Wie findet man seinen eigenen Weg? Ein Ex-Mönch gibt Rat

Jay Shetty hilft Menschen dabei, den Dingen nachzugehen, die sie wirklich bewegen.

Von Christina Nunez
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:39 MEZ
Jay Shetty kehrte der Businesswelt nach seinem Abschluss an der Wirtschaftsschule den Rücken. Jetzt hilft er Menschen dabei zu begreifen, was für sie selbst wirklich von Bedeutung ist.
Foto von Jay Shetty

Als er gerade frisch von der Wirtschaftshochschule gekommen war, wandte sich Jay Shetty von der Welt der Anzüge und Büros ab, rasierte seinen Kopf und wurde ein Mönch. Der gebürtige Londoner reiste drei Jahre lang durch Indien, England und Europa. Auf seinen Reisen sammelte er Wissen, meditierte, unterrichtete und stellte Projekte auf die Beine, um hilfsbedürftige Menschen mit Nahrung und Unterkunft zu versorgen.

Dann gab er eine Berufung für eine andere auf, hing seine Robe an den Nagel und kehrte als Sprecher und Trainer in die Unternehmenswelt zurück. Mit National Geographic sprach er darüber, wie er seiner eigenen Leidenschaft folgte, um andere zu inspirieren, und was wir seiner Meinung nach verlernen müssen, um den Weg zu unserem besten Selbst freizumachen.

Erzählen Sie uns von Ihren frühen Tagen als Mönch. Was hat Sie auf diesen Weg geführt?

In der Wirtschaftsschule lief es ziemlich gut für mich und ich hatte ein paar Angebote von einigen wirklich tollen Firmen. Aber als ich die Welt bereist habe, war ich schockiert davon, wie viel Schmerzen, Mühen und Leid die Menschen auf sich nehmen mussten, nur um das Nötigste zu haben. Ich erinnere mich an ein Erlebnis in Indien, als ich gesehen habe, wie Menschen sich mühten, am Boden einer Mülltonne etwas Essbares zu finden. Und dann ging ich in mein Hotel und sah Menschen, die darüber stritten, dass die Qualität des Essens am Buffet nicht gut genug war.

Zur selben Zeit sprach dieser Mönch [Gauranga Das] an meiner Wirtschaftsschule. Er war auf eine Art inspirierend, wie es kein Firmenchef war. Er sprach darüber, wie man selbstlos das opfert, was einem selbst zur Verfügung steht, um anderen zu helfen. Das wurde für mich ein sehr attraktives Konzept. Ich dachte mir, dass ich etwas Sinnvolles mit meinem Leben machen will.

Und warum sind Sie drei Jahre später wieder gegangen?

Ich hatte das Gefühl, wenn ich bleiben würde, könnte ich der Berufung nicht nachkommen, das, was ich gelernt hatte, auf überzeugende Weise mit der Welt, aus der ich gekommen bin, zu teilen.

Ich hatte das Gefühl, dass ich mich von der Liebe meines Lebens scheiden lasse. Ich hatte diesen Weg gewählt, weil ich seinen Wert sah. Aber es war wahrscheinlich die schwerste Entscheidung, die ich je getroffen habe.

Wie verlief der Übergang? Was taten Sie als nächstes?

Ich bin wieder bei meinen Eltern eingezogen, weil ich praktisch einen Karrieresuizid begangen hatte. Ich hatte Angebote bekannter Unternehmen ausgeschlagen und hatte für die letzten drei Jahre nichts auf meinem Lebenslauf stehen. Ich habe damit angefangen, Unternehmen alte Weisheiten beizubringen, von denen ich glaubte, dass sie ihre Organisationsprozesse beschleunigen könnten.

Ich erinnere mich, dass ich viel Zeit damit verbracht habe, jedes Buch und jeden Artikel darüber zu lesen, was in der Welt passierte. Als Mönch habe ich unterrichtet und war in Kontakt mit der Öffentlichkeit. Es ist also nicht so, dass ich in der echten Welt nicht tätig war. Aber wenn man das nicht ist, verliert man diese Verbindung definitiv. Ich fand, wenn ich das, was ich gelernt hatte, bedeutungsvoll machen wollte, dann würde ich den Kontext verstehen müssen, in dem ich es bedeutungsvoll machen will. Innerlich war es also ein nahtloser Übergang, aber äußerlich war es das ganz und gar nicht.

Ich bin ein Geek, was Verhaltenswissenschaften angeht. Viel von dem, was ich [zu Beginn in Vorträgen] geteilt habe, war auch in der Wissenschaft und Forschung von heute verankert. Ich mache alte Weisheiten durch moderne Forschung und Wissenschaft aktuell.

Was ist jetzt Ihre Mission?

Lebensverändernde Weisheiten auf eine Art zu teilen, die Leute unterhaltsam finden, die aktiv, dynamisch und innovativ ist. Man sitzt da nicht rum und hört einem Schulvortrag zu. Ich will auch eine Bewegung ins Rollen bringen, bei der man verlernt, was die Welt uns beigebracht hat, was Familien und die Schule uns gelehrt haben und was wir von unserem Umfeld aufgeschnappt haben. Das soll [den Menschen] ermöglichen, sich wieder ihrer eigenen Interessen, Bedürfnisse und Belange bewusst zu werden. Man muss sich von dem abkoppeln, was „Sinn macht“, und verstehen, was einen tatsächlich bewegt und innerlich Sinn ergibt.

Was denken Sie, was müssen die Menschen verlernen, das wie eine Blockade wirkt?

Ich denke, es ist nichts Neues, das wir in einer Gesellschaft leben, in der wir auf der Jagd nach vorgegebenen Arten des Erfolgs sind, die wir aber nicht vollständig akzeptieren. Es geht eigentlich darum, Erfolg neu zu definieren, ebenso wie das, was uns als Individuen auf unserer eigenen Reise etwas bedeutet. Daran müssen wir fortwährend erinnert werden. Aristoteles sprach schon vor 2.000 Jahren über Glück. Jeder Bereich unseres Lebens wurde zerrissen und mit Innovationen neu erfunden, mit Ausnahme des persönlichen Wachstums und der Selbsterkenntnis.

Als junge Menschen sind wir zwei Dingen nicht genügend ausgesetzt: einer großen Bandbreite an Vorbildern und einem vielfältigen Spektrum an Erfahrungen. Das sind die zwei Dinge, die das Leben von Menschen verändern. Ich versuche, mit einer Online-Plattform eine Welt zu schaffen, in der wir viel mehr Vorbilder finden und viel mehr Erfahrungen erleben können, um die Art und Weise zu bereichern, auf die wir denken und Zusammenhänge herstellen. Wenn ich eine neue Idee habe, dann will die Meinung von Mark Zuckerberg dazu ebenso wissen wie die des Dalai Lama. Heutzutage konzentrieren wir uns auf extreme Möglichkeiten, um Probleme zu lösen. Wir versuchen es mit Hilfe von Technologie allein oder durch Bewusstsein und Spiritualität allein. Die Lösung besteht aus beidem gemeinsam. Keines davon ist für sich allein gut genug.

Was würden Sie jemandem raten, der darüber nachdenkt, seinen eigenen Weg zu gehen und mit dem Status Quo zu brechen?

Ich mag den Titel CHASING GENIUS (dt. etwa Auf der Jagd nach der Genialität), eine Initiative von National Geographic), denn meiner Meinung nach ist es das, was Genialität ist. Es ist kein Ziel oder Plateau. Wenn man sich immer weiterbewegt, um auf die Welt um sich herum einzuwirken, dann ist das etwas, nach dem man immer auf der Jagd sein wird. Es wird einem nie langweilig, man wird nie müde, es werden einem nie die Ideen oder die Gelegenheiten ausgehen. Für mich geht es darum, seine Leidenschaft mit dem Prozess zu verbinden. Die Welt wird ein unglaublicher Ort sein, an dem jeder weiß, wie er seine Leidenschaft in den Dienst anderer Menschen stellen kann. So werden wir alle einen Einfluss auf die Menschen um uns herum haben.

Das Interview wurde zugunsten von Länge und Deutlichkeit redigiert.

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