So klingt der deutsche Wald

Instrumente aus Tropenholz? Muss nicht sein: Ein Materialwissenschaftler hat einen Weg gefunden, um die Klangeigenschaften von heimischen Hölzern zu verbessern.

Von Marlene Göring
Veröffentlicht am 18. Dez. 2017, 09:59 MEZ
Gitarre
Eine Gitarre aus heimischem Holz vom Hersteller Bestacoustics.
Foto von Thomas Stolcis

Alexander Pfriem blickt auf den Gitarrenkoffer, als ob er sich kurz sammeln müsste. Dann lässt er mit schmalen Händen die Verschlüsse aufschnappen. Ein Hauch Sägewerk und Malz strömt ihm entgegen. In blauem Samt liegt sie gebettet: die nagelneue La Mancha. Pfriem, 40, ist der Vater dieser Konzertgitarre. Er hat ihr den Klang geschenkt: rund und klar. Pfriem lächelt ein Reinhard-Mey-Lächeln, sanft und ein bisschen ironisch. Er kann keinen Ton auf seiner Gitarre spielen. „Ich bin sogar mit der Triangel aus dem Kinderorchester geflogen“, scherzt er.

Heute ist Pfriem Professor für Chemie und Physik des Holzes an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde.
 Er wollte herausfinden,
wie man die Klangeigen
schaften von heimischen
 Hölzern verbessern kann.

Sein Meisterstück un
terscheidet etwas Wesent
liches von den meisten Gitarren: Statt aus Palisander oder Ebenholz besteht es aus Erle oder Birne – Material, das normalerweise niemand für den Instrumentenbau verwendet. Weil die begehrten Tropenhölzer seit Jahrhunderten den Maßstab setzen, wie Gitarre, Fagott, Geige zu klingen haben. Daran hat sich nichts geändert, auch wenn alle zwei Minuten 35 Fußballfelder Regenwald verschwinden und mit ihnen die Arten, die darin leben.

„Man kann aus schlechtem Material kein gutes machen, nur gutes besser“, sagt Pfriem. Sein Verfahren ist dasselbe, mit dem auch Thermoholzdielen hergestellt werden: Das Holz wird bei hoher Temperatur langsam getrocknet. Das baut die Hemicellulose ab, das Verbindungsglied zwischen den beiden anderen Grundbausteinen Lignin und Cellulose. Das Holz wird wetterbeständig. Und es wird leichter, klingt dunkler.

Es wird aber auch spröde. „Ein Riss in einem Instrument bedeutet Totalverlust“, sagt Pfriem. Der Materialwissenschaftler musste den Prozess anpassen. 

Ein starkes Team: Gunther Reinhardt (l.) von Bestacoustics und Materialwissenschaftler Alexander Pfriem (r.) stellen auf der Musikmesse in Frankfurt Gitarren vor, die ganz ohne Tropenholz auskommen.
Foto von Thomas Stolcis

In der Werkhalle der Hochschule steht der silberne Kessel, mit dem Pfriem experimentiert hat: mit Trockenzeiten und Temperaturen, im Vakuum und in Stickstoff. Die Proben klopften er und sein Team mit einem Messhammer ab. Sie verglichen immer wieder Schallgeschwindigkeit, Elastizität und Dämpfung mit denen der Tropenhölzer. So detailversessen wie ein Geigenbauer, nur nicht mit dem Ohr, sondern mit Sensor und Diagrammen am PC. Allein zwei Jahre hat es gedauert, bis das Verfahren für die Gitarrendecke optimal war.

Erfolgreich ist das Projekt auch, weil Pfriem mit Gunther Reinhardt und dessen Firma Bestacoustics in Schwaben zusammenarbeitet. Noch in diesem Jahr kommt das erste Modell auf den Markt. Bei der Frankfurter Musikmesse standen die Händler Schlange. Dabei ist das Instrument – die massive Variante für unter tausend Euro – nicht billiger als vergleichbare aus Tropenholz. Doch die Gitarre kommt zur richtigen Zeit: Seit Anfang des Jahres gelten für den Handel mit Instrumenten aus Palisander scharfe Auflagen.


Ist Thermoholz die Alternative? „Man darf den Kunden keine Wunder versprechen“, sagt Pfriem. Er und Reinhardt wollen das Sortiment jedenfalls erweitern. Und wäre es nicht schön, wenn man bald im Musikladen hören würde: Tropenholz? Ich hab da was anderes.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 12/2017 des National Geographic Magazins. Jetzt ein Magazin-Abo abschließen!

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