Tod in der Antarktis

Von allen Robbenarten steht nur der Seeleopard im Ruf, ein echter Jäger zu sein. Trotz seiner Länge von bis zu 3,60 Metern und einem Gewicht von mehr als 450 Kilo bewegt er sich überraschend schnell und gewandt.

Von Kim Heacox
bilder von Paul Nicklen
Foto von Paul Nicklen

Von allen Robbenarten steht nur der Seeleopard im Ruf, ein echter Jäger zu sein. Trotz seiner Länge von bis zu 3,60 Metern und einem Gewicht von mehr als 450 Kilo bewegt er sich überraschend schnell und gewandt. Oft sieht man die großen Robben am Rand von Eisschollen, auf der Suche nach Pinguinen und anderen Beutetieren. Ihren Namen verdanken die Seeleoparden ihrer gefleckten Haut. Frank Worsley, der Skipper von Ernest Shackletons Schiff "Endurance", schrieb über die "wilden, schönen Bestien", sie hätten ein "gelblich braunes Fell, das über und über mit braunen Flecken besetzt ist".

Ihr Habitat ist das Meer rund um die Antarktis. Sie nehmen dort eine dominierende Stellung ein, wie man es auf Grund ihrer Größe nicht erwarten würde - so wie die Tiger in Indien, die Löwen in Afrika , die Grizzlybären in Nordamerika. Aber auch weiter nördlich, an den Küsten Australiens, Südamerikas und Südafrikas, wurden bereits Seeleoparden gesichtet. Der schwedische Filmemacher Göran Ehlmé hat die Tiere über viele Jahre beobachtet und ist mit ihnen geschwommen. "Kein Wunder, dass diese Robben einen solchen Ruf haben", sagt er. "Es war schaurig, als ich sie zum ersten Mal sah: der große Kopf, das gefährliche Maul, der stechende Blick." Ehlmé hatte schon eine Menge Geschichten gehört.

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    Foto von Paul Nicklen

    Er wusste, dass Thomas Orde-Lees, ein Mitglied von Shackletons Expedition, von einem Seeleoparden angegriffen worden war, als er auf Skiern über das Meereis fuhr: Die Robbe tauchte zwischen zwei Eisschollen auf und verfolgte ihn mit schlangenartigen Bewegungen. Orde-Lees gelang es, seinen Vorsprung zu halten, aber dann tauchte die Robbe an einer offenen Wasserstelle ab, jagte unten hinter ihm her - und kam plötzlich vor ihm wieder ans Licht. Orde-Lees machte kehrt. Die Robbe verfolgte ihn, bis Shackletons Begleiter Frank Wild sie abschoss. Im Juli 2003 wurde die Meeresbiologin Kirsty Brown beim Schnorcheln vor der Antarktischen Halbinsel gepackt und in die Tiefe gezogen. Sie ertrank. Seeleoparden hatten schon Schlauchboote durchlöchert und Leute bedrängt. Nie zuvor war indes ein Todesfall erwiesenermaßen auf ihr Konto gegangen.

    "Über ein aggressives Tier kann man eine bessere Story erzählen als über ein neugieriges", sagt Ehlmé. "Aber diese Robben sind vor allem neugierig. Anderen Tauchern sage ich immer: ´Wenn ihr Angst habt, macht einfach die Augen zu. Dann öffnet sie wieder. Die Robbe wird euch nicht beißen, aber sie kommt euch sehr nahe.´" (In den Forschungsstationen der Antarktis wird allerdings mittlerweile allen geraten, die nicht gerade die Seeleoparden untersuchen, den Tauchgang zu verschieben oder das Wasser zu verlassen, wenn ein solches Tier in der Nähe ist.)

    Der Fotograf Paul Nicklen befolgte Ehlmés Rat: Er ließ sich in das kalte Wasser gleiten - und erlebte ein Tier, das wild und raffiniert zugleich war. Ein paar Mal zerfleischte ein Seeleopard einen Pinguin nur wenige Zentimeter vor seinen Augen, oder er bot ihm die Beute im Ganzen an. Vielleicht kann man es so sagen: Wie jedes wilde Tier lernen wir eine Robbe erst dann richtig kennen, wenn wir in ihre Welt eindringen. Dabei lernen wir auch viel Neues über uns selber: über dieses große, ewig neugierige Raubtier.

    (NG, Heft 11 / 2006)

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