Mord unter Wittelsbachern: Das grausame Schicksal der Agnes Bernauer

Herzog Ernst von Bayern war mit der Verbindung seines Sohnes nicht einverstanden und ließ dessen Geliebte – oder gar Ehefrau – im Oktober 1435 ermorden. Das Schicksal der Agnes Bernauer lebt in Kunst und Literatur bis heute fort.

Von Ralph Kreuzer
Veröffentlicht am 31. Jan. 2024, 14:12 MEZ
Skulptur von Agnes Bernauer und Herzog Albrecht III.

Skulptur von Agnes Bernauer und Herzog Albrecht III. auf Schloss Blutenburg in München.

Foto von Mummelgrummel

Die Hölle ist ja immer gleich nebenan. Für Agnes Bernauer war es wie mit einer Drehtür: Sie blickte in einer Richtung verliebt in die Zukunft, konnte ihr Glück kaum fassen, von der Baderstochter zur Frau eines Herzogs – und schwupps, drehte sich die Tür weiter, und die Unglückliche blickte ertrinkend ihrem Henker ins Angesicht. In Bayern ist diese Geschichte heute noch bekannt. Agnes Bernauer kam um 1410 auf die Welt und war die Tochter des Augsburger Baders Kaspar Bernauer. Die Betreiber von Badestuben galten als „Ärzte der kleinen Leute“, denn sie besorgten neben der Körperpflege auch die Versorgung kleinerer Wunden, sie schröpften ihre Patienten und ließen sie zur Ader. Bader waren einerseits hoch angesehen, andererseits aber kamen sie ständig in Berührung mit Kranken und Gebrechlichen, auch waren ihre Stuben gelegentlich Orte der Prostitution. Eigentlich undenkbar, dass die Tochter aus einem solchen Hause eine ernsthafte Verbindung mit einem bayerischen Regentenspross eingehen könnte. Aber eben nicht unmöglich.

Vermutlich wurde Albrecht III., Sohn des Herzogs Ernst von Bayern-München, 1428 bei einem ritterlichen Turnier in Augsburg auf Agnes aufmerksam. Und noch im selben Jahr tauchte auf einer Steuerliste seines Münchener Hofstaats eine „pernawin“ auf, bei der es sich wahrscheinlich um die Bernauerin handelte. Das roch verdächtig nach einer Amour fou. Eine öffentlich gelebte Liebe über alle sozialen Grenzen hinweg, das war in jener Zeit ein wirklich heißes Eisen. Und Agnes wusste in den folgenden Jahren am Hof eine prägende Rolle einzunehmen. Erstaunlich ihr Selbstbewusstsein, dass sie sogar die Festnahme eines Raubritters zu ihrer Sache machte, eines gewissen Münnhauser, ein übler Schurke niederen Adels, der sich in der Alten Veste zu München verschanzte.

​Albrecht und Agnes: Eine rechtmäßige Ehe?

Klandestine Heirat? Eine Kammerrechnung, in der dieser Vorfall erwähnt wird, gilt als erstes authentisches Schriftstück mit dem Namen der Agnes Bernauer, „do der Münnhawser in die alten vesten entrann und do die Bernawerin gar zornig darumb was worden“. Das war im Jahr 1432, und es ist gut möglich, dass Agnes und Albrecht da auch verheiratet waren. Ging das heimlich vonstatten? So etwas barg gewisse Risiken. Die Kirche verurteilte diese Art der Ehe als grobe Verletzung ihrer Satzungen und belegte das mit schweren Sündenstrafen. Wer da nicht nach seinem Tod in die Hölle einwandern wollte, hatte zu Lebzeiten gewaltig Buße zu tun. Gleichwohl hatte solch eine Verbindung „vor Gott“ stattgefunden und war gültig. Wer bei Nacht und Nebel heiratete, der durfte sich auch nicht mehr zu Lebzeiten eines der Partner scheiden lassen. Es gibt keinen eindeutigen Beweis für ihre Vermählung. Dass sich Agnes so selbstbewusst zeigte, spricht dafür, ebenso wie der Umstand, dass Albrechts Schwester, die Pfalzgräfin Beatrix, vor Zorn über Agnes’ Auftreten geglüht haben soll. Zudem verwaltete Albrecht das 1425 an Bayern-München gefallene Straubinger Land und führte dort ein beinahe unabhängiges Regiment – wobei er Agnes als Herzogin installierte.

1433 kaufte die Bernauerin zwei Höfe in der Nähe des Münchner Schlosses Blutenburg, und vermutlich hat das Paar dort auch eine Zeit lang zusammengelebt. Ob die beiden Kinder hatten? Niemand kann das heute noch sagen, vermutlich aber nicht. Ab 1434 bis Mitte 1435 wohnten sie in der Grafschaft Vohburg, die Albrecht einst von seiner Mutter Elisabeth erhielt, sowie im Schloss Straubing. Doch düstere Wolken zogen heran – in Gestalt von Albrechts Vater. Der alte Herzog Ernst hatte nämlich nur einen Sohn und sorgte sich um die Erbfolge durch dessen unstandesgemäße Verbindung. Hatte er zu Beginn der Affäre Agnes nur für eine harmlose Gespielin seines Sohnes gehalten, der „ain liebhaber der zarten frawen war“, wie in einer bayerischen Chronik vermerkt, so musste er sich bald eines Besseren belehren lassen.

​Der Zorn des Vaters

Denn der Sohn drohte dem Vater auch politisch zu entgleiten. Hatte der Sprössling doch ehemals gelobt, ohne Einverständnis des Vaters keinen Krieg zu beginnen oder Bündnisse zu schließen, und nun das: Je unabhängiger Albrecht in Straubing regierte, desto mehr träumte das Straubinger Land von eigener Unabhängigkeit gegenüber Bayern-München. Böser Liebeszauber? Also zog der alte Herzog die Notbremse. Die „Hexe“ musste verschwinden, mitsamt ihrem bösen Zauber. Es waren ja schließlich nicht einfache Leute von der Straße oder Bauern, denen sie ihre „Verbrechen“ angedeihen ließ. Es waren Fürsten und Edelleute, die sie sich als „Opfer“ ausgesucht hatte. Dumm nur, dass der Bernauerin beim besten Willen keine Todesopfer nachzuweisen waren. Eine Anklage wegen vermuteter Magie musste reichen. Der Vater sprach von ernster Sorge um seinen Sohn, dass er gar einem Giftmord zum Opfer fallen könnte.

Agnes hatte nie eine Chance. Die Gunst der Stunde bot ein Jagdaufenthalt Albrechts bei seinem Verwandten Heinrich von Bayern-Landshut Anfang Oktober 1435. Herzog Ernst ließ die Bernauerin in Straubing verhaften und am 12. des Monats von der Donaubrücke stürzen. Der zeitgenössische Chronist Andreas von Regensburg schilderte die schrecklichen Umstände. Demzufolge konnte sich Agnes, obwohl gefesselt, noch fast ans Ufer retten und um Hilfe rufen, aber ein Folterknecht des alten Herzogs wickelte eine lange Stange in ihr Haar und drückte sie immer wieder unter das Wasser. Als Albrecht davon erfuhr, begab er sich zu Herzog Ludwig nach Ingolstadt und erwog ernsthaft, militärisch gegen den Vater vorzugehen.

Es musste der Römische Kaiser Sigismund, den Ernst benachrichtigen ließ, vermitteln, damit es nicht zum Bürgerkrieg in Bayern, sondern zur Aussöhnung kam. Albrecht stiftete der Bernauerin im Dezember nach ihrem Tod eine ewige Messe und einen Jahrestag im Straubinger Karmelitenkloster. Sein Vater tat Buße und ließ 1436 eine AgnesBernauer-Kapelle auf dem Friedhof errichten. Und wie sich die Drehtür des Schicksals so wendet: Ein Jahr nach dem Mord an seiner Geliebten heiratete Albrecht III. die standesgemäß einwandfreie Anna von Braunschweig. Die beiden bekamen dann noch zehn Kinder.

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