Slutschewski achselzuckend.

In Waldai gibt es nicht viele übertriebene Kottedschi, aber hier steht die Datscha, in die sich Präsident Wladimir Putin gelegentlich mit dem Hubschrauber fliegen lässt. Zu dem Anwesen gehören ein chinesisches Teehaus, ein türkisches Bad, eine russische und eine finnische Sauna. Boris ist überzeugt, dass immer wenn Putin da ist, Taucher im See Wache schieben. Vielleicht hat er ja recht, vielleicht auch nicht. Es ist nicht so leicht zu erkennen, wann man Boris – der an Engel glaubt, aber ein Tattoo mit einem gitarrespielenden Teufel auf der linken Schulter hat – ernst nehmen kann.

Der ganze Stolz der 16.000 Einwohner zählenden Stadt Waldai ist ihr 1600 Quadratkilometer großer Nationalpark , ein Gebiet doppelt so groß wie Berlin. Es ist durchzogen von sanften, mit Birken bestandenen Hügeln und 200 Seen zu beiden Seiten einer Wasserscheide, an der zwei große Flüsse entspringen: der Dnjepr und die Wolga. Ein Refugium, das Tausende von Erholung suchenden Gästen anlockt. Im Sommer verdoppelt sich hier die Bevölkerung – zumindest wenn man einer Statistik über den Brotverkauf Glauben schenken kann.

Obwohl es nur 365 Kilometer bis Moskau im Süden und 290 Kilometer bis St. Petersburg im Norden sind, könnten diese beiden Städte für die Bewohner von Waldai genauso gut auf dem Mond liegen. Die Großstädter werden als eine Spezies betrachtet, die man am besten meidet. Und Boris ist fest davon überzeugt, dass allein sie die Umwelt verschandeln.

Es sei eine kulturelle Kluft, sagt Maxim Semjonow, der Herausgeber der Wochenzeitung von Waldai. Die Stadtmenschen betrachteten die Datscha als einen Ort der Entspannung, erklärt er. «In Waldai geht es auf der Datscha jedoch um harte Arbeit und um ernsthaftes Gärtnern.» Nadjeschda Jakowlewa ist eine Frau mit sanfter Stimme und feinen Gesichtszügen. Sie leitet das örtliche Museum und zeigt mir eine Fotografie aus dem Jahr 1839 mit Moskauer Bürgern beim Picknicken in Waldai. «Mit französischem Wein und Sandwiches», sagt sie in mitleidigem Ton. Die Angewohnheiten und Haltungen moderner Moskowiter seien nicht besser. «Sie ernähren sich nicht gesund. Sie liegen in Hängematten herum, und ihr Gemüsegarten ist der Supermarkt, dort gibt es immer ein Angebot.»

In Boris’ Gemeinde Nerzy gehören etwa 30 Prozent der Datschen Leuten aus Moskau oder St. Petersburg. «Die haben Generatoren und Pumpen», sagt Raissa Stepanow, eine Buchhalterin im Ruhestand, mit einem Anflug von Neid. Sie hat keines von beiden. Raissas kleines Holzhäuschen ist in drei Gelbtönen gestrichen und scheint sich an einer Birke festzuhalten. Hinten im Garten gibt es ein Plumpsklo.

Unbedingt erwähnt werden muss der Dresscode in Waldai: Frauen tragen bevorzugt Bikinis mit verblasstem Fünfziger-Jahre-Design oder Schürzenkleider aus Baumwolle. Männer laufen in eng anliegenden Badehosen herum, manche tragen dazu auch Gummistiefel.

Nina Marmaschewja ist Raissas beste Sommerfreundin. Sie kommt, um mit uns grünen Schtschi zu essen, eine beliebte Kohlsuppe, die hier aber mit Sauerampfer zubereitet wird. Nina ist eine kräftig gebaute Frau, und zur Begrüßung zerquetscht sie mich fast an ihrer Brust. Kleine Gläser kommen auf den Tisch. Raissa füllt sie mit selbstgebranntem Weinbrand. Bald sind die Frauen beschwipst, und Nina fängt an, Kartoffelkäfer von den Pflanzen zu sammeln. Es ist schwer zu sagen, ob Raissas Garten eher Lust ist oder doch eine Last. Die 68-Jährige macht ihren eigenen Dünger aus Kompost, sie gießt ihre Pflanzen von Hand und holt das Wasser dafür mit dem Eimer aus einem Brunnen. Ihre Ernte schleppt sie in Einkaufstüten mit dem Bus nach Hause. Am Ende des Sommers hat sie mehr als 200 Gläser Eingemachtes, die sie über den Winter bringen. «Jedes Jahr sage ich, nun ist Schluss, ich pflanze nichts mehr an. Aber im Frühling mache ich es dann doch wieder.»

Eine Datscha bedeutet jeder Generation etwas anderes. Vor kurzem kaufte Raissas Tochter ein Haus in der Stadt. «Die Kosten machen ihr zu schaffen», erzählt Raissa. «Ich habe angeboten, meine Datscha zu verkaufen, um ihr zu helfen.» Doch die Tochter lehnte diesen Vorschlag kategorisch ab: «Du darfst sie nicht verkaufen, sonst kann ich nicht mehr mit den Kindern herkommen und schwimmen gehen.»

In Waldai hatte auch Josef Stalin eine Datscha, die er aber vermutlich nie genutzt hat. Es heißt, der paranoide Diktator habe einen Blick auf das Sommerhaus am Ende einer einsamen Straße geworfen und dann gesagt, er werde sich nie in so einer Mausefalle aufhalten. Die Historikerin Galina Simina aus Waldai glaubt eher, dass Stalin, der insgesamt 20 Datschen hatte, es einfach nie dorthin geschafft hat.

1935 befahl Stalin, in Peredelkino in der Nähe von Moskau eine Datschensiedlung für Schriftsteller zu bauen. In der Sowjetzeit wurden die politischen und kulturellen Eliten mit Landsitzen belohnt. Künstler, Parteikader und Kosmonauten hatten ihre eigenen Sommeranwesen. Das Zuckerbrot war die Datscha, die Peitsche der Gulag. «Peredelkino war Stalins Werkzeug, um die Schriftsteller unter Kuratel zu halten», sagt Kowaljow-Slutschewski, der Historiker. «So hatte er sie an einem Ort im Blick.»

Boris Pasternak schrieb im Arbeitszimmer seiner Datscha unter dem grünen Blätterdach von Peredelkino „Doktor Schiwago“, den Roman, der in der Sowjetunion nicht erscheinen durfte und für den er 1958 den Nobelpreis bekam. Er nahm die Auszeichnung an, «stolz, erstaunt, verlegen», schrieb er an die Schwedische Akademie. Die Staatsmacht war anderer Ansicht. Eine bösartige Kampagne, das Risiko des Exils und Drohungen gegen seine Familie zwangen ihn, den Preis doch abzulehnen.

Man kann sich Pasternaks Schmerz kaum vorstellen. Gebückt und mit Erde verschmiert, werkelte er in Peredelkino in seinem Garten. «Die natürliche Umgebung gab ihm den Lebensmut zurück», sagt Irina Samochina, die Kuratorin seiner Datscha. Seine Tweedkappe, sein karierter Schal und sein schwarzer Mantel hängen noch an der Wand, als wäre er gerade von einem Spaziergang zurückgekehrt. Pasternak liebte es, die Felder zu durchstreifen, besonders jenes am Weg zu der Kirche, in der er betete. Heute stehen darauf neu erbaute Kottedschi.

Ich sitze mit dem Vorsitzenden Boris auf der Terrasse seines Sommerhauses und bewundere die Sicht auf den See. Seine Schwägerin bringt uns einen Teller mit gebratenem Fisch, aufgeschnittenen Gurken und Kartoffeln, die mit Dill aus dem Garten bestreut sind. In einer russischen Datscha bleibt ein Gast nicht hungrig. «Es ist deine Familie», sagt Boris. «Wenn mein Nachbar Kummer hat, habe auch ich Kummer. Wenn ich mich freue, freut er sich mit.» Er sagt, was man hier immer wieder hört: «Es gibt keine Konflikte. Alle kommen miteinander aus.»

Bis auf die üblichen kleinen Irritationen, die immer mal wieder an die Oberfläche kommen. In Nerzy gibt es im Gegensatz zu den festungsartigen Anwesen im Umland von Moskau kaum oder nur niedrige Zäune. Aber Grundstücksgrenzen sind dennoch zu beachten. Wehe dem, dessen Gurken sich auch nur einen Zentimeter auf öffentlichen Grund oder fremden Besitz ranken. Wenn es Streit gibt, kommt Boris mit einem Vermessungsstab und legt fest, wo die Trennlinie verläuft. Wie werden Regelverletzungen geahndet? «Mit einer Geldbuße», sagt Boris. «Aber dann versuch mal, die Person zu finden, die die Strafe bezahlen muss.» Er blickt jetzt finster drein. Boris würde nur zu gern das unbezahlte Amt des Gemeindevorstehers an einen anderen abgeben. Aber niemand will den undankbaren Posten haben.

Grund und Boden sind heilig, sie haben für die Russen beinahe mystische Bedeutung – eine Folge heidnischen Glaubens und bäuerlicher Tradition. «Die Religion des Bodens», wie es der Philosoph Nikolai Berdjajew nannte. Eine Datscha schafft die Gelegenheit, in der Erde zu graben und der Natur nahe zu sein. «Wenn ein Tag zu Ende geht, bin ich müde und gestresst», sagt mir eine Frau aus Waldai. «Dann gehe ich in den Garten, berühre den Boden, und alles Schlechte verfliegt.»

Im Juli bringt die Erde Gurken und zarten Dill hervor, auch Kürbis, Erbsen und Frühlingszwiebeln. Dann ist die Zeit der Beeren: schwarze, rote und weiße Johannisbeeren, Blaubeeren, Brombeeren, Himbeeren, Stachelbeeren und Walderdbeeren, deren Duft noch mehr als das harzige Aroma der Kiefern für den Sommer steht. Im August kommen die Pilze und die Kartoffeln. Immer wieder Kartoffeln – ein Gemüsegarten in Waldai ohne sie wäre keiner, obwohl es heute billiger ist, sie zu kaufen.

Galina Jerzewa, eine städtische Wirtschaftsexpertin, baut Kartoffeln an, genauso wie die Familien ihrer beiden Söhne und deren Schwiegereltern. «Warum? Es liegt uns im Blut», sagt sie. Der Anbau von Lebensmitteln ist womöglich ein Instinkt, der über Generationen weitergegeben wird, wenn sie Notzeiten kennengelernt haben. Aber nun wächst eine Generation heran, die keine solchen Erinnerungen hat und auch kein Interesse.

«Wenn die Wirtschaftslage gut bleibt, ist die Datscha in Zukunft vielleicht nur noch eine Vermögensanlage und ein Erholungsort, aber keine Nahrungsquelle mehr», sagt die Wissenschaftlerin Tatjana Nefedowa vom Moskauer Geographie-Institut. Das Dekorative tritt immer mehr an die Stelle des Praktischen: Statt Kartoffeln wachsen Blumen in den Gärten, und Gipszwerge verdrängen die Zwiebelzöpfe.

n der Sowjetzeit war die Datscha auch ein Zufluchtsort. In einer Welt der Gemeinschaftswohnungen, wo Vorhänge manchmal Wände ersetzen mussten, bot das Wochenendhaus die ersehnte Privatsphäre. «Eine Datscha hat keine Adresse», sagt Kowaljow-Slutschewski. «In Detektivfilmen versteckte sich der Verbrecher immer in einer Datscha, wo er nicht gefunden werden konnte. Eine Datscha bedeutete Freiheit.» Doch mit dem Fall des Eisernen Vorhangs öffnete sich eine neue Welt. Im Jahr 2011 reisten dreimal so viele Russen für den Sommerurlaub ins Ausland wie 1977. «Als unsere Tochter klein war, kam sie in die Datscha», sagt Tatjana. «Heute fährt sie lieber nach Kroatien.»

Ein russisches Sprichwort lautet: «Andere zu besuchen ist gut, aber zu Hause ist es besser.» Manchmal braucht der Mensch Abstand, um schätzen zu lernen, was in seiner Nähe liegt. Wird eine wohlhabendere und weltoffenere Generation junger Russen daran festhalten und die Datschen ihrer Eltern weiterhin schätzen? Klar, dass Boris auf seinem Beobachtungsposten in Nerzy auch dazu eine Geschichte zu bieten hat.

Eines Tages kam seine Tochter Wladislawa nach einer Auslandsreise zurück nach Hause. «Sie ist schon überall gewesen», sagt Boris. «Ägypten, Italien, Türkei.» Diesmal war Wladislawa, die in der Werbebranche arbeitet, in die Schweiz gereist. Aber sie hatte die Nase bald voll von der Schweizer Perfektion. Nun sehnte sie sich nach der Warmherzigkeit des irgendwie zusammengezimmerten, Regeln nicht so wichtig nehmenden Nerzy. Sie saß auf der Terrasse der Familiendatscha und blickte auf das ruhige, grüne Oval des Sees. Sonnenanbeter lagen auf halbversunkenen Stegen. Wasserlilien trieben wie kleine gelbe Krönchen auf der Wasseroberfläche. «Der Genfer See», sagte sie auf einmal leichthin, «ist doch nur ein Tümpel.»

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