Revolution beim Naschen: Warum wir künftig Nussschalen essen sollen
Wir sollten mehr Nüsse essen, sagen Ernährungsexperten. Ein Schweizer Start-up will die Erträge bei Mandeln oder Macadamias nun verdoppeln – indem man die gemahlenen Schalen in Nussprodukten mitverarbeitet.
Mandeln in einer Schüssel
Bereits vor Jahrtausenden von Jahren haben Menschen Nüsse gegessen, vielmehr: Nusskerne. Die ungenießbar harten Schalen landen bis heute meist im Müll. Auch Tilo Hühn, Winzer, Erfinder und Professor für Lebensmitteltechnologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, hatte sich über Nussschalen nie Gedanken gemacht. Bis er mit dem Unternehmer Roland Laux 2016 in der Türkei gewaltige Berge von Haselnussschalen sah und sich fragte: Könnte man die Nüsse nicht mitsamt der Schale verwerten?
Erste Schritte im Labor
Eine verrückte Idee, von der Laux in seinem Altbaubüro in St. Gallen erzählt. Doch ihm war sofort klar, wie angetan Erzeuger und Produzenten wären: Das Verfahren verspricht höhere Erträge, weniger Müll und die effizientere Nutzung von Wasser und Boden. So starteten im Labor bald nach dem Türkei-Trip die ersten Versuche: Nüsse wurden in der Schale entkeimt, dann geröstet – „da entstehen auch wunderbare Kakao- und Vanillearomen“, schwärmt Hühn. Dann vermahlte man die ungeschälten Nüsse mit Wasser zu Brei. „Die erste Mühle haben wir mit ungeschälten Haselnüssen zerstört“, erinnert sich Laux. Doch mittlerweile laufe der Prozess, bei dem am Ende eine Zentrifuge den Brei in Nussmehl, Nussmilch und optional Nussöl trennt.
Potenziale und Perspektiven
Flaschen, Tiegel und Tupperdosen auf dem Konferenztisch in St. Gallen zeigen, was möglich ist: cremige Mandelmilch aus Mandelschalen, -kernen und Wasser, aromatische Erdnussbutter (wobei die Erdnuss den Hülsenfrüchten zuzuordnen ist), eine Schokocreme und Brownies. Pilzbefall, Pestizide oder Verunreinigungen seien kein Problem, so Laux. Er verweist auf Laboranalysen für Hunderte kritischer Stoffe: „Nicht mehr vorhanden oder weit unterhalb der Grenzwerte.“ Für die Gesundheit könnten einwandfreie Schalen sogar wertvoll sein, so der Lübecker Ernährungsmediziner Christian Sina: Die verholzte Fruchtwand aus Zellulose liefere Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe wie Polyphenole und könnte Zucker als Füllstoff in Rezepturen ersetzen. 2022 hat Laux die Re-Nut AG gegründet. Das Europäische Patent ist erteilt und global angemeldet; ein Family Office und eine Stiftung haben 2023 frisches Kapital geliefert. Die nächste harte Nuss will Re-Nut 2025 knacken: Dann sollen erste Mandelbauern in Kalifornien die Technik nutzen.
Cover National Geographic 12/24
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