Welche Tiere aufgrund des Klimawandels wahrscheinlich zuerst aussterben

Australien, Neuseeland und Südamerika wären mit am stärksten betroffen, wenn durch steigende Temperaturen jede sechste Tierart weltweit aussterben könnte.

Von Craig Welch
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:21 MEZ
Vier Tiere, die von einem erhöhten Aussterberisiko betroffen sind, wenn die Temperaturen ansteigen, sind das Gelbfuß-Felskänguru, der Goldschultersittich, das Lumholtz-Baumkänguru und die neuseeländische Brückenechse.
Foto von Nick Rains, NONE << NONE Corbis, Jan Wegener, Bia, Minden Pictures, NONE << NONE Corbis, Bill Hatcher, National Geographic und Frans Lanting, National Geographic

(Hinweis der Redaktion: Der Artikel wurde erstmals am 30. April 2015 veröffentlicht.)

Eine von sechs Arten könnte durch die Klimaerwärmung innerhalb des nächsten Jahrhunderts aussterben, wobei laut einer großen neuen Studie, die am Donnerstag veröffentlicht wurde, die Tiere und Pflanzen Südamerikas besonders stark betroffen wären und jene in Nordamerika das geringste Risiko hätten. Laut der Studie, die in der Fachzeitschrift „Science“ erschien, könnte Südamerika mit seinen von Natur aus kleinen Populationen einheimischer Arten in den tropischen Regenwäldern und Bergen von Aussterberaten betroffen sein, die viermal höher sind als jene in den USA oder Kanada.

In Australien und Neuseeland, wo die Möglichkeit der Pflanzen und Tiere, auf neue Standorte auszuweichen, vom Ozean eingeschränkt wird, könnte der Prozentsatz des Artensterbens doppelt so hoch sein wie in Nordamerika. „Das ist ein Beleg dafür, dass wir die Erde in einen Zustand treiben, in dem sie vorher entweder noch nie war oder sehr, sehr lange nicht gewesen ist“, sagt Janneke Hille Ris Lambers, ein Professor an der Universität Washington, der einen Gastkommentar für „Science“ verfasste, in dem er die neue Forschungsarbeit lobte.

Viele Wissenschaftler haben versucht zu berechnen, welche Pflanzen und Tiere aus welchen Teilen der Welt am wahrscheinlichsten durch den Klimawandel ausgerottet werden. Eine Studie aus dem Jahr 2013 sagte voraus, dass 82 Prozent von Kaliforniens heimischen Süßwasserfischen durch die Erderwärmung verschwinden oder ihre Bestände stark zusammenschrumpfen würden.

Mark Urban, Professor für Ökologie an der Universität Connecticut, hat herausgefunden, dass viele der Studien sich ebenso vieler unterschiedlicher Methoden bedienten, sodass Wissenschaftler am Ende immer auf jene verweisen konnten, die ihren Standpunkt untermauerten.

„Je nachdem, welche Studie man sich angesehen hat, konnte man zu einer übertrieben pessimistischen oder optimistischen Sichtweise kommen.“

“Das ist ein Beleg dafür, dass wir die Erde in einen Zustand treiben, in dem sie vorher entweder noch nie war oder sehr, sehr lange nicht gewesen ist.”

von JANNEKE HILLE RIS LAMBERS
UNIVERSITY OF WASHINGTON

Um diese Unstimmigkeiten zu klären, sah sich Urban 131 Studien zum Artensterben an und benutzte Computermodelle und andere statistische Verfahren, um die Daten für eine globale Schätzung zu kombinieren.

„Das ist, als würde man 131 Experten auf dem Gebiet nach ihrer Einschätzung dessen befragen, was passieren wird“, sagt Hille Ris Lambers. „Das ist durchaus von Bedeutung.“

Urban hat herausgefunden, dass die Aussterberaten umso schneller vorangetrieben werden, je schneller die Menschheit die Temperaturen steigen lässt.

Würde zum Beispiel der Klimawandel auf einen Temperaturanstieg von 2 °C beschränkt werden – ein Zielwert, auf dessen Erreichen sich viele Nationsführer der Welt geeinigt haben –, würde sich das globale Risiko für das Artensterben trotzdem fast verdoppeln, so Urban. Heutzutage sind 2,8 Prozent aller Arten auf der Welt vom Aussterben bedroht; ein Temperaturanstieg von 2 °C würde diesen Bedrohungsgrad auf 5,2 Prozent ausweiten.

Falls die globale Durchschnittstemperatur jedoch um 4,3 °C steigt – was dem aktuellen Verlauf nach passieren könnte, sollten die Emissionen durch fossile Brennstoffe nicht dramatisch reduziert werden –, könnte die Aussterberate auf 16 Prozent steigen, oder anders gesagt, eine von sechs Arten. „Das hat mich sehr überrascht“, sagt Urban.

Manche Gebiete haben ein viel höheres Risiko als andere, da dort mehr endemische Arten (Pflanzen und Tiere, die es sonst nirgends gibt) auf kleinem Raum existieren.

Daher trägt der Klimawandel bereits zum Niedergang des südamerikanischen Grauwangenpipra und des Prachtpipra sowie der neuseeländischen Brückenechse bei, einem Reptil, dessen Eier nur dann Weibchen produzieren, wenn die Nester kühl sind. Die steigenden Temperaturen haben zu einem Rückgang weiblicher Brückenechsen geführt, was die Zukunft ganzer Populationen belastet.

Derweil stellt der Klimawandel in Australien eine Gefahr für das Überleben aller möglichen Arten dar, vom Gelbfuß-Felskänguru und dem Lumholtz-Baumkänguru über den Schmuckflossenfuß bis hin zum Goldschultersittich.

Urban gibt zu, dass seine Studie viele Beschränkungen aufweist. Es sind nur sehr wenige Daten über aussterbende Tierarten in großen Teilen Asiens verfügbar. Die weltweite Aussterberate kann auch nicht kalkulieren, wie der Klimawandel das Verhältnis von Jäger und Beute beeinflusst oder wie schnell oder langsam Pflanzen und Tiere auf neue Habitate ausweichen.

Ebenso wenig kann die neue Studie erfassen, auf welch komplexe Weise der Klimawandel natürliche Systeme verändern wird oder welche Rolle die komplizierten Probleme spielen, die durch Verschmutzung und übermäßige Bebauung entstehen. All diese Faktoren könnten das Gesamtresultat verbessern oder verschlechtern, sagt Urban.

„Was ich sagen kann, ist, dass das die besten Informationen sind, die wir derzeit haben“, erklärt er.

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