Gleitflug ohne Segel: Wie Salamander Sprünge aus großer Höhe überleben
Dass Salamander gerne auf hohe Bäume klettern, ist bekannt. Doch wie kommen sie wieder herunter? Forschende haben nun beobachtet: Der Wandernde Salamander (Aneides vagrans) verlässt die Bäume nicht nur zu Fuß – sondern auch auf dem Luftweg.
Aneides vagrans, der wandernde Salamander, verbringt fast sein ganzes Leben in den Kronen Kalifornischer Küstenmammutbäume – mehr als 50 Meter über dem Boden.
Wandersalamander (Aneides vagrans) verbringen viel Zeit in luftiger Höhe. Sie sind im Nordwesten Kaliforniens zu Hause, wo die berühmten Kalifornischen Küstenmammutbäume – die sogenannten Redwoods – wachsen, die bis zu 100 Meter hoch werden können. Deren Kronen nutzen die sieben bis 13 Zentimeter großen Amphibien als Zufluchtsort und verbringen somit einen Großteil ihres Lebens hoch über dem Erdboden.
Doch was passiert, wenn ihnen Fressfeinde in den Baumkronen zu nahe kommen? Dann entfliehen sie quasi fliegend – über eine Reihe von Farnmatten, die sich zwischen den Ästen der Bäume befinden. Das Ungewöhnliche daran: Die Salamander haben im Gegensatz zu anderen „fliegende“ Amphibien wie beispielsweise dem Wallace-Flugfrosch keine Hautlappen oder Segel. Wie überleben sie also diese riesigen Sprünge? Der Biologe Christian E. Brown von der University of South Florida hat darauf nun eine Antwort gefunden.
Die Ergebnisse seiner Forschung hat Brown zusammen mit Kollegen der University of California im Fachmagazin Cell veröffentlicht. Der Studie zufolge nutzen die Salamander Techniken, die denen menschlicher Fallschirmspringer ähneln. Sie sind weltweit die ersten Salamander, bei denen diese Art der Fortbewegung beschrieben wurde.
Rechts: Stereotypische Fallschirmsprunghaltung von A. vagrans beim Fallschirmsprung aus frontaler und seitlicher Sicht. Links: A. vagrans beim Gleiten im vertikalen Windkanal.
Im Gleitflug gen Boden
In seinem Experiment ließen Brown und sein Team fünf Wandernde Salamander aus dem Kalifornischen Wald in einem Miniatur-Windkanal fliegen – insgesamt 45 Mal. Bei jedem der Durchgänge positionierten sich die Salamander sofort in einer Haltung, die an Fallschirmspringer erinnert: Sie streckten ihre Gliedmaßen von sich und Bauch und Brust nach unten, um so den Luftwiderstand zu nutzen.
Dabei kommt dem Salamander offenbar seine besondere Körperform zugute. „Die großen Füße und langen Zehen von A. vagrans scheinen beim Fallschirmspringen ventral konkave Flächen zu bilden – also zur Körpervorderseite gebeugt –, die nützlichen Auftrieb und Widerstand erzeugen“, so die Forschenden. Dadurch verlangsame sich die Fallgeschwindigkeit um zehn Prozent.
Bei mehr als der Hälfte der Versuche nutzten die Wandernden Salamander außerdem ihren Schwanz oder ihre Beine zur Kurskorrektur. Sie können ihren fliegenden Abstieg also kontrolliert vornehmen – und fallen nicht einfach von Farnmatte zu Farnmatte.
Bessere Gleitfähigkeiten durch mehr Zeit in Baumkronen
Die Forschenden führten das Experiment noch mit vier anderen Salamander-Arten durch, darunter E. eschscholtzii und A. flavipunctatus. Dabei wurde deutlich: Je mehr Zeit die Salamander in Baumkronen verbringen, desto besser beherrschen sie den Gleitