Bringt mich zu euren Alten
Roboter könnten schon in naher Zukunft alten Menschen helfen und Trost spenden – und den steigenden Bedarf nach Pflegepersonal decken.
Als Goldie Nejat 2005 mit der Entwicklung von Robotern begann, verbrachte sie viel Zeit mit Überzeugungsarbeit, um ihre Prototypen überhaupt vorführen zu dürfen. Den Akteuren der Gesundheitsvorsorge waren ihre Ideen noch suspekt: sozialassistive Roboter, programmiert auf die Interaktion mit Menschen. „Inzwischen hat sich das um 180 Grad gedreht“, sagt Nejat, die als Professorin für Maschinenbau an der Universität von Toronto in Kanada arbeitet. „Menschen aus der ganzen Welt rufen mich an, um zu fragen, wann mein Roboter einsatzbereit ist.“
Denn Nejats Roboter könnten dabei helfen, in der Altenpflege eine riesige Bedarfslücke zu schließen. Die Population der über 80-Jährigen dürfte sich weltweit von 143 Millionen im Jahr 2019 auf 426 Millionen bis zum Jahr 2050 verdreifachen. Und Roboterassistenten könnten besonders für Patienten mit Alzheimer oder Demenz nützlich sein: um an Medikamenteneinnahmen zu erinnern, gymnastische Übungen anzuleiten oder um die Senioren mit Bingo und Memoryspielen geistig aktiv zu halten.
Den französischen Fotografen Yves Gellie inspirierte das Potenzial der Roboter für die Altenpflege zu seinem 2019 veröffentlichten, preisgekrönten Film „Das Jahr des Roboters“. Er dokumentiert die Interaktionen zwischen Senioren und Sozialrobotern in französischen und belgischen Altenheimen. Im Film sieht man die Alten mit ihren Roboter gefährten Klavier spielen, tanzen und ihnen sogar unter Tränen Geheimnisse anvertrauen. Dadurch verleihen Gellie und sein Assistent Maxime Jacobs den Robotern menschliche Züge.
Nach der Fertigstellung seines Films startete Gellie ein ähnliches Fotoprojekt, in dem er einige Protagonisten nach ihrem Wunschszenario mit einem Roboter fragte. Was würden sie am liebsten mit ihnen tun? Die Bilder zu diesem Artikel demonstrieren die Interaktionen von Menschen und Robotern. Es geht um die Frage, inwieweit Menschen Beziehungen zu Maschinen aufbauen können.
Kritiker machen sich Sorgen, dass Roboter zwischen menschliche Beziehungen und Arbeitsplätze ersetzen. Doch das Ziel besteht darin, Menschen zu ergänzen und nicht zu verdrängen, betont Brian Scassellati. Der Leiter des Sozialrobotik-Labors der Universität Yale untersuchte den Einsatz von Robotern bei Patienten und fand heraus, dass die tägliche Interaktion mit Robotern Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) dabei helfen kann, Augenkontakt und soziale Fertigkeiten zu verbessern.
Je umfangreicher das Einsatzgebiet wird, umso interessanter wird die Dynamik zwischen Menschen und Robotern für die Wissenschaft. Sind Roboter im Vorteil, weil sie nicht urteilen? Ist ein Mangel an Emotionen hilfreich? Verlieren die Patienten irgendwann das Interesse? Ein Vorteil sei eindeutig, sagt Scassellati: Roboter bieten personalisierte, bedarfsgerechte Pflege – und die wird in Zukunft immer stärker nachgefragt sein.
Lesen Sie weitere Reportagen zum Thema "Schmerz" in Heft 1/2020 des National Geographic-Magazins!