Anthony Bourdains kulinarische Entdeckung der Welt
Der berühmte Koch, Autor und Fernsehstar veränderte unseren Blick auf die Welt und die Menschen, die in ihr Leben.
Der Autor, Koch und Fernsehstar Anthony Bourdain hat die Welt durch seinen Magen erkundet und dabei oft jene Seiten eines Landes und seiner Bewohner gezeigt, die man manchmal nur durch die kulinarische Linse entdecken kann. Am 8. Juni 2018 verstarb er in Frankreich. In einem Interview, das er National Geographic im Jahr 2015 gab, erzählte er von seinen Lieblingsstädten der Welt, welche kulinarischen Empfehlungen er für einen Besuch in New York City geben würde und wie ihn seine Reisen verändert haben.
Was ist Ihrer Meinung nach das unterschätzteste Reiseziel der Welt und warum?
Uruguay ist ein unterschätztes Reiseziel. Montevideo in Uruguay – die Stadt ist größtenteils unentdeckt. Die Argentinier wissen, wie cool es da ist, weil es dort dank ihnen während der Saison recht voll wird. Aber der Rest der Welt muss das erst noch erkennen. Es ist ein ziemlich entspannter Ort und die Leute sind wirklich nett, die Strände unglaublich und das Essen großartig. Ist aber kein einfaches Reiseziel für Vegetarier.
Welche Stadt hat alles?
Tokio. Also wenn ich mitten beim Essen irgendwo sterben müsste, dann wäre das in Tokio. Wenn man Köche fragen würde, welche Stadt sie wählen würden, wenn sie für den Rest ihres Lebens dort Hausarrest hätten und all ihre Mahlzeiten dort zu sich nehmen müssten, würde so ziemlich jeder, den ich kenne, Tokio wählen.
Wenn Sie also mitten bei einer Mahlzeit in Tokio sterben würden, was würden Sie in diesem Moment gerne essen?
Definitiv [etwas von] Sukiyabashi Jiro, dem Laden von Jiro Ono. Der ist ziemlich klasse.
Wenn Sie jemand in New York besuchen kommt, wo gehen Sie dann zuerst mit dem Besuch essen?
Ehrlich gesagt gehe ich mit meinem Besuch oft Yakitori essen, meist in einem der paar Restaurants, die ich mag – entweder Yakitori Totto oder Torishin.
Wenn ich ein Restaurant empfehle, schicke ich die Leute meist zu Russ & Daughters oder zu Barney Greengrass, weil Deli etwas einmalig Tolles ist, das wir in New York meiner Ansicht nach besser als irgendwer sonst machen.
Für die Extraklasse schicke ich die Leute zum Le Bernadin oder ins Marea.
Wenn Sie nicht in New York leben würden, welchen Ort würden Sie gern Ihr Zuhause nennen?
Darüber habe ich viel nachgedacht. Ich frage mich, wie es wohl wäre, auf Sardinien oder [irgendwo anders] in Italien zu leben. Meine Frau ist Italienerin und sie hat dort Familie – sie hätte dort sogar Möglichkeiten zum Wohnen, wenn sie wollte.
Aber ich mache mir was vor. Ich bin ein Workaholic, ich liebe meinen Job und ich glaube, New York liegt mir einfach im Blut. So sehr ich auch gern Zeit woanders verbringen würde, würde ich mir nur was vormachen, wenn ich glaube, dass ich mich je auf einem Hügel in der Toskana niederlassen würde.
Aber wenn alles in meinem Leben schieflaufen würde und ich am Ende allein wäre und zu viel trinken würde, dann würde ich vermutlich nach Vietnam gehen.
Warum wollten sie ein Hawker-Center in NYC eröffnen?
Stolz und Neid.
Ich war immer ein bisschen verbittert darüber, dass wir nicht diese Hawker-Center haben, die es in Singapur, Kuala Lumpur und Hongkong gibt. Wir sollen doch die tollste Stadt der Welt sein und uns fehlte diese Option. Als ich die Gelegenheit hatte, so einen Ort zu schaffen, habe ich mich draufgestürzt.
Haben Sie Tipps für die Erkundung der örtlichen Street-Food-Szene, unabhängig davon, wo man gerade ist?
Herrscht viel Betrieb an den Buden? Sind sie bei Einheimischen beliebt? Gehen ihre Produkte über die Theke? Das sind wichtige Beobachtungen. Hawker und Street-Food-Leute vergiften ihre Nachbarn für gewöhnlich nicht. Ist ein schlechtes Geschäftsmodell.
Oft sieht man auch zwei Stände quasi nebeneinander, die exakt dasselbe verkaufen, aber an einem davon ist niemand. Dafür gibt es wahrscheinlich einen Grund. Das sind einfach gute Faustregeln.
Wenn ich irgendwo bin, wo die Wasserqualität nicht gut ist, werde ich vermutlich kein Grünzeug essen. In tropischem Klima würde ich wohl Fleisch auf Zimmertemperatur meiden.
Abgesehen davon esse ich fast alles, wenn der Stand viele Kunden hat. Unheilverkündende Straßen-Tacos – ich bin dabei. In Indien esse ich so ziemlich alles, wenn am Laden viel Betrieb herrscht. Sie waschen die Teller vielleicht im Fluss neben mir, aber das ist mir egal: Ich esse es.
Was war das denkwürdigste Erlebnis, das Sie auf Ihren Reisen hatten?
Ich hatte eine der letzten Mahlzeiten im elBulli [ein Drei-Sterne-Restaurant in Cala Montjoi, Spanien, das 2011 schloss] und das war ziemlich emotional. Jeder, der an diesem Abend im Restaurant war, wusste, dass in dieser Minute Geschichte geschrieben wurde. Die Hälfte der Leute im Saal hat geweint.
Und natürlich war es eine einmalige, großartige Erfahrung, mit [den legendären Köchen] Paul Bocuse und Daniel Boulud in Bocuses Restaurant [L‘Auberge du Pont de Collonges in der Nähe von Lyon, Frankreich] zu essen. Das hätte ich mir nie träumen lassen.
In der fünften Staffel von „Parts Unknown“ kehrten Sie nach Beirut im Libanon zurück, wo Sie und Ihre Crew 2006 mitten in einen Konflikt gerieten. Warum sind sie dorthin zurückgegangen?
Ich hatte das Gefühl, dass es dort immer noch etwas zu erledigen gab. Ich hatte dort eine außerordentlich schöne Zeit, bis der Krieg ausbrach. Und ich fand, dass es dort immer eine viel interessantere, vielschichtigere und positivere Seite des Libanon zu zeigen gab, gibt und immer geben wird.
Es ist ein sehr komplexer, einzigartiger, unglaublicher Ort – eine meiner Lieblingsstädte –, und trotz all seiner Probleme, von denen es viele gibt, ist es ein Ort, den die Leute meiner Meinung nach selbst besuchen und genießen sollten.
Ich bin fasziniert davon und meine Crew liebt die Stadt, also nutze ich jede Gelegenheit, um zurückzukehren und andere Aspekte zu beleuchten. Sie wurde bisher nicht annähernd so sorgfältig und liebevoll untersucht, wie sie es verdient.
Welcher Ort hat Sie am meisten überrascht?
Mit Sicherheit der Iran. Die Leute, die Stimmung und die Straßen sind völlig anders als die iranische Außenpolitik und der Iran, mit dem wir uns auf einer geopolitischen Ebene auseinandersetzen müssen. Die Realität ist, dass [die Situation] dort schwierig ist. Aber es gibt da draußen noch einen anderen Iran, den die meisten von uns nicht zu sehen bekommen. Es war sehr verwirrend und aufregend.
Wie finden Sie und Ihre Crew ein Gleichgewicht zwischen dem Erleben des Moments und der Filmarbeit, wenn Sie vor Ort sind?
Die ganze Show ist sehr subjektiv, deshalb versuchen wir immer, den Leuten den Ort so vorzustellen, wie ich ihn erlebt habe. Manche sagen vielleicht, dass das ein sehr manipulativer Prozess ist. Aber es ist eine Show mit einem bestimmten Blickwinkel, deshalb rede ich mir auch nicht ein, wir wären Journalisten.
Haben Ihre beruflichen Reisen Ihre Art verändert, im Urlaub zu verreisen?
Ja, sehr. Im Urlaub rühre ich mich für gewöhnlich nicht vom Fleck. Wenn meine Familie einen langen Urlaub macht, dann an einem Strand auf Long Island. Da fahre ich hin und rühre mich dann nicht. Ich lasse meine sieben Jahre alte Tochter alle wichtigen Entscheidungen darüber treffen, was wir unternehmen. Gehen wir heute zum Strand oder nicht? Essen wir Hamburger oder Hot Dogs? Ich bin quasi so komatös, wie ich kann.
Was ist das Seltsamste, das Sie auf Ihren Reisen erlebt haben?
Ich habe eine Menge Zeug gesehen, das ich früher mal als seltsam bezeichnet hätte, aber mittlerweile – keine Ahnung. Ich hatte mal Abendessen unter einem Bouquet aus menschlichen Schädeln. Ich schätze, das war ziemlich seltsam.
Sie haben vor Kurzem ihre Vorliebe für die kalifornische Fast-Food-Kette In-N-Out erklärt. Was ist daran so toll?
Es sind nicht die besten Burger der Welt, aber es ist eine Fast-Food-Kette, die ihre Angestellten gut behandelt, effizient arbeitet und mir einen einigermaßen gesunden, frisch zubereiteten und qualitativ soliden Burger serviert, der mich sehr, sehr glücklich macht. Das ist ein Vergnügen ohne wirkliche Gewissensbisse.
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