Genug gerodet: So schützt das geplante EU-Gesetz die Wälder
Kekse, Cremes, Rinderbraten: Dafür sollen in Zukunft keine Wälder mehr zerstört werden. Wie hilfreich ist das geplante EU-Gesetz wirklich?
Eine der häufigsten Praktiken, um Weide- oder Anbauflächen zu gewinnen, ist die Brandrodung, wie hier in Thailand. Besonders gefährlich ist dies zur Trockenzeit, wenn Brände leicht außer Kontrolle geraten können.
Der Amazonas-Regenwald nähert sich einem Kipppunkt. Laut der Studie von britischen und deutschen Forschern verliert er allmählich die Fähigkeit, sich nach Bränden und Dürren selbst zu regenerieren. In der Folge könnte er sich in eine Savanne und sogar in Wüste verwandeln. Bisher wurden etwa 17 Prozent Regenwälder zerstört, ab 20 bis 25 Prozent fürchten die Forscher, dass sich der Trend zur Austrocknung nicht mehr verhindern lässt. Es ist also dringend nötig, die Brandrodung und Abholzung immer größerer Flächen zu stoppen.
Brasilien ist eines der wichtigsten Länder für landwirtschaftliche Erzeugnisse weltweit. Ein zweischneidiger Erfolg, der mit der Zerstörung der Wälder einhergeht. 200 Millionen Rinder grasen auf brasilianischen Weiden. Ein Drittel davon auf Flächen, die einst Waldgebiete waren. Zudem stammen mehr als 30 Prozent der weltweiten Sojaproduktion aus dem Land. Die eiweißhaltigen Bohnen werden überwiegend als Tierfutter verwendet. Das geschlachtete Vieh landet schließlich unter anderem auf europäischen Tellern. Vergangenes Jahr waren es 51 Tausend Tonnen Fleisch.
Produkte, die in die EU importiert werden, sind laut WWF für 16 Prozent der Zerstörung von tropischen Regenwäldern verantwortlich. Dazu tragen neben Fleisch auch andere Güter bei, wie etwa Palmöl aus Südostasien, das sich in Produkten wie Schokokeksen, Kosmetik, Tütensuppen oder Babynahrung wiederfindet. In Zentral- und Westafrika leiden die Wälder unter dem weltweiten Bedarf nach Kakao oder tropischen Hölzern.
Zur Gewinnung von Holz oder Palmöl werden viele Wälder in Monokulturen umgewandelt. Hier eine Palmholzplantage in Indien.
EU plant Gesetz, um Zerstörung von Wäldern zu verhindern
Die EU-Kommission hat im November einen Entwurf für ein neues Gesetz vorgestellt, nach dem Soja, Rindfleisch, Palmöl, Holz, Kakao und Kaffee nicht mehr in der EU verkauft werden dürfen, wenn dafür Wälder vernichtet wurden. Dies gilt sowohl für Produkte, die in der EU produziert wurden, als auch importerite Waren. Derzeit wird der Entwurf in den europäischen Mitgliedsstaaten diskutiert und soll im September 2022 im Europaparlament abgestimmt werden. Bis Ende des Jahres könnte damit ein Gesetz verabschiedet werden.
Ein „Hoffnungsschimmer“, um der Zerstörung der Wälder entgegenzuwirken, wie Sinja Eräjaa meint, die für Greenpeace in Brüssel arbeitet. Doch beklagt sie auch zahlreiche Ausnahmen, die der Gesetzentwurf bisher nicht erfasst. Mit Schweinefleisch, Geflügel, Gummi und Mais wären einige entscheidende Produkte nicht von einem Verbot betroffen. Und es könnte noch mehr Schlupflöcher geben.
So werden einige andere Ökosysteme wie Feuchtgebiete und Savannen nicht im Entwurf erwähnt. Dadurch könnten zum Beispiel Flächen in der Cerrado in Brasilien oder im Gran Chaco in Argentinien, Bolivien und Paraguay für Sojafelder und die Rinderhaltung umfunktioniert werden. Dies sind Mischvegetationen mit Grasländern und Bäumen, in denen nicht nur eine große Biodiversität verloren gehen könnte. Die wirtschaftliche Nutzung würde auch CO2 in die Atmosphäre freisetzen, das bisher in Böden und Pflanzen gespeichert ist. Dadurch, dass die Regenwälder viel Aufmerksamkeit bekommen und es internationale Kampagnen für ihren Schutz gibt, weichen Farmer zunehmend in diese Savannen aus.
Für die Rinderhaltung müssen viele Vegetationen weichen, wie hier im Gran Chaco in Bolivien.
Agrarlobby gegen den Gesetzesentwurf
Dennoch ist Sini Eräjää vorsichtig optimistisch, dass das Gesetz tatsächlich zum Schutz der Ökosysteme beitragen könnte: „Es gibt einige wichtige Anforderungen im Gesetzentwurf zur Nachhaltigkeit. Die Firmen müssen wissen, woher ihre Produkte kommen. Wenn das im Gesetz bleibt, wäre es ein guter Anfang, wenngleich mit Lücken. Werden die Anforderungen an die Nachhaltigkeit und die Kontrolle der Lieferketten aufgeweicht, was die Industrie gerade probiert, riskieren wir ein Gesetz, das Greenwashing betreibt.“
Beim internationalen Klimagipfel COP26 in Glasgow bekannten sich die Vertreter der Agrarkonzerne dazu, Ziele zum Schutz der Wälder unterstützen zu wollen. Doch anlässlich der Pläne der EU haben sich drei der größten Agrarverbände Europas mit hunderten Mitgliedern, Coceral, Fediol and Fefac, in einem Brief an die europäische Kommission gewandt. Sie wehren sich dagegen, dass die genauen Standorte der Farmen im Ausland nachverfolgt werden können und warnen davor, dass das Gesetzesvorhaben zu „höheren Preisen und Probleme bei der Verfügbarkeit“ von bestimmten Lebensmitteln führen würde. Die Europäische Kommission hingegen geht nicht davon aus, dass Produkte „deutlich teuer“ werden.
Tatsächlich steigen die Preise in den Supermärkten derzeit, was jedoch vor allem mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhängt. Dieser zeigt aber, wie verwundbar die weltweiten Lieferketten sind. Eine Umwandlung von Regenwäldern in Agrarland kann nur vorübergehend die Erträge steigern. Auf Dauer führt sie dazu, dass Böden austrocknen und Flächen für die Landwirtschaft unbrauchbar werden. Um die Lebensmittelversorgung langfristig zu sichern, sind Maßnahmen gegen die Zerstörung der Wälder und für nachhaltigere Formen der Landwirtschaft unausweichlich.
Das gilt auch innerhalb der EU, wo der Naturschutz jedoch nur schleppend vorankommt. Die Bundesregierung hatte sich 2007 vorgenommen, innerhalb von 13 Jahren den Anteil der Wildnis auf 2 Prozent anzuheben. Erreicht wurden gerade mal 0,6 Prozent. Größtenteils besteht Deutschland aus land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen und Siedlungsgebieten. Ein großer Teil der Wälder sind Fichten-Monokulturen, die wenig zur Biodiversität und dem Klimaschutz beitragen. So dringend der Schutz der Regenwälder erforderlich ist, so sehr werden auch hierzulande Umstellung in der Landwirtschaft und Ernährung nötig sein.