Das Rätsel um die Knochen des Heiligen Valentin

Am Valentinstag strömen Besucher von Italien bis Irland in Kirchen, in denen die sterblichen Überreste des Schutzheiligen der Liebenden ruhen sollen. Doch wo wurde St. Valentin wirklich begraben?

Von Ronan O’Connell
Veröffentlicht am 11. Feb. 2022, 16:38 MEZ
Vater des Valentinstags: Um den katholischen Märtyrer St. Valentin, der an einem 14. Februar hingerichtet worden ...

Vater des Valentinstags: Um den katholischen Märtyrer St. Valentin, der an einem 14. Februar hingerichtet worden sein soll, ranken viele Legenden und Rätsel. Sein Schädel wird angeblich in der Basilica di Santa Maria in Cosmedin in Rom verwahrt.

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Wenn Verliebte sich am 14. Februar mit Pralinen, roten Rosen und Liebesbriefen überraschen, ist vermutlich den wenigsten von ihnen bewusst, dass der rosarote Feiertag auch eine dunkle Seite hat. Ihm zugrunde liegt die rätselhafte und blutige Geschichte einer Enthauptung. Der Valentinstag ist deswegen nach dem katholischen Heiligen Valentin benannt, weil dieser an diesem Tag im Jahr 268 den Märtyrertod starb. Hingerichtet wurde er, weil er sich über ein damals in Rom geltendes Verbot hinwegsetzte, und weiterhin Paare christlich traute.

Ein Toter, zwölf Kirchen

Verschiedene Kirchen in unterschiedlichen Ländern Europas behaupten heute, Teile seines Körpers zu verwahren: Sein Herz soll sich in Dublin befinden, sein Schädel in Rom, ein Schulterknochen in Prag, und sowohl ein Kloster in Glasgow als auch eine Kirche in Madrid behaupten, das Skelett von St. Valentin zu verwahren: Ersteres in einer goldenen Kiste, Letztere unter Glas. Insgesamt geben zwölf Kirchen in allen Ecken Europas an, sterbliche Überreste des Heiligen zu besitzen.

Besucherinnen beten in der Whitefriars Kirche in Dublin vor einem Schrein, in dem angeblich sterbliche Überreste von St. Valentin aufbewahrt werden.

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Wo seine Knochen sich wirklich befinden ist jedoch nicht klar – eine Tatsache, die die rätselhafte Aura, die St. Valentin umgibt, nur noch verstärkt. Seine Geschichte ist so undurchsichtig, dass er aufgrund von fehlenden Informationen über sein Leben 1969 aus dem Allgemeinen Römischen Kalender – dem liturgischen Almanach, der die Daten von Heiligenfeiern festlegt – gestrichen wurde. Obwohl er ein anerkannter Heiliger war.

Wer war der Heilige Valentin?

In seiner Legende vermischen sich wahrscheinlich die Lebensgeschichten verschiedener italienischer Heiliger mit dem Namen Valentin. Laut Lisa Bitel, Professorin für Religion und Geschichte an der University of Southern California in Los Angeles, zeigen historische Texte, dass im 3. Jahrhundert an einem 14. Februar drei Heilige namens Valentini starben. Über keinen von ihnen weiß man viel.

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    Dieser Stich aus dem 19. Jahrhundert zeigt den katholische Märtyrer St. Valentin aus dem 3. Jahrhundert.

     

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    Einer der Valentine kam in Afrika ums Leben, der zweite war Priester, der dritte Bischof von Terni. Die letzten beiden sollen im Auftrag des römischen Kaisers Claudius Gothicus enthauptet worden sein, was jedoch ziemlich unwahrscheinlich ist. Lisa Bitel zufolge ist anzunehmen, dass es nur eine Enthauptung gegeben hat, die in verschiedene Legenden einfloss. Es gebe zudem keine Beweise dafür, dass einer dieser Heiligen sich in Sachen Liebe besonders hervorgetan hätte. Der 14. Februar war zunächst ein gewöhnliches religiöses Fest anlässlich der Hinrichtung eines heiligen Valentins.

    Laut Henry Kelly, Historiker und Theologe an der University of California, war der britische Autor Geoffrey Chaucer der Erste, der tausend Jahre später den Valentinstag als Fest der Liebe erwähnte. Damit sei Chaucer im Grunde der Begründer des Valentinstages, wie wir ihn heute kennen, und die vielen Geschichten, die sich um den Heiligen Valentin ranken, lediglich fiktiv.

