Die Zukunft des Reisens

Corona und technische Neuerungen könnten unsere Art des Reisens auf den Kopf stellen. Viele Trends sind heute schon umsetzbar. Aber werden sie breitentauglich?

Von Marius Rautenberg
Veröffentlicht am 23. Apr. 2021, 13:53 MESZ
Wie werden wir nach Corona reisen? In der aktuellen Ausgabe von National Geographic Traveler (Mai 2021) wagen ...

Wie werden wir nach Corona reisen? In der aktuellen Ausgabe von National Geographic Traveler (Mai 2021) wagen wir - natürlich mit wissenschaftlichen Erkenntnisse unterfüttert - den Blick in die Glaskugel. Außerdem im Heft: Die 20 besten Meer-Spots in Europa, Safari in Kenia und koreanisches Barbecue - echtes Seoul-Food!

Foto von oneinchpunch - stock.adobe.com

Geräuschlos schießt die Magnetschwebekapsel in einer Stunde durch eine Vakuumröhre von München nach Barcelona. Zwischen den Berufspendlern sitzen einige Tagesausflügler auf dem Weg an die Strände der katalanischen Metropole. Andere Reisende fahren zum internationalen Raumbahnhof für einen Wochenendtrip in die Schwerelosigkeit. Solche Zukunftsvisionen könnten von Jules Verne stammen. Einige seiner Prognosen aus dem 19. Jahrhundert, etwa die bemannte Mondfahrt oder U-Boote, wurden Realität. Projekte wie der Hyperloop oder Space-Tourismus klingen kaum weniger gewagt. Sind sie eine abgehobene Träumerei von exzentrischen Milliardären? Oder werden sie tatsächlich das Reisen der Zukunft revolutionieren? Sicher ist: Corona, Klimawandel und moderne Technik machen es nötig und möglich, unser Reiseverhalten zu verändern. Ein Blick auf das, was kommen könnte.

Digitalisierung der Reise

„Die Digitalisierung wird in den Bereichen Sicherheit, Besucherlenkung und beim Buchen und Reservieren von Attraktionen das Reisen verändern“, meint der Tourismusforscher Harald Zeiss von der Hochschule Harz.

Reisen per App

Verreisen ist heutzutage oft eine vorhersehbare Angelegenheit. „Wer in Paris ist, muss auf den Eiffelturm steigen. In Venedig mit der Gondel fahren. Ziemlich fremdbestimmt“, sagt Zeiss. Was uns vor größeren Abenteuern abhält, ist oft die Angst vor ungewissen Situationen. Werden wir uns abseits der ausgetretenen Pfade zurechtfinden und verständigen können? Das Smartphone kann uns diese Sorge nehmen. „Wir werden uns nicht nur in Venedig bewegen, sondern in die weniger bekannten Lagen kommen. Dort vorher mit Google Maps herumfahren. Vor Ort quatscht man in das Handy. Das übersetzt sofort ins Italienische und zurück.“ Weitere Apps ermöglichen es uns, vorübergehend die Wohnungen zu tauschen, statt uns im Hotel einzumieten. Oder unkompliziert in das nächstbeste Sharing-Auto zu steigen. Auch Tipps für authentische Bars, Hotels oder Restaurants bekommen wir auf das Smartphone, zum Beispiel über die Empfehlungsplattform Twisper.

Virtual Reality

Einmal im Leben den Mount Everest besteigen oder zum Wrack der Titanic tauchen? Zumindest optisch ist dies mit einer Virtual-Reality-Brille möglich. Gemütlich auf der Couch sitzend, kann sich der Nutzer in den 360-Grad-Videos in alle Richtungen umsehen. Das verändert auch den Urlaub im Real Life:
In Zukunft sehen wir uns schon vor der Buchung am Strand oder im Hotel um, statt uns nur durch Fotos zu klicken. Vor Ort bekommen wir ganz neue Einblicke: So ist es heute schon möglich, durch die Akropolis von Athen zu schreiten und eine virtuelle Rekonstruktion der jahrtausendealten Bauten inklusive Mosaiken und Wandmalereien zu bestaunen.

Ein Leben auf Reisen

Wer hat nicht Lust, an den Stränden von Curaçao oder den Malediven zu leben und dabei auch noch Geld zu verdienen? Viele Jobs sind heute nicht mehr an einen festen Ort gebunden. Durch Online-Meetings lassen sich Tätigkeiten im IT-Bereich, Grafikdesign, Marketing oder Journalismus auch ohne Anwesenheit im Büro ausführen. Es gibt bereits eine wachsende Community von digitalen Nomaden, die sich in den Co-Working-Spaces von Bangkok oder Kapstadt heimisch fühlen.

Galerie: Weltreise in 28 Momentaufnahmen

Mehr Komfort

Heutzutage geht es meist darum, möglichst schnell und günstig von A nach B zu kommen. Zunehmend spielen aber auch ökologische Überlegungen eine Rolle. Dabei wird nicht immer das Flugzeug die erste Wahl sein. Sofern wir es uns zeitlich erlauben können, könnten Formen des „Slow Travel“ relevanter werden. Für Harald Zeiss ist es denkbar, dass wir im Zug bis nach Ägypten oder im Segelschiff über den Atlantik fahren. Damit dies auch attraktiv wird, muss das Reisen möglichst komfortabel gestaltet sein.

Ökologische Kreuzfahrten

Bald könnten auf lange Distanzen Kreuzfahrten eine ökologische Alternative zum Flugzeug bieten. So testet zum Beispiel die norwegische Reederei Hurtigruten bereits den Einsatz von batteriebetriebenen Schiffen sowie von Biotreibstoffen, welche die CO2-Emissionen derzeit im Schnitt um 82 Prozent senken. Der Kreuzfahrtanbieter will zudem Plastik komplett von seinen Decks verbannen. Dank digitalem Arbeiten auf dem Schiff geht auch eine zweiwöchige Atlantiküberquerung nicht unnötig vom Urlaub ab. Dadurch, dass die Ozeanriesen viele Passagiere aufnehmen können, könnten sie für den Massentourismus eine wichtige Alternative zum Fliegen darstellen.

Neuer Charme des Wohnmobils

Der Wohnwagen ist nun nicht gerade ein Fortbewegungsmittel, das man für eine Reise der Zukunft erwarten würde. Doch gibt es durch Corona einen Trend in diese Richtung, der noch länger anhalten könnte. Denn eines verspricht der Camper: abseits von Menschenmassen den Urlaub individuell in der Natur gestalten zu können. „Wer sich im Sommer ein Wohnmobil gekauft hat, wird das im nächsten Sommer nicht gleich wieder verkaufen“, meint Zeiss. Es gibt bereits die ersten Modelle von Wohnmobilen mit Batterie- oder Wasserstoffantrieb.

Passagier im eigenen Auto

Das Auto ist heute weiterhin das beliebteste Verkehrsmittel der Deutschen, um in den Urlaub zu fahren. Dank autonomen Fahrens und intelligenter Verkehrsleitsysteme werden wir in Zukunft wohl eher entspannt ans Ziel kommen. Dann wird der Autofahrer zum Passagier in einer komfortablen Fahrtkapsel, die je nach Bedarf in einen multimedialen Unterhaltungsraum, einen gemütlichen Schlafwagen oder ein voll ausgestattetes Büro verwandelt werden kann. Es gibt bereits die ersten Fahrzeuge, die auf vordefinierten Strecken selbstständig zurechtkommen. In einem Pilotprojekt im Hamburger Hafenviertel fährt erstmals ein automatisierter Kleinbus. Nach dem Willen der Bundesregierung könnten solche öffentlichen Busse auf Kurzstrecken schon nächstes Jahr häufiger eingesetzt werden. Bis vollständig autonome Robotertaxis per App ankommen, um uns von Tür zu Tür zu chauffieren, wird es nach Schätzung des ADAC noch mindestens bis 2040 dauern.

BELIEBT

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    Die Zukunft des Fliegens

    Werden wir in Zukunft überhaupt noch fliegen? Durch Corona ist der internationale Flugverkehr stark zurückgegangen. Jürgen Schmude, Professor für Tourismuswirtschaft an der LMU München, glaubt, dass „Flugreisen nicht mehr im selben Maß zurückkehren.“ Die Airlines haben ihre Flotten verkleinert. Und der Klimawandel macht es dringend nötig, umweltfreundliche Alternativen zu entwickeln. CO2-neutrale Antriebe sind heute schon in Aussicht, aber noch nicht massentauglich. Der Flugbetrieb muss sich also modernisieren – das beginnt schon auf dem Weg zum Flughafen.

    Fliegende Taxis

    Einer der größten Zeitfresser beim Fliegen sind die langen Fahrten zwischen den Innenstädten und den Flughäfen. Mittlerweile wurden Tests mit autonom fliegenden Drohnen erfolgreich abgeschlossen. Durch den Batterieantrieb sind die Flugtaxis deutlich umweltfreundlicher, günstiger und leiser als klassische Hubschrauber, was sie überhaupt erst für den täglichen Einsatz brauchbar macht. Ab 2025 könnten erste Flugtaxis an europäischen Flughäfen auf festen Routen in die Stadtzentren im Einsatz sein.

    Erlebnis-Flughafen

    Der Flughafen von Singapur wäre ein Reiseziel für sich. Unter einer riesigen Glaskuppel haben Architekten hier einen tropischen Regenwald entstehen lassen – inklusive eines über 40 Meter hohen Wasserfalls. An den großen internationalen Drehkreuzen gibt es zum Teil Wellness-Anlagen, Imax-Kinos, Schlittschuhbahnen oder Golfplätze. Dank der Digitalisierung werden wir mehr Zeit haben, in solche Erlebniswelten einzutauchen. Gepäckaufgabe und Sicherheitskontrollen werden hochautomatisiert sein, sodass lange Wartezeiten der Vergangenheit angehören.

    Ökologisches Fliegen

    Norwegen will als erstes Land bis 2040 auf allen Inlandsstrecken nur noch Elektroflugzeuge einsetzen. Noch haben die Batterien eine zu geringe Leistung, um lange Strecken zurückzulegen oder größere Flieger zu bewegen. Vielversprechend sind daher Wasserstoffantriebe. Airbus will 2035 ein erstes Modell herausbringen. Für einen Transatlantikflug wird es aber noch nicht reichen. Auf Langstreckenflügen könnte daher Biosprit zum Einsatz kommen. Er ist heute nur in geringen Mengen verfügbar und deutlich teurer als normales Kerosin. Wirklich nachhaltig ist er zudem nur, wenn für seine Herstellung keine Anbauflächen verwendet werden müssen, sondern zum Beispiel Pflanzenreste oder Algen in Sprit verwandelt werden.

    Flugzeug fliegt durch leuchtende Polarlichter

    Per Überschall

    Mit Biokerosin könnten auch Überschallflugzeuge ein Comeback feiern. Das US-Start-up-Unternehmen Boom Supersonic entwickelt einen Jet für 75 Passagiere, der mit bis zu 2600 Kilometern pro Stunde um den Globus saust. Von Frankfurt nach New York wären es dann knapp vier Stunden.

    Science-Fiction oder Realität?

    Der Überschallzug „Hyperloop“ oder Weltraumtourismus gehören zu einigen der gewagtesten Hightech-Hypes. Technisch dürften sie in den kommenden Jahren umsetzbar sein. Aber werden sie auch unser Reiseverhalten ändern? Tourismus-Experte Schmude meint: „Die Pioniere im Tourismus haben immer viel bezahlt. Weltraumflüge sind extrem teuer. Aber in Zukunft wird das Angebot breiter sein.“

    Hyperloop

    Ende letzten Jahres gab es die erste bemannte Fahrt mit dem Hyperloop auf einer Teststrecke in der Wüste von Nevada. Allerdings noch mit einer eher bescheidenen Geschwindigkeit von 172 Stundenkilometern. Kein Vergleich zu den 1200 km/h, die er nach der Vorstellung seines Erfinders Elon Musk, Inhaber von Tesla und Space X, mal erreichen könnte. Ähnlich wie der Transrapid schwebt der Zug auf einer Magnetschiene. Geschwindigkeit versprechen sich die Entwickler davon, dass die Kapsel in einer Vakuumröhre ohne Luftwiderstand fährt. Bis der Hyperloop tatsächlich in den Passagierbetrieb gehen kann, braucht es noch einige technische Entwicklungen. Die niederländische Firma Hardt Hyperloop hofft, bis 2028 eine erste kommerziell betriebene Verbindung zwischen den Flughäfen Amsterdam und Frankfurt anbieten zu können. Das Unternehmen träumt von einem 10000 Kilometer langen Hyperloop-Netz in Europa. Die Züge wären solarbetrieben und damit CO2-neutral. Dennoch: Der Bau der Strecken würde viele Milliarden kosten, während die Kapseln relativ wenige Passagiere befördern können. Gerade auf mittleren Distanzen bleiben Hochgeschwindigkeitszüge auch langfristig die wahrscheinlichere Variante.

    Weltraumtourismus

    2001 startete der erste Tourist ins Weltall: Für den Flug zur ISS zahlte der US-Amerikaner Dennis Tito 20 Millionen Dollar. In den nächsten Jahren wollen Space X und Virgin Galactic den Weltraumtourismus auch einem größeren Publikum zugänglich machen. 600 Reservierungen für einen Flug zur Raumstation ISS sind bereits eingegangen. Der erste Mondtourist soll 2024 fliegen. Elon Musk möchte in Zukunft „Space-Tourismus für jeden“. Günstig wird der Spaß nicht werden. Aber: Bis Ende des Jahrzehnts könnte ein Ausflug ins All „nur“ noch 40 000 Dollar kosten. So stellt es sich Richard Branson vor, Eigentümer von Virgin Galactic.

    Dieser Artikel erschien in der Mai 2021-Ausgabe des deutschen NATIONAL GEOGRAPHIC Traveler Magazins. Keine Ausgabe mehr verpassen und jetzt ein Abo abschließen!

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