Geheime Signale lesen: Was uns Körpersprache verrät
Die Körpersprache geht als faszinierende Form der Kommunikation weit über Worte hinaus. Ob durch Gesten, Mimik oder Körperhaltung – unser Körper spricht eine eigene Sprache.

Kommunikation passiert bewusst wie auch unbewusst - und die Körpersprache spielt eine große Rolle.
Körpersprache ist die Art und Weise, wie man durch nonverbale Signale kommuniziert. Dazu gehören Bewegungen, Gesten, Mimik, Blickkontakt und Körperhaltung. Diese Signale können oft mehr über die wahren Gedanken und Gefühle aussagen als Worte. Während verbale Kommunikation bewusst und direkt ist, geschieht die Körpersprache meist unbewusst und kann subtile, aber kraftvolle Botschaften vermitteln. Manche Gesten können jedoch auch bewusst gewählt werden.
„Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Der österreichisch-US-amerikanischer Philosoph, Psychoanalytiker und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick stellte dieses Axiom auf. Es besagt, dass Menschen immer miteinander in Kommunikation treten, auch, wenn sie nicht miteinander sprechen. Ein Lächeln, ein abgewandter Blick, verschränkte Arme – all das ist eine Form der Kommunikation.
Körpersprache ist so alt wie die Menschheit
Zuerst: Wo hat die Körpersprache ihren Ursprung? Die Bedeutung der Körpersprache reicht bis zu den Anfängen der Homo Sapiens zurück, noch weit vor der Einführung des gesprochenen Wortes, doch auch Affen können durch Körpersprache miteinander kommunizieren. Ursprünglich diente sie als Überlebensmechanismus, der dazu beitrug, soziale Bindungen zu festigen, Bedrohungen zu erkennen und innerhalb der Gruppe zu kommunizieren. Schon vor der Entwicklung der Sprache war die Körpersprache ein essenzielles Kommunikationsmittel: Bevor Höhlenmenschen aus „Grunzlauten“ nach und nach eine Sprache entwickelten, waren sie einzig auf ihre Körpersprache angewiesen. Verschiedene Gefühle entsprachen instinktiv verschiedenen Gesichtsausdrücken und Gesten.
Im Laufe der Evolution haben sich die Menschen, ihre Gefühlswelt und damit auch ihre Kommunikation weiterentwickelt. Letzteres wurde verfeinert, aber viele der grundlegenden Elemente der Körpersprache sind nach wie vor durch tief verwurzelte, evolutionäre Mechanismen geprägt. Die Bewältigung von Konflikten, das Ausdrücken von Emotionen und die Etablierung von Hierarchien wurden alle durch Körpersprache vermittelt. Charles Darwin beschäftigte sich, neben der Evolutionstheorie, als einer der Ersten 1872 auf wissenschaftlicher Ebene mit der Macht der Körpersprache.

Vorlehnen, lächeln, verschränkte Arme, Blickkontakt: All das passiert unbewusst, hat jedoch immer etwas zu bedeuten.
Kulturelle Unterschiede erschweren das Lesen von Körpersprache
Zwar wurde Körpersprache seit Anfang der Menschheit auf der ganzen Welt genutzt, jedoch variiert sie inzwischen stark von Kultur zu Kultur, was die Interpretation nonverbaler Signale verkompliziert. In den meisten westlichen Kulturen bedeutet ein Nicken Zustimmung, während es beispielsweise in Griechenland Ablehnung signalisiert. Ebenso kann eine Geste, die in einer Kultur höflich ist, in einer anderen als beleidigend empfunden werden. Ein „Daumen hoch“ wird in vielen Ländern als positives Zeichen gedeutet, während es in Ländern wie Russland, Griechenland, Frankreich und Australien als obszön gilt.
Körpersprache und Geschlechterunterschiede
Nicht nur zwischen den Kulturen gibt es Unterschiede in der Körpersprache, sondern auch zwischen den Geschlechtern - oft durch gesellschaftliche Normen und Stereotype geprägt. Zum Beispiel können Männer dazu neigen, mehr Raum einzunehmen und größere Gesten zu machen, während Frauen oft subtilere und defensivere Bewegungen zeigen.
In männlich dominierten Bereichen nutzen Männer ihre Körpersprache oft bewusst, um Macht und Präsenz zu behaupten. Das sogenannte „Manspreading“ gilt im Feminismus als ein (un-)bewusstes Dominanzverhalten von Männern, das sie vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln zeigen: Sie setzen sich so breitbeinig auf ihren Sitz, dass neben ihnen nur noch wenig Platz für eine*n Sitznachbar*in bleibt. In New York und Madrid ist dieses breitbeinige Sitzen in Verkehrsmitteln mittlerweile sogar verboten. Eine kleine körpersprachliche Geste kann demnach eine große Wirkung auf die Außenwelt haben.

Eine runzelnde Stirn und verschränkte Arme können auf Unbehagen oder eine Nichtübereinstimmung hinweisen.
Beispiele der körpersprachlichen Kommunikation
Körpersprachliche Aktionen können minimal und kaum sichtbar sein, wie ein Augenzucken, oder aber deutlich sichtbar, als verschränkte Arme. Egal, wie präsent sie sind: Körpersprache passiert immer unterbewusst und wird ebenfalls immer unterbewusst wahrgenommen. Abgegrenzt existiert eine bewusste Körpersprache, zu welcher beispielsweise der erhobene Daumen gehört, mit dem man signalisieren möchte, dass „Alles O.K.“ ist.
Diese unterbewusste Körpersprache gibt es und so wird sie gelesen:
Körperhaltung
- Eine aufrechte Haltung, bei der die Schultern zurückgezogen und der Rücken gerade ist, signalisiert in der Regel Selbstbewusstsein und Offenheit. Personen, die eine aufrechte Haltung zeigen, werden oft als selbstsicher und autoritär wahrgenommen. Eine, anderen Personen, zugewandte Körperhaltung signalisiert Offenheit und Interesse.
- Im Gegensatz dazu deutet eine gebeugte Haltung häufig auf Unsicherheit oder Erschöpfung hin, andernfalls kann sie, gemeinsam mit einem gesenkten Blick, Desinteresse signalisieren.
- Das Verschränken der Arme vor dem Körper wird psychologisch gesehen häufig als Abwehrmechanismus interpretiert. Verschränkt jemand die Arme, schafft er eine physische Barriere. Dies kann auf Unsicherheit, Abwehrhaltung oder Unbehagen hinweisen. Darüber hinaus zeigt eine Person, die ihre Arme vor der Brust verschränkt, dass sie sich möglicherweise unwohl fühlt und Schutz sucht. Daneben wird die Geste als „in Gedanken vertieft“ gelesen oder dass sich jemand einen Moment der Selbstreflexion oder Abgeschirmtheit gönnt.
- Lehnt sich jemand nach vorne, zeigt das in der Regel Interesse, Engagement und Übereinstimmung. Diese Geste kann in sozialen Situationen als Ausdruck von Nähe und Intimität genutzt werden, wenn die Distanz zu einer anderen Person verringern werden soll.
- Auf der anderen Seite kann das Zurücklehnen des Oberkörpers Distanz und Unbehagen signalisieren - denn es schafft emotionalen und physischen Abstand. Diese Geste kann zudem dazu dienen, Dominanz und Kontrolle zu zeigen.
Gesicht und Mimik:
- Das Senken des Kopfes tritt oft bei Gefühlen von Traurigkeit oder Scham auf. Diese Haltung kann auf ein geringes Selbstwertgefühl hinweisen. Eine Person senkt ebenfalls den Kopf, um Blickkontakt zu vermeiden. Dies kann ein Zeichen von sozialer Angst oder Verlegenheit sein. Es kann auch deutlich machen, dass kein Kontakt oder keine Kommunikation erwünscht ist. Kulturell variiert diese Geste jedoch: In einigen Kulturen kann das Senken des Kopfes auch Respekt oder Demut ausdrücken.
- Lächeln signalisiert Freundlichkeit und Zustimmung. Ein „echtes“ Lächeln, das die Augen erreicht (bekannt als Duchenne-Lächeln), deutet auf Vergnügen und positive Emotionen hin.
- Im Gegensatz dazu können Gesichtszucken oder -Verzerrungen auf Unbehagen oder Unehrlichkeit hinweisen. Veränderungen im Gesichtsausdruck, die unbewusst auftreten, können innere Konflikte oder Lügen signalisieren. Bewegungen der Augenbrauen, wie das Hochziehen, Runzeln oder Zusammenziehen, können Überraschung oder Interesse bekunden. Zusammengezogene Augenbrauen können hingegen Verwirrung oder Ärger signalisieren.
- Augenrollen wird oft als Ausdruck von Verachtung oder Ungeduld verwendet. Diese Geste signalisiert deutliche Missbilligung oder Frustration. In einigen sozialen Kreisen kann es jedoch auch als eine humorvolle oder sarkastische Geste verwendet werden, um leichtes Unbehagen oder Unzufriedenheit auszudrücken, ohne dabei ernsthafte Konfrontationen auszulösen.
- Direkter Blickkontakt kann Interesse, Vertrauen und Ehrlichkeit signalisieren, während das Vermeiden von Blickkontakt oft auf Schüchternheit, Verlegenheit oder Desinteresse hinweist. Menschen mit hohen Macht- oder Statuspositionen neigen eher dazu, gleichmäßigen oder intensiven Blickkontakt zu halten. In bestimmten Kulturen gilt Vermeiden von Blickkontakt als Zeichen von Respekt und Unterordnung, insbesondere gegenüber Autoritätspersonen. In sozialen Interaktionen kann intensiver Blickkontakt auch Intimität und Zuneigung signalisieren, während distanzierter Blickkontakt eine höfliche, jedoch distanzierte Haltung zeigen kann.
- Lippenbewegungen wie Zusammenpressen, Anfeuchten oder Beißen können ebenfalls viel über die innere Verfassung einer Person aussagen. Das Zusammenpressen der Lippen kann auf zurückgehaltene Emotionen oder Ärger hinweisen. Das Anfeuchten der Lippen kann ein Zeichen von Nervosität oder Vorfreude sein. Im sexuellen Sinne kann ein Spiel mit den Lippen jedoch auch Lust und Verlangen ausdrücken.
Gestik
- Gesten umfassen Bewegungen der Hände und Arme zur Unterstützung der Kommunikation und können die emotionale Botschaft verstärken, die vermittelt werden soll. Offene Handflächen, die nach oben gerichtet sind, signalisieren Ehrlichkeit, Offenheit und Glaubwürdigkeit.
- Im Gegensatz dazu können das Zeigen oder Fuchteln mit dem Finger Dominanz oder Aggression signalisieren. Die Verwendung von Handgesten kann zur Verdeutlichung von Punkten benutzt werden, übermäßiges Umherwedeln mit den Händen kann wiederum als Nervosität oder Unsicherheit interpretiert werden. Auch eine oft wechselnde Position der Hände und Arme kann ein Zeichen für Unbehagen sein. Viele Gesten können, wie anfänglich beschrieben, allerdings auch ganz bewusste Kommunikation sein, wie der „Daumen hoch“ oder ein erhobener Zeigefinger.
- Das Reiben der Hände wird oft in Erwartung oder Aufregung beobachtet. Diese Geste kann Vorfreude wie auch Nervosität signalisieren. Es handelt sich um eine selbstberuhigende Technik, die Menschen verwenden, um sich Unbehagen zu erleichtern. Stress und Zweifel sollen durch das Reiben der Hände beruhigt werden, indem man an seinen eigenen Fingern entlangstreicht. Ebenfalls als Zeichen von Ungeduld oder Unruhe kann Händereiben interpretiert werden. Hände reiben kann allerdings auch als Ausdruck von Zufriedenheit und Vorfreude auftreten, etwa bei jemandem, der eine positive Nachricht erwartet oder eine erfreuliche Aufgabe abgeschlossen hat.
Fuß- und Beinbewegungen
- Das Kreuzen der Beine, ob im Sitzen oder Stehen, kann auf Komfort oder Abwehrhaltung hinweisen. Diese Geste kann auch eine Möglichkeit sein, eine informelle Atmosphäre zu schaffen oder sich in einer bekannten Umgebung entspannter zu fühlen. Alternativ kann das Kreuzen der Beine auch als Schutzgeste interpretiert werden. In einer formelleren oder angespannteren Umgebung könnte eine Person, die die Beine verschränkt, versuchen, sich zu schützen oder eine Barriere zu schaffen.
- Im Gegensatz dazu kann das wippende oder nervöse Bewegen der Füße Nervosität oder Ungeduld signalisieren. Häufiges Wechseln der Beinposition kann ebenfalls Unbehagen oder eine innere Unruhe signalisieren.
- Wenn jemand seine Füße direkt auf seinen Gesprächspartner ausrichtet, zeigt dies Engagement und Interesse. Diese Geste signalisiert, dass die Person auf das Gespräch fokussiert ist und bereit ist, zuzuhören und zu interagieren.
- Umgekehrt kann das Ausrichten der Füße in eine andere Richtung auf Desinteresse oder den Wunsch, das Gespräch zu beenden, hinweisen. Die Richtung, in die die Füße zeigen, kann auch in Gruppensituationen Aufschluss darüber geben, zu wem eine Person eine stärkere Verbindung oder am meisten Interesse hat.

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