    Die Kirche San Anton in Madrid, Spanien, ist einer von mehreren Orten, an denen die Überreste von St. Valentine ausgestellt sein sollen. Knochen und Schädel, die hier zu sehen sind, wurden Ende des 18. Jahrhunderts in römischen Katakomben entdeckt.

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    In Anbetracht all dieser Unsicherheiten ist es einleuchtend, dass so viele verschiedene Orte in Europa für sich beanspruchen, die letzte Ruhestätte des Heiligen zu sein. Darüber hinaus profitierten die Kirchen deutlich von einer konkreten Verbindung zu St. Valentin, so Lisa Bitel. „Je bekannter der Heilige, desto mehr Pilger kommen, um sie oder ihn zu verehren“, erklärt sie. „Die Hagiographie so umzuschreiben, dass sie die Anwesenheit eines Heiligen an einem bestimmten Ort einbezieht, ist einfach.“

    Obwohl es logischerweise unmöglich sei, dass all diese Kirchen tatsächlich die Überreste von St. Valentin verwahren, herrscht laut Lisa Bitel zwischen den verschiedenen Institutionen keine Feindschaft und kein Wettbewerb. Die römisch-katholische Kirche schweigt zu dem Thema.

    Der Fall von Valentin bleibt ein Rätsel

    Die Überreste von St. Valentin scheinen jedoch inzwischen an Anziehungskraft verloren zu haben. In Rom stehen zwar jeden Tag Touristen vor der Basilica di Santa Maria in Cosmedin an, in der sich in einer vergoldeten Schachtel der Schädel von St. Valentin befinden soll. Doch sie haben entweder kein Interesse oder keine Kenntnis von dieser Reliquie. Sie sind hier, um ihre Finger in einen alten, wenn auch berühmten Kanaldeckel zu stecken, der „Mund der Wahrheit“ genannt wird.

    In Glasgow unterdessen verabreden sich schottische Paare am 14. Februar zum Date bei den Überresten von Valentin. Die Gebeine des Märtyrers kamen in den späten 1870er Jahren in die düstere Hafenstadt, so Pater George Smulski von den Glasgower Kirchen Duns Scotus Friary. Sie wurden von einer wohlhabenden französischen katholischen Familie gespendet und befinden sich jetzt in einem kunstvollen Reliquienschrein hinter Glas im Atriumeingang des Klosters. „Jedes Jahr am Valentinstag kommen Besucher – hauptsächlich Paare – um den Schrein zu sehen“, sagt Smulski.

    Pater John McGrath von der Kirche Blessed John Duns Scotus in Glasgow, Schottland, zündet eine Kerze neben einem mit Messing umwickelten Sarg an. Er enthält angeblich die Überreste von St. Valentin.

    Foto von Jeff J. Mitchell UK, Reuters/Alamy Stock Photo

    Westlich von hier, jenseits der rauen Irischen See, muss Valentin mit einem ebenso berühmten Heiligen um Aufmerksamkeit konkurrieren: Eine der Hauptattraktionen Dublins ist die majestätische Kathedrale, die nach Irlands Schutzpatron St. Patrick benannt ist und das ganze Jahr über stark besucht wird.

    Unweit von hier, in der eher unscheinbaren Whitefriar Street Church, ruht St. Valentine vergleichsweise in Anonymität. Unter einer großen Statue des Heiligen liegt eine Holzkiste, in der sein Herz liegen soll. 1836 wurde es in „feierlicher Prozession“ aus Rom hierher gebracht, wie es auf einem Schild im Inneren der Kirche heißt.

    Gesegnete Ringe

    Dublins Reiseleiter Alan Byrne, der einen Abschluss in Geschichte hat und seine Doktorarbeit über die katholische Kirche geschrieben hat, sagt, dass die Überreste von Valentin unter den Einheimischen bekannt sind, auf den Touristenrouten der Stadt aber nicht vorkommen. Der Valentinstag sei der einzige Tag, an dem die Reliquien viele Besucher empfangen. „Die Leute schreiben Liebesbotschaften und hinterlassen sie am Schrein“, sagt Byrne. „Frisch verlobte Paare lassen dort oft an diesem Tag ihre Ringe segnen; gelegentlich gibt es auch Heiratsanträge.“

    Dennoch sind andere Orte am Valentinstag deutlich beliebter für frisch Verliebte in Dublin: Orte, wo man schöne Bilder machen kann. „Vielleicht braucht St. Valentine einen Instagram-Account, um mehr Besucher in diese Kirche zu locken“, scherzt Byrne. Leider sind alte Knochen nicht sonderlich fotogen.

    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht. 

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