Feuerwache im All: Satelliten spüren Waldbrände auf

Gerade in abgelegenen Regionen im Amazonas, Kanada oder Australien können Waldbrände oft erst nach einiger Zeit aufgespürt werden. Ein Münchner Start-Up will dies ändern.

Von Julia Graven
Veröffentlicht am 18. Mai 2022, 11:49 MESZ
Gerade in abgelegenen Regionen im Amazonas, Kanada oder Australien können Waldbrände oft erst nach einiger Zeit ...

Gerade in abgelegenen Regionen im Amazonas, Kanada oder Australien können Waldbrände oft erst nach einiger Zeit aufgespürt werden. Ein Münchner Start-Up will dies ändern.

Foto von pixabay.com

Three, two, one, ignition – and liftoff.“ Es ist ein strahlend schöner Morgen, als die SpaceX-Rakete vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral aus in den wolkenlosen Himmel startet. Auf der ganzen Welt verfolgen Weltraum-Enthusiasten die Liveübertragung. In seinem Büro in München fiebert Björn Stoffers mit Kollegen vom Start-up Ororatech mit. Fünf Jahre lang haben sie auf diesen Tag hingearbeitet. Um 17.33 Uhr deutscher Zeit heißt es aus dem Kontrollzentrum: „Ororatech separation confirmed.“ Die Trägerrakete hat den Satelliten von Ororatech erfolgreich in seine Umlaufbahn entlassen. Das Team in München jubelt, für die Gründer geht ein Traum in Erfüllung.

50 Prozent mehr Waldbränden bis Ende des Jahrhunderts

Für die Wälder der Erde soll es der Beginn einer Hilfsmission aus dem All sein. Denn schon bald wird der Satellit mit einer Wärmebildkamera Waldbrände überall auf dem Globus so frühzeitig entdecken und melden, dass sie möglichst wenig Schaden anrichten. Das wird immer wichtiger, denn mit dem Klimawandel steigt auch die Waldbrandgefahr. Die UN prognostizierte jüngst 50 Prozent mehr extreme Brände bis zum Ende des Jahrhunderts. Früher hielten Beobachtungsposten auf Wachtürmen Ausschau nach Flammenherden. Heute fliegen Waldhüter mit Flugzeugen oder Helikoptern über die Baumwipfel, Drohnen sind ebenfalls im Einsatz.

In zugänglichen Regionen werden schwenkbare Kameras auf Mobilfunkmasten oder ehemaligen Wachtürmen installiert. Doch das ist aufwendig und lohnt sich meist nur für kommerziell genutzte Wirtschaftswälder. „Man kann nicht den ganzen Amazonas mit Kameras ausstatten“, sagt Björn Stoffers. Schon länger liefern deshalb auch Erdbeobachtungssatelliten Informationen über Waldbrände auf der ganzen Welt. Doch für die Früherkennung in Echtzeit sind die Bilder aus 36000 Kilometer Entfernung zu ungenau. Der Ororatech-Satellit fliegt in nur 525 Kilometer Höhe, er kann Brände ab 100 Quadratmeter Größe entdecken und melden.

Der Nano-Satellit ist nur so groß wie ein Schuhkarton. Er ist so klein, weil die eigens entwickelte Infrarotkamera ohne die normalerweise nötige Kühlung auskommt. „Mit Kühlung wäre der Satellit deutlich größer, komplexer – und viel teurer“, erzählt Björn Stoffers. Neben der Kamera haben die Ingenieure einen Prozessor in den Satelliten integriert, der die Aufnahmen im All bearbeitet und seine Warnungen wie eine Art SMS an die Erde schickt. Das geht deutlich schneller als die bisher übliche Übertragung vieler Gigabyte an Rohdaten an eine Bodenstation.

In Australien haben in den letzten Jahren ungewöhnlich schwere Buschbrände gewütet wie hier in Tasmanien. Waldbesitzer hoffen nun auf die Satelliten-Technologie.

Foto von Matt Palmer / Unsplash.com

100 Satelliten sollen zukünftig jeden Brandherd erkennen

Noch wartet das junge Team in München auf die ersten Bilder vom Satelliten. Solange die eigene Hardware noch im Testbetrieb ist, nutzen die Brandbekämpfer 21 andere Datenquellen, um ihre Software zu füttern, von chinesischen über koreanische Satelliten bis zu den Sentinel-Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation ESA. In einem Jahr sollen aber schon acht eigene Schuhschachtel-Satelliten um die Erde kreisen. Langfristig will Ororatech mit rund 100 eigenen Satelliten arbeiten, die innerhalb von 30 Minuten jeden Brandherd auf der Erde erkennen und melden.

Erste Kunden gibt es bereits, zum Beispiel Waldbesitzer in Australien, die bei Bränden vor zwei Jahren ein Viertel ihrer Forste verloren haben. Auch im kanadischen Quebec und in Mosambik ist die Software im Einsatz. Im Manu-Nationalpark in Peru erhalten die Mitarbeiter automatisch generierte Nachrichten, die sie warnen, falls in den Hochlagen der Anden Feuer die spärliche Vegetation gefährden. Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt finanziert diese Anwendung und hofft, durch historische Branddaten auch die Feuerbekämpfung in der Zukunft zu verbessern. Waldbrände sind schließlich eine Gefahr für fast alle Schutzgebiete weltweit.

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