Wetterproblem: Wirbelstürme werden langsamer

Wenn tropische Wirbelstürme sich langsamer fortbewegen, kann es vermehrt zu verheerenden Überschwemmungen kommen.

Von Craig Welch
Veröffentlicht am 8. Juni 2018, 11:32 MESZ
Im September 2017 richtete der Hurrikan Maria große Schäden an. Wissenschaftler warnen, dass derartige Stürme in ...
Im September 2017 richtete der Hurrikan Maria große Schäden an. Wissenschaftler warnen, dass derartige Stürme in Zukunft noch verheerender werden könnten.
Foto von Cira, Noaa

Noch vor ein paar Jahrzehnten zogen, Zyklone, Hurrikans und Taifune (die alle dasselbe Wetterphänomen beschreiben, das je nach Region unterschiedlich betitelt wird) deutlich schneller über die Landschaft als heutzutage. Zu diesem Ergebnis kam eine aktuelle Studie, die in „Nature“ erschien.

Eine thematisch verwandte Analyse, die im Mai 2018 veröffentlicht wurde, lässt zudem vermuten, dass derartige Stürme durch die Klimaerwärmung in Zukunft sogar noch langsamer werden.

Ein Sturm, der langsamer wird – das mag zunächst nach einer guten Sache klingen. Das Problem besteht allerdings darin, dass die Windgeschwindigkeiten innerhalb des Sturms hoch bleiben, wohingegen das gesamte Sturmsystem langsamer über den Planeten zieht. Damit haben Städte, die in der Bahn des Sturms liegen, länger mit Regenmassen und Unwetter zu kämpfen.

Zusammen deuten die beiden Studien darauf hin, dass der Klimawandel die Gefahren durch Wirbelstürme bereits auf eine Art und Weise erhöht, mit der man nicht gerechnet hatte. Besonders die Wahrscheinlichkeit verheerender Überschwemmungen steigt durch diesen Umstand.

“Ein langsam werdender Sturm verheißt nichts Gutes“, sagt James Kossin vom NOAA-Zentrum für Wetter und Klima in Wisconsin und Autor der „Nature“-Studie. „Er kann Sturmfluten verstärken. Er kann dafür sorgen, dass Gebäude länger starken Winden ausgesetzt sind. Und er sorgt für mehr Regen.“

WANN KOMMT DIE FLUT?

Infolge des Starkregens durch Hurrikan Harvey, der im vergangenen August um die anderthalb Meter Wasser pro Quadratmeter auf Houston in Texas niedergehen ließ, zeigten Wissenschaftler, dass der Sturm durch die höheren Luft- und Wassertemperaturn mehr Feuchtigkeit aufnahm. Diese ging dann als Regen nieder. Der Klimawandel hat sowohl die Intensität des Sturms als auch die Wahrscheinlichkeit für sein Auftreten erhöht.

In seiner Studie entdeckte Kossin aber noch eine andere Veränderung, die das zerstörerische Potenzial eines Sturms erhöht. Er zeigte, dass tropische Zyklone auf der ganzen Welt von 1949 bis 2016 ihr Tempo im Schnitt um zehn Prozent verringert haben. In manchen Regionen wurden sie sogar noch langsamer, sobald sie auf Land trafen. In der westlichen Nordpazifikregion verringerte sich ihre Geschwindigkeit um fast ein Drittel. Das bedeutet, dass ein Sturm, der ohnehin schon mehr Feuchtigkeit enthält, diese umso länger am gleichen Ort abregnen kann.

Mit Ausnahme des Indischen Ozeans, wo sich die Stürme tendenziell anders verhalten, „weisen alle anderen Regionen diese beständige Verlangsamung auf“, so Kossin. „Der Trend geht immer in eine Richtung.“

Kossins Arbeit basiert auf detaillierten Daten von Stürmen aus fast 70 Jahren. Allerdings hat er nicht versucht, die Ursache der Verlangsamung zu finden. Dennoch passt diese Veränderung genau zu dem, was andere Experten für Wirbelstürme von der Klimaerwärmung erwartet haben. Da sich die Polarregionen schneller als andere Teile der Erde erwärmen, kommt es zu Veränderungen im Druckgefälle. Das schwächt jene Winde ab, die solche Stürme vorantreiben.

“Tropische Zyklone werden nur vom Wind weitergetragen, insofern ergibt das Sinn“, sagt Kossin.

Die Klimawissenschaftlerin Christina Patricola beschreibt Kossins Arbeit als “wichtig und neu“ und fand sie „ziemlich überzeugend“.

“Ich war von seinen Ergebnissen nicht überrascht“, erzählt sie. „Aber das Ausmaß der Verlangsamung hat mich erstaunt.“

In einem Editorial zu Kossins Studie verweist sie auf die neuen Fragen, die seine Arbeit aufwirft. Wenn besonders langsam voranschreitende Stürme in den letzten Jahren beispielsweise wahrscheinlicher geworden sind, bedeutet das auch, dass Stürme wie Harvey, der tagelang am selben Ort festzuhängen schien, ebenfalls zunehmen?

Kossin hofft, dass die Wissenschaftler anfangen werden, neue Modelle zu erstellen, die aufzeigen, welche Gemeinden dem größten Risiko ausgesetzt sind. Da Stürme in manchen Regionen in Polrichtung wandern und bereits stärker werden, könnten sie mit ihren gewaltigen Regenmassen auch Orte bedrohen, die normalerweise nicht in ihrem Pfad liegen würden. „Es ist nicht gut, wenn solche Faktoren zusammenkommen“, sagt er.

BLICK IN DIE ZUKUNFT

In der zweiten Studie, die ein Team unter der Leitung von Ethan Gutmann durchführte und die im „Journal of Climate“ erschien, wurden 22 Hurrikans der letzten 13 Jahre untersucht. Die Forscher versuchten herauszufinden, ob und wie sich die Stürme verändern würden, wenn sie in Zukunft bei einem wärmeren Klima auftreten würden.

Sie speisten die Sturmdaten in Computermodelle ein, die eine Zukunft simulierten, die im Schnitt ein paar Grad wärmer ist. Das Ergebnis war, dass sich die Zyklone 9 Prozent langsamer fortbewegten und mit 24 Prozent mehr Regen deutlich nasser waren.

BELIEBT

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    “Wir zeigen, dass sich [Stürme] nicht nur langsamer fortbewegen, sondern auch heftiger sind“, so Gutmann. „Das beinhaltet ernstzunehmende Implikationen für Überschwemmungen im Inland und für städtische Infrastrukturen.“

    Gutmann und Kossin verfolgten ganz unterschiedliche Ansätze. Der eine untersuchte historische Daten, der andere nutzte Modelle, um herauszufinden, wie sich Stürme unter den vorhergesagten wärmeren Bedingungen verhalten würden. Beide Ansätze haben natürlich auch ihre Grenzen. Kein heutiger Sturm wird in Zukunft noch einmal genauso auftreten.

    Aber beide Wissenschaftler verweisen darauf, dass das Gesamtbild entscheidend ist. Der Umstand, dass ihre Ergebnisse recht ähnliche Trends aufweisen, sollte ein Weckruf sein.

    “Wir treiben die Arbeit beide voran und liefern neue Befunde“, sagt Gutmann. „Und wenn man mehr und mehr Befunde hat und alle in dieselbe Richtung deuten, hat man mehr Vertrauen in die Ergebnisse.“

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