Südeuropa am Limit: In welchen Regionen Urlaub künftig schwieriger werden könnte
Mittelmeer, Strand und Sonne: So stellen sich viele ihren Traumurlaub vor. Vor Ort ist die Realität mittlerweile häufig eine andere. Hitzewellen, Waldbrände und andere Folgen des Klimawandels sind auch an Touristen-Hotspots spürbar.
In den Sommermonaten fliegen viele Deutsche in den Süden: 2023 waren Spanien und Italien laut einer Statistik der Statistikplattform Statista die beliebtesten europäischen Auslandsreiseziele. Gleichzeitig ist der Klimawandel in diesen Ländern mittlerweile vielerorts spürbar und macht auch vor beliebten Touristenregionen nicht Halt. Extreme Hitze, Waldbrände, Starkregen, Überflutungen, Wasserknappheit – seit einigen Jahren ist das in Südeuropa Realität.
Die Folgen des Klimawandels haben auch Auswirkungen auf den Tourismus: In einer Umfrage der European Travel Commission (ETC), dem Dachverband von über 30 europäischen Tourismusmarketingorganisationen, wurden „stabile Wetterbedingungen“ erstmals von etwa 31% der Teilnehmenden als ausschlaggebender Faktor bei der Entscheidung für eine Reiseregion genannt. In einer weiteren Befragung der ETC kam heraus, welche Länder bei Urlauber*innen im Jahr 2023 durch klimawandelbedingte Wetterextreme an Attraktivität gegenüber den Vorjahren verloren haben: Angeführt wurde die Liste von Griechenland, Spanien und Italien. Und auch das Auswärtige Amt weist mittlerweile auf die Folgen des Klimawandels für Tourist*innen in Südeuropa hin.
Welche Regionen besonders betroffen sind – und ob wir dort vielleicht bald keinen Urlaub mehr machen können.
Italien: Dürre auf Sizilien und Giftalgen an der Adria
Sizilien
Anfang August 2024 galt auf Sizilien Alarmstufe Rot in mehreren größeren Städten: Das Thermometer zeigte über einen längeren Zeitraum hinweg Tageshöchstwerte von über 30 Grad Celsius an – von Niederschlag keine Spur. Der italienische Wetterdienst warnte seitdem auf der größten Mittelmeerinsel mit der höchsten Hitzewarnstufe. Laut einer Mitteilung des Deutschen Wetterdienstes herrschte auf Sizilien bis Ende August an besonders heißen Tagen nachmittags sogar ein Arbeitsverbot, um die Bevölkerung vor Dehydration und Hitzschlag zu schützen.
Ein Bauernhof auf Sizilien. Aufgrund der anhaltenden Dürren fallen Ernten aus. Die Bevölkerung übt Kritik am Tourismus-Sektor, der von den Folgen des Klimawandels abgeschottet wird.
Und mit der anhaltenden Hitze bleiben auch Dürren nicht aus: Die italienischen Behörden haben Dürre-Warnungen für ganz Italien herausgegeben – am schlimmsten betroffen: Sizilien. 70 Prozent der Insel leiden unter extremer Trockenheit. Sizilien droht zur Wüste zu werden. Das Auswärtige Amt warnt Reisende vor dem „erheblichen Wassermangel“, der damit einhergeht. Bisher versuchen die italienischen Behörden Urlauber*innen vom Geschehen abzuschotten. Doch während die Pools in den touristischen Anlagen noch gefüllt sind, bekommt die italienische Bevölkerung die Folgen der Dürre bereits zu spüren: Der Lago di Pergusa, Siziliens größter natürlicher See, ist beinahe ausgetrocknet. Die Bauern auf der Insel rechnen mit Ernteausfällen. In einigen Ortschaften wird das Wasser streng rationiert, in anderen musste ein Tankschiff der italienischen Marine die Einwohner*innen bereits mit zwölf Millionen Litern Wasser vom Festland versorgen, wie der WDR berichtet.
Der Unternehmerverband Confcommercio warnt vor künftigen Folgen für den Tourismus: „Die derzeitige Wasserkrise stellt eine konkrete und unmittelbare Bedrohung dar – nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Lebensqualität der Bürger, die Landwirtschaft, den Tourismus und das gesamte Wirtschaftsgefüge der Region“, schreiben Gianluca Manenti und Vittorio Messiona, Regionalvorsitzende von Confcommercio und Confesercenti Sicilia in einem offenen Brief an den Politiker Renato Schifani. Sollte sich an der Gesamtsituation nichts ändern, könne das Land mit großen Einbußen im Tourismus und in der Wirtschaft rechnen. Für Reisende in dieser Region bedeutet das, dass auch sie in Zukunft bewusster mit der knappen Ressource Wasser umgehen müssen.
Adria
Etwas weiter östlich, an der Adria, kämpft die italienische Bevölkerung diesen Sommer gegen eine besonders hartnäckige Einwandererin: die Giftalge Ostreopsis Ovata. Die tropische Spezies gelangte einst vermutlich über japanische Handelsschiffe ins Mittelmeer. Seit den Neunzigerjahren breitet sie sich durch steigende Meerestemperaturen in den Küstenregionen aus. Mit durchschnittlichen Oberflächentemperaturen von über 28 Grad Celsius bietet das Mittelmeer mittlerweile den perfekten Nährboden für die Algenart. Laut einer Studie aus dem Jahr 2021 kam es in den letzten Jahren im Adriatischen Meer, insbesondere in Süditalien, zwischen Juli und September zu immer größeren Algenblüten der Art.
An manchen Stränden der Adria-Küste war Mitte August an eine Abkühlung nicht mehr zu denken: Giftige Algen sorgten für Badeverbote.
Für Menschen ist die giftige Alge gefährlich: „Betroffene Strandbesucher berichteten über grippeähnliche Symptome wie Hautrötungen, Atemnot, Erkältungen, Fieber und Bindehautentzündung“, heißt es in der Studie. Ob das Einatmen der Aerosole der Alge bereits reicht, um diese Symptome hervorzurufen, oder ob die Ursache der Vergiftung durch die Alge selbst, deren Zellbruchstücke, Schleim oder freigesetzte Toxine verursacht wird, können die Forschenden zur Zeit noch nicht beantworten. Klar ist dagegen, dass die Krankheitsanzeichen nach wenigen Tagen von selbst wieder verschwinden.
In einigen Regionen war die Giftalge in diesem Sommer so stark verbreitet, dass die lokale italienische Umweltschutzbehörde Arta Abruzzo im August temporäre Badeverbote erließ – so zum Beispiel in Ortona, Rocca San Giovanni und San Vito Chietino am Adriatischen Meer. Für Urlauber*innen kam das Verbot während der Hauptsaison zu einem schlechten Zeitpunkt. Die Alge könnte aber auch andernorts bald den Badespaß im Urlaub trüben: Im Nordwesten Italiens – in Ligurien – sowie in einigen Mittelmeerregionen von Spanien und Frankreich konnte Ostreopsis Ovata ebenfalls nachgewiesen werden.
Spanien: Wassernotstand in Katalonien und Andalusien
Katalonien und Andalusien
Laut der 40. Deutschen Tourismusanalyse der Stiftung für Zukunftsfragen ist Spanien seit Jahren das beliebteste Reiseziel in der EU. Oft besucht werden neben den Kanaren und den Balearen die Regionen Katalonien und Andalusien: 2022 befanden sich die autonomen Gemeinschaften laut einer Statistik des Statistischen Bundesamts unter den Top 10 Reisezielen in Europa. Doch wie auf Sizilien geht auch den beiden spanischen Regionen das Wasser aus – und das bereits seit drei Jahren.
Anfang 2024 erlebte das Land die schlimmste Dürre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor etwa 100 Jahren. In Katalonien wurde schon Anfang Februar der Wassernotstand ausgerufen. Die Region Málaga in Andalusien schloss sich wenige Tage später an. Die Regierung reglementierte daraufhin den Wasserverbrauch pro Kopf. Betroffen davon waren hauptsächlich Einwohner*innen und Landwirtschaft, weniger der Tourismus. Dessen einzige Beschränkung: Die Pools durften nicht nachgefüllt werden, sobald das Wasser verdunstete.
Auch Barcelona, die Hauptstadt der Region Katalonien, war vom Wassernotstand betroffen.
„In den letzten Monaten hat sich gezeigt, dass der Tourismussektor im Vergleich zu anderen Wirtschaftstätigkeiten nicht gleich behandelt wird, was die Dürreeinschränkungen betrifft“, heißt es in einer Pressemitteilung der Plattform Aigua és Vida, die sich für ein gerechtes Wassermanagement in Katalonien einsetzt. Während andere Branchen ihren Verbrauch um bis zu 80 Prozent reduzieren mussten, wurde der Tourismussektor dem häuslichen Verbrauch gleichgestellt.
Dabei trage dieser sogar eine Mitschuld an den Dürren: Gerade in touristischen Regionen wird durch die Massen an Urlauber*innen besonders viel Wasser verbraucht, zum Beispiel durch das Befüllen von Pools oder das Bewässern von Golfplätzen. Deshalb fordern die Umweltschützer*innen größere Einschränkungen für den Sektor – darunter auch eine Beschränkung des Tourismus. Sollten sie Erfolg haben, könnte die Besucher*innenanzahl in Barcelona und Umgebung künftig begrenzt werden.
Griechenland: Hitzewellen, Waldbrände und Flutkatastrophen
Athen
Anfang Juli 2024 wurde Griechenland von einer Hitzewelle heimgesucht: Mancherorts herrschten Temperaturen von mehr als 40 Grad Celsius – und das über zwei Wochen. Eine solche Hitzewelle gab es in Griechenland seit mehr als 30 Jahren nicht mehr. Aufgrund der Extremtemperaturen wurde die Akropolis, Athens Touristenattraktion, von 12 bis 17 Uhr geschlossen. Die Regierung gab Hitzewarnungen heraus. Trotzdem kamen infolge der hohen Temperaturen laut einem Bericht des ZDF mehrere Tourist*innen ums Leben.
Die Akropolis in der griechischen Mittagshitze.
Die Rekordhitze, die laut einer Analyse der World Weather Attribution Initiative hauptsächlich durch den menschengemachten Klimawandel ausgelöst wird, ist allerdings nicht das einzige Problem des Landes. Seit Jahren kämpfen die Griechen mit den Folgen der andauernden Hitze, unter anderem mit Waldbränden. Mitte August tobte vor den Toren Athens der größte Waldbrand des Jahres 2024. Das Auswärtige Amt gibt ganzjährig Sicherheitshinweise für Tourist*innen und warnt davor, in von Bränden betroffene Gebiete zu reisen. Andernfalls müssten Urlauber*innen mit Evakuierungen rechnen.
Thessalien
Wer eine Herbstreise nach Griechenland unternimmt, sollte sich laut dem Auswärtigen Amt auch mit den von August bis November wütenden Herbststürmen vertraut machen. Diese könnten sich zu sogenannten Medicanes entwickeln – tropensturmähnlichen Sturmtiefs im Mittelmeer. Im September 2023 kam es zuletzt zu einem solchen Medicane, der in Griechenland, Bulgarien, der Türkei und Libyen zu extremen Überflutungen führte. Allein in Griechenland starben 17 Menschen, fast 4.500 Personen mussten aus Notlagen gerettet werden. Bis heute sind viele Flächen in der griechischen Region Thessalien zerstört.
Sturmtief Daniel befand sich am 4. September 2023 direkt über Griechenland. Das sich später zum Medicane entwickelte Sturmtief sorgte mit seinen starken Regenfällen für schwere Überflutungen.
Trotzdem sollen die Folgen des Klimawandels nicht das Ende des Tourismus bedeuten. Das Land will 2,1 Milliarden Euro in den Katastrophenschutz investieren, um Einwohner*innen und Tourist*innen vor den Naturgewalten zu schützen. Abzuschrecken scheinen die Naturkatastrophen die Urlauber*innen sowieso nicht: Griechenland steuere 2024 auf einen Tourismusrekord zu, verkündete die Tagesschau.