Wenn das Überleben vom Inhalt des eigenen Rucksacks abhängt

Der erfahrene Arktis-Forscher und Bergsteiger Lonnie Dupre hat aus seiner Ausrüstung eine Wissenschaft gemacht.

Von Gary Strauss
Veröffentlicht am 6. März 2018, 17:37 MEZ
Bei einer 19-tägigen Bergtour auf den Mount Hunter in Alaska trägt Arktis-Forscher rund 30 Kilo Gepäck. Darin befinden sich Nahrung, Vorräte und Ausrüstung wie auf dem Foto zu sehen. Er nutzt Gramm- und Badezimmerwaagen, um das Gewicht zu kontrollieren.
Foto von Jenn Ackerman Und Tim Gruber

Was hat man in seinem Rucksack?

Wenn man Lonnie Dupre ist, sind es etwa 27 Kilo an Überlebensnotwendigem.

„Ausrüstung für 19 Tage mit sich herumzutragen ist nicht einfach. Man muss sich gut überlegen, was man mitnehmen will“, sagt Dupre, der legendäre Arktis-Forscher und Bergsteiger, der im Jahr 2015 als erster allein eine Januar-Tour auf den Mount Denali in Alaska vollendete.

Der Rolex-Preisträger verließ sein Zuhause in Minnesota vor einiger Zeit für eine fünfwöchige Expedition in den Himalaya, wo er an Vertical Nepal teilnehmen wird. Diese sechsköpfige Bergsteigergruppe versucht sich an der Erstbesteigung des 6.426 Meter hohen Langju im abgelegenen Tsum Valley. Wenn er Mitte November zurückkehrt, bereitet er sich für einen erstmaligen Versuch vor, den Mount Hunter in Alaska im Winter zu besteigen.

Mit leichtem Gepäck unterwegs zu sein, ist für den 75-Kilo-Mann Dupre essenziell wichtig. Daher plant er maximal 27 Kilo Gewicht für seinen Rucksack ein. Der Mount Hunter gilt als Nordamerikas schwierigster Viertausender.

Dupre auf einem Wanderweg in der Nähe seines Zuhauses in Grand Marais, Minnesota.
Foto von Jenn Ackerman Und Tim Gruber

„Brennstoff hat oberste Priorität. Man kann eine gewisse Zeit ohne ausreichend Nahrung auskommen, aber nur zwei oder drei Tage ohne Wasser und man braucht Benzin, um Schnee zu Schmelzen“, sagt er. „In einer extremen Umgebung kann das, was man bei sich hat, den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.“

Dupres letzte Exkursionen untermauern einen umfangreichen, 30-jährigen Erfahrungsschatz an Abenteuer. Darunter befinden sich die erste nichtmotorisierte Umschiffung von Grönland und Ski/Schlitten-Touren von Kanada zum Nordpol.

Aber Dupre, ein Nachfahre des französischen Entdeckers Jacques Cartier, musste auch Niederlagen einstecken. Drei vorangegangene Versuche, den Denali allein zu besteigen, wurden durch schlechtes Wetter vorzeitig beendet und an einem Punkt während seiner erfolgreichen Besteigung des Denali im Jahr 2015 wurde es noch brenzliger für ihn. Auf halbem Weg zum Gipfel zwangen Schnee und Whiteout ihn, Unterschlupf zu suchen, ohne eine Möglichkeit, sich mit frischen Vorräten zu versorgen, obwohl diese sich nur etwa 300 Höhenmeter unter ihm in einem Lager befanden.

„Ich hatte für drei Tage Benzin und für eineinhalb Essen, aber der Sturm dauerte fünf Tage an. Also musste ich es so lange wie möglich strecken, da ich nicht wusste, wie lange ich festsitzen würde“, sagt Dupre. „Ich dachte schon, das war’s und dass ich vielleicht noch 36 Stunden zu leben hätte.“

Im arktischen Winter ist es 19 Stunden am Tag dunkel. Dupre schnürte sich in seinen Schlafsack ein und kämpfte gegen Unterkühlung und Hunger an. „Die größte Gefahr bei Bergtouren im Winter ist kein Sturz, sondern das Festsitzen in einem schweren Sturm, wenn einem die Vorräte ausgehen“, sagt er. „Das war das einzige Mal in meiner ganzen Karriere, dass ich wieder dumm gewesen bin.“

Das Wetter klarte schließlich auf und ermöglichte es Dupre, zu seinen Vorräten hinunterzusteigen, deren Lage er mit einem Pfahl markiert hatte.

„Als ich den sah, dachte ich daran, dass ich es überleben würde“, sagt er. „Ich habe es ziemlich schnell ausgegraben, mich durch einen Rucksack gewühlt und mir sofort ein paar Schokoriegel einverleibt.“

Mit neuen Vorräten ausgerüstet kehrte Dupre zu seinem Camp auf 3.400 Metern zurück und aß so viel er konnte. Voll neuer Energie und bei aufklarendem Wetter schaffte er es schließlich bin zum Gipfel des Denali, wo er zehn Minuten damit verbrachte, darüber nachzudenken, warum er vier Jahre benötigt hatte, um das zu schaffen. „Ich war einfach nur erleichtert, dass ich das nicht noch einmal mitmachen musste“, sagt er. „Die meisten Todesfälle passieren auf dem Weg nach unten. Ich verschwand so schnell wie möglich wieder.“

Dupre hat noch nicht festgelegt, was in seinen Rucksack für den Hunter kommt. Ein Zwischenstand:
 

  • Nahrung für 19 Tage: 9,1 kg
  • Benzin: 2,8 kg
  • Rucksack: 1,8 kg
  • Kletterseil: 1,8 kg
  • Zelt: 1,8 kg
  • Schlafsack: 1,8 kg
  • Schneeanzug: 1,6 kg
  • Markierungspfähle: 1,2 kg
  • Elektronische Geräte (Satellitentelefon, Kamera, Notfallsignalgeber): 0,9 kg
  • Thermoskanne mit Wasser gefüllt: 0,9 kg
  • Schaufel: 0,5 kg
  • Kocher: 0,4 kg
  • Topf, Löffel und Windschutz für den Kocher: 0,3 kg
  • Schlafmatte: 0,3 kg

 

„Der Langju ist technisch anspruchsvoll und wir werden eine Menge Ausrüstung mitnehmen – wir müssen auf alles vorbereitet sein, was der Berg von uns fordert“, sagt er. „Aber beim Hunter geht es vor allem ums Licht und man kann nicht wie beim Denali einen Schlitten mit Vorräten hinter sich herziehen und die beim Aufstieg deponieren.“

„Ich drehe und wende noch immer, was ich mitnehme“, sagt Dupre, der Gramm- und Badezimmerwaagen nutzt, um das Gewicht genau im Auge zu behalten.

BELIEBT

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    Dupre wandert an der felsigen Uferlinie des Lake Superior entlang.
    Foto von Jenn Ackerman Und Tim Gruber

    Als Nahrung dienen unter anderen gefriergetrocknete Makkaroni mit Käse, Lasagne, vorgekochtes Fleisch, zweifach geräucherter Speck, den man in Ahornsirup taucht, Schokolade und selbstgemachte, 100 Gramm schwere Energieriegel aus Nussbutter, Honig, Kokos und Aprikosen, die zu langen Rollen geformt und in Wachspapier gewickelt werden. Er startet meistens „dick“, isst sich vorher fünf bis acht Kilo Gewicht an, das er durch die täglichen Anstrengungen dann wieder verliert.

    Normalerweise packt er ein Luxusgut ein. „Das einzige, das ich mit erlaube, ist eine gute Tasse [gefriergetrockneten] Kaffee“, sagt Dupre.

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