Von Wolkenjägern und Walsuchern: Die besten Forschungsbilder des Jahres
Forschende im Einsatz an den extremsten Orten der Erde – der Fotowettbewerb „Scientists At Work“ der Zeitschrift Nature zeigt 6 faszinierende Momentaufnahmen aus der Wissenschaft.

Auf der Suche nach Walen in Norwegen. Das Gewinnerbild ist nicht nur durch die kreischenden Möwen am Horizont ein echter Hingucker. Wer genau hinschaut, entdeckt sogar einen Wal.
Ob im kalifornischen Wald oder in der Antarktis: Wissenschaftler*innen sind auf der ganzen Welt unterwegs, um Feldforschung zu betreiben. Dabei sammeln sie Daten oder Proben vor Ort. Bei Außentemperaturen von -50 Grad Celsius oder stundenlangen Bergwanderungen ist das nicht immer einfach – oder angenehm. Aber doch jedes Mal faszinierend.
Das Forschungsmagazin Nature ruft Wissenschaftler*innen weltweit einmal im Jahr dazu auf, Bilder von ihrer Arbeit an den ungewöhnlichsten Orten der Erde einzureichen. Dieses Jahr erreichten den Wettbewerb „Scientists At Work“ über 200 Einsendungen. Das Gewinnerbild sowie fünf weitere spektakuläre Aufnahmen hat die Jury des Magazins nun vorgestellt.
Auf Froschsuche in Kalifornien

Erfolgreiche Suche: Umweltwissenschaftlerin Kate Belleville entlässt winzige Frösche in die Wildnis des Lassen National Forest in Kalifornien.
Sie suchen winzig kleine Frösche, um sie vor einem tödlichen Pilz zu retten: Umweltwissenschaftlerin Kate Belleville, Doktorand Ryan Wagner von der Washington State University Vancouver (WSUV) und ein Team aus Biolog*innen und Freiwilligen wandern für ihre Feldforschung kilometerweit durch den Lassen National Forest im Norden Kaliforniens. Stundenlang suchen sie nach einer Gruppe junger Frösche, um sie in einer antimykotischen Lösung zu baden. Diese soll den Chytridpilz (Batrachochytrium dendrobatidis) abtöten – einen Erreger, der für weltweites Amphibiensterben verantwortlich ist.
Die Tiere sind leicht zu übersehen. „Wenn man nicht gezielt nach Fröschen sucht, könnte man denken, dass da nur eine Grille wegspringt“, sagt Wagner. Wenn die Wissenschaftler*innen die Tiere gefunden und gebadet haben, markieren sie sie mit verschiedenen Farbstoffen, die unter UV-Licht leuchten. So können sie die behandelten Frösche wiedererkennen. Anschließend entlassen sie die Tiere wieder in die Wildnis. Das Bild, das Wagner von Belleville im September 2024 aufnahm, zeigt diesen Moment. Es ist bereits das zweite Scientist at Work-Foto von Ryan Wagner, das eine Auszeichnung erhielt.
Eisige Polartage auf Spitzbergen

Eisige Polarnacht? Nicht ganz: Auf dieser Aufnahme ist gerade Tag.
Auch wenn es nicht so aussieht: Dieses Bild wurde am Tag aufgenommen. In Svalbard, auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen, wo dieses Foto im Dezember 2020 entstand, bleibt die Sonne in den Wintermonaten mindestens 6 Grad unter dem Horizont. Die Aufnahme, die die freiberufliche Forschungstechnikerin Dagmara Wojtanowicz gemacht hat, zeigt den Geobiologen James Bradley und die Mikrobiologin Catherine Larose beim Eiskernbohren. Mithilfe dieser wollen die Forschenden untersuchen, wie sich Mikroben und andere Lebensformen im Eis an die Widrigkeiten der eisigen und dunklen Polarnächte anpassen und so an diesem lebensfeindlichen Ort überleben können.
Wolkenjäger bei der Arbeit

Ein wolkenverhangener Berggipfel in Griechenland. Was für Wandernde eine Enttäuschung wäre, ist für die Forschenden der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) ein Grund zur Freude.
Ein ganz normaler Morgen im Leben von Lionel Favre: Noch vor Sonnenaufgang wandert der Forschungstechniker mit seinen Kolleg*innen von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) auf den wolkenverhangenen Gipfel des griechischen Bergs Helmos. Im Schlepptau einen riesigen Wetterballon, der Messinstrumente in die Luft heben soll. Fast einen Monat lang haben die Forschenden auf diesen Moment gewartet. Sie wollen die Wolkenbildung über dem europäischen Kontinent erforschen – doch bisher hat es keine Wolken gegeben. Nun muss es schnell gehen: Das Team eilt auf den Berg und verbringt 15 Stunden in Nebel gehüllt mit seinen Messungen. Kurz vor dem Abstieg ins Tal macht Favre dieses Foto von seinem Postdoc-Kollegen Michael Lonardi. So sehen erfolgreiche Wolkenjäger aus.
Feierabend unterm Sternenhimmel

Ein Schlafplatz im Nirgendwo: Dort, wo Wirtschaftsgeologe Hao-Cheng Yu arbeitet, gibt es nur endlose Weite und in manchen Nächten einen klaren Sternenhimmel.
Wirtschaftgeologe Hao-Cheng Yu von der China University of Geosciences in Peking (CUGB) betritt nach Feierabend seine Schlafkabine auf einem Acker in Ostsibirien. Gemeinsam mit seiner Kollegin Jiayi Wang, die das Foto aufgenommen hat, erstellt Yu geologische Profile von Gebieten mit Goldvorkommen. Für ihre Arbeit sind die Forschenden oft mehrere Jahre lang in abgelegenen, unzugänglichen Regionen unterwegs. „Dafür braucht man nicht nur fundierte Laborkenntnisse, sondern auch Fähigkeiten zum Überleben in der Wildnis“, sagt Wang.
Häufig ist es bitterkalt und es gibt kein Netz. „Das Einzige, was man tun kann, ist, sich die Steine anzuschauen“, sagt Wang. Oder den Sternenhimmel – in klaren Nächten wie auf dem Foto.
Abenteuerliche Forschung in der Antarktis

Zwei Wissenschaftler vor dem South Pole Telescope (SPT) an der Amundsen-Scott-Südpolstation in der Antarktis. Im Hintergrund: Aurora Australis, die Polarlichter des Südens.
Amundsen-Scott-Südpolstation, Antarktis. Draußen herrschen Temperaturen zwischen -50 und -70 Grad Celsius. Eigentlich ist es viel zu kalt, um sich lange im Freien aufzuhalten. Doch Aman Chokshi und sein Kollege Allen Foster, beide zum damaligen Zeitpunkt Doktoranden und ‚Überwinterungswissenschaftler‘ auf der Südpolstation, trotzen der Kälte: Sie legen jeden Tag einen kilometerlangen Weg zurück, um die Schüssel des South Pole Telescope (SPT) vom Schnee zu befreien. Manchmal sehen sie dabei auch etwas Magisches: Aurora Australis, die Polarlichter des Südens.
Foster und Chokshi, der das Bild geschossen hat, sind zwei von 44 Personen auf der Station, die an diesem unwirtlichen Ort zum frühen Universum forschen. Nicht nur die Kälte, sondern auch die beinahe null Prozent Luftfeuchtigkeit machen die Antarktis zu einer Herausforderung: Man verliert dort seinen Geruchssinn. So hat sich ein Ritual bei der Rückkehr der Forschenden nach Neuseeland etabliert: „Am ersten Tag zurück gehen wir alle in den botanischen Garten, um einfach etwas Grünes zu sehen und an ein paar Dingen zu riechen“, erzählt Chokshi.
Auf Tuchfühlung mit Walen in Norwegen

Das Gewinnerbild aus Norwegen: Kreischende Möwen kreisen über dem Boot von Biologe Audun Rikardsen, der auf dem Weg zur Walbeobachtung ist.
Im Morgengrauen eines kalten Novembertags machen sich der Biologe Audun Rikardsen und seine Doktorandin Emma Vogel in einem norwegischen Fjord mit einem Boot auf den Weg. Ihre Aufgabe ist es, Fischerbooten zu folgen. Dahin, wo es Hering gibt. Denn dort sind auch Schwertwale (Orcinus orca) und Buckelwale (Megaptera novaeangliae) nicht weit. Und die suchen Rikardsen und Vogel. Sie betreiben Feldforschung zu den Tieren, sammeln Daten und führen manchmal sogar Biopsien durch, um ihren Gesundheitszustand zu kontrollieren. Dabei kommen sie den Tieren sehr nah. „Man kann ihren Atem riechen“, sagt Vogel. „Und man hört sie, bevor man sie sieht – das ist immer wieder beeindruckend.“
Das Foto, das Rikardsen an besagtem Novembermorgen zeigt, machte Vogel im Jahr 2020 während ihrer Promotion an der Universität Tromsø. Es fängt einen seltenen Moment der Stille in ihrer ansonsten recht chaotischen Arbeit ein. Und wer genau hinschaut, erkennt durch das Metallgeländer hinter Rikardsen sogar einen auftauchenden Schwertwal. Mit ihrem Bild belegte Vogel den 1. Platz des Wettbewerbs.
