Die überraschende Eleganz der Moskauer Metro
Die opulenten Stationen unter der russischen Hauptstadt sollten „Paläste des Volkes“ sein.
Jeden Tag pendeln die Arbeitnehmer in der russischen Hauptstadt pünktlich wie ein Uhrwerk durch ein unterirdisches Labyrinth voller Schätze. Hoch aufragende Marmorwände sind mit vergoldeten Mosaiken verziert, Skulpturen gefallener Führer zieren die öffentlichen Räume, Wandgemälde mit Szenen aus der russischen Geschichte leuchten unter Kristalllüstern. Im Gegensatz zu den schmutzigen und zweckmäßigen U-Bahn-Systemen in vielen Städten der Welt stammt die Moskauer Metro aus einer Periode der Geschichte, in der man „Paläste für das Volk“ bauen wollte.
Das unterirdische Bahnsystem eröffnete 1935 als sowjetisches Propagandaprojekt. Menschenmassen zogen in Paraden durch die Tunnel und ein Chor des Bolschoi-Theaters gab eine Vorstellung, um die ersten 13 Stationen zu feiern, die als technischer Fortschritt gegenüber unterlegenen kapitalistischen Gesellschaften angepriesen wurden.
Bei dem großen Hype um die feierliche Eröffnung vermied man es jedoch, auch die Probleme zu erwähnen, die der Bau mit sich gebracht hatte. Philipp Meuser, ein Architekt und Experte für Stadtentwicklung in der Sowjetunion, erzählt in diesem Zusammenhang: „Die Schwierigkeiten des Baus, die Zwangsarbeiter, die Unfälle und die gewaltige Finanzierung – ohne die diese versteckte, maulwurfartige Architektur nie hätte errichtet werden können – sind fast schon zu einer fernen Erinnerung geworden.“ (Lesenswert: 5 kulturelle Highlights in Sankt Petersburg)
Stattdessen malte die opulente Architektur das Bild einer strahlenden Zukunft. Professor Mike O‘Mahony, der sich mit dem Design in der Sowjetunion während der Zeit zwischen den Weltkriegen beschäftigt, erklärt: „Während der 1903er wurde die Metro zu einer der wichtigsten Arenen für die Produktion und den Konsum offizieller visueller Kultur. Viele der angesehensten Architekten, Bildhauer und Künstler wurden für die Gestaltung und das Design dieser Bereiche angestellt. Das Projekt der Moskauer Metro bot der Sowjetunion also ein ideales Medium, um die Darstellung der Kunst dramatisch vom privaten in den öffentlichen Raum zu verschieben.“ Indem das Regime die Massen mit staatlich sanktionierter Kunst umgab, konnte es seine Ideologie verbreiten.
Heutzutage erstreckt sich das Netz der Moskauer Metro über 346 Kilometer und 212 Stationen. Die Bewohner der Stadt sind stolz auf ihre Metro – ein Umstand, der sich auch in dem auffälligen Mangel an Graffiti und Vandalismus erkennen lässt. Touristen können den Massen der Einheimischen folgen, die durch das unterirdische, museumsartige Labyrinth wandern, oder eine geführte Tour durch die Gänge buchen.
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