Faszinierende Ammoniten: Diese Urzeit-Wesen beherrschten die Meere über Millionen Jahre
Ammoniten beherrschten die Meere über Jahrmillionen. Ihre Formen faszinieren noch heute.
Ammoniten im Nationalmuseum von Wales
Bauern legten die seltsamen Steine einst in ihre Melkeimer, um den Milchfluss der Kühe zu fördern. In Papua Neuguinea dienten sie als Amulette zur Abwehr böser Geister. In Indien nennt man sie „Götterräder“, in Japan „heilige Steine“. In Hausfundamente eingebracht, sollten sie vor Unfällen schützen. Sie sind Opfergaben, Meditationshilfe oder Schmuckstück. Im Mai hielt der Schweizer Sänger Nemo beim Eurovision Song Contest begeistert einen Ammoniten in die Kameras – seinen Glücksbringer. Ammoniten, eine Gruppe ausgestorbener Kopffüßer (Cephalopoden), sind versteinerte Wunder.
„Es ist der direkte Bezug der Menschen zu diesen Jahrmillionen alten Lebewesen, der sie so einzigartig macht“, sagt der Paläontologe Raimund Albersdörfer. „Wir können sie berühren. Und sie berühren uns.“ In der Ausstellung „Ammonite Master pieces“ im Dinosaurier Museum Altmühltal in Bayern sind sie jetzt zu sehen. Albersdörfer hat die Schau kuratiert. Ihren Namen verdanken die Urzeittiere dem römischen Gelehrten Plinius dem Älteren. Er bezeichnete die Versteinerungen als „Ammonshörner“, in Anlehnung an den alt ägyptischen Sonnengott Amun-Re, der auch als Mensch mit Widderhörnern dargestellt wird.
Bis zu 40000 Arten
Durch ihre harten Schalen geschützt, beherrschten die ausgestorbenen Verwandten der Tintenfische die Weltmeere 341 Millionen Jahre lang. Sie überlebten mehrere Massenaussterben, bis sie vor 66 Millionen Jahren wie die Dinosaurier für immer verschwanden, wahrscheinlich nach einem gewaltigen Meteoriteneinschlag. Ihre Vielfalt ist enorm, Paläontologen gehen von bis zu 40 000 Arten aus. Zum Vergleich: Bis heute sind nur etwa 700 Dinosaurierarten bekannt. Noch heute fasziniert ihre Formenvielfalt. Manche Ammoniten haben das Aussehen winziger Wendeltreppen oder Würmer. Sie tragen Stacheln oder ähneln glatten Diskusscheiben, Bowlingkugeln oder Spiralen. Einige messen nur wenige Millimeter; andere sind riesig und tonnenschwer.
Der weltweit größte Ammonit, Parapuzosia seppenradensis, wurde 1895 im Münsterland entdeckt. Er hat einen Durchmesser von 1,74 Metern und wiegt stolze 3,5 Tonnen. Viele wissenschaftliche Fragen zu den Ammoniten sind ungeklärt, etwa die Art ihrer Fortbewegung. Der Paläontologe David Peterman von der University of Utah baute Ammonitenmodelle mit dem 3-D-Drucker und integriertem Antrieb. Er entließ die Roboter in ein Sportschwimmbecken und filmte mit Unterwasserkameras, wie sie durch den Pool schwammen. Ergebnis der Versuche mit den Hightech-Urzeittieren: „Die eine, optimale Gehäuseform gab es wohl nicht. Doch die Form hatte wahrscheinlich einen großen Einfluss darauf, wie die Ammoniten in der Wassersäule standen, wie schnell sie sich bewegten, ob sie rotierten, sich seitlich drehten oder schaukelten.“
Rätselraten um das Innenleben der Tiere
Nicht nur die Fortbewegung der Ammoniten gibt Forschern Rätsel auf. „Wir wissen so vieles nicht über diese geheimnisvollen Wesen“, meint Albersdörfer, „die Weichteile der Tiere sind nur selten erhalten, sondern nur die harte Schale.“ Für die Forscher ist es ein wenig so, als müssten sie aus einer Burgruine Rückschlüsse auf ihre Bewohner ziehen. Wie genau sahen die Tiere aus? Hatten sie zehn, acht oder sechs Fangarme, mit denen sie sich Beute griffen? Ernährten sie sich ausschließlich von Plankton? Wo genau lebten sie im Urmeer? Wieso überlebten sie die Massenaussterben?
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