Die letzten Stimmen des Zweiten Weltkriegs: Eugene Polinsky

Zwischen 1944 und 1945 setzten die „Carpetbaggers“ mehr als 500 Spione und etwa 4500 Tonnen Material über feindlichem Gebiet ab.

Von Katie Sanders
Veröffentlicht am 30. Juli 2020, 09:53 MESZ
EUGENE POLINSKY. Amerikanischer Navigator.

„Das Wichtigste bei unserer Operation war, nicht bemerkt zu wer­den“, sagt der hochde­korierte ...

EUGENE POLINSKY. Amerikanischer Navigator.

„Das Wichtigste bei unserer Operation war, nicht bemerkt zu wer­den“, sagt der hochde­korierte Flieger Eugene Polinsky. Er brachte für den Geheimdienst OSS, Vorläufer der CIA, Spione und Material hinter die Feindes­linien. Polinsky ist heute der letzte Überlebende seiner Mannschaft.

Foto von National Geographic

Wenn Eugene Polinsky geheime Einsätze über den von Deutschland besetzten Ländern Belgien, Frankreich und Norwegen flog, warf er keine Bomben ab. Stattdessen ließ seine acht Mann starke Mannschaft in der „Operation Carpetbagger“ alliierte Agenten abspringen und warf Waffen, Motorräder, Bargeld sowie andere lebenswichtige Vorräte für Widerstandskämpfer ab. „Ich wusste damals nicht, was ich da genau transportierte“, so Polinsky, der spätere Dramatiker, Schauspieler und Produzent, heute mit 99. „Andernfalls hätte ich panische Angst bekommen!“

Die „Carpetbaggers“ waren die Luftwaffen- abteilung des Office of Strategic Services (OSS). Dieser US-Nachrichtendienst war für Spionage- und Sabotageoperationen zuständig. Zwischen 1944 und 1945 ließ die Einheit mehr als 500 Agenten abspringen und warf etwa 4500 Tonnen an Nachschub über feindlichem Gebiet ab. „Sie haben uns gesagt: ‚Wenn ihr abgeschossen werdet, erschießen euch die Deutschen als Spione‘“, erinnert sich Polinsky. „,Also lasst euch nicht abschießen.‘ – Super Ratschlag!“

Polinsky wurde 1920 als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer in Manhattan geboren. Als er mit der Eighth Air Force zum Dienst in England eintraf, wurde seine Mannschaft abgespeckten B-24 Liberators zugeteilt, schweren Bombern, die für den Nachteinsatz schwarz gestrichen waren. Die Bombenschächte wurden mit Vorratscontainern beladen. Kurz vor dem Start schlüpften manchmal Agenten an Bord.

Navigator Polinsky quetschte sich auf einen Maschinengewehrkasten nahe der Nase des eiskalten Flugzeugs und lotste den Piloten zum Ziel. Dort gingen sie auf unter 100 Meter herunter. Kamen die vereinbarten Signallichter inSicht, warfen sie die Fallschirme mit der Ladung ab. 

42 Carpetbagger-Maschinen kehrten nicht zurück. Mehr als 200 von Polinskys Fliegerkameraden blieben vermisst, wurden gefangen genommen oder getötet. „Als Ersatz kamen die 18- und 19-Jährigen“, erinnert sich Polinsky. „Mit 23 galt man dort schon als alter Mann. Angst durften wir nicht zulassen, die hätte uns zerstört. Man musste einfach weitermachen.“

Im August 1944, nach einem erfolgreichen Abwurf über Belgien, kehrte Polinskys Mannschaft von ihrem 35. Einsatz zurück – die magische Zahl für eine Fahrkarte nach Hause. Ihr letzter Befehl lautete: „Alles vergessen.“ Und das taten sie viele Jahre lang.

2001 kam plötzlich eine Einladung nach Belgien, wo ein neues Buch über eine alliierte Operation zur Befreiung des Hafens von Antwerpen 1944 vorgestellt werden sollte. Der Veteran flog hin, nicht ahnend, dass er dabei eine wichtige Rolle gespielt hatte. Bis sein Gastgeber, der damalige Anführer des belgischen

Widerstands, ihm die ganze Geschichte erzählte. „Wir waren Freunde in all diesen Jahren“, sagte er. „Du oben in der Luft, und ich unten am Boden.“

„Dein ganzes Leben lang willst du etwas Bedeutendes tun“, resümiert Polinsky. „Um dann herauszufinden, dass du das schon geschafft hast, als du noch fast ein Kind warst und es gar nicht wusstest, also – das ist wirklich ein seltsames Gefühl.“

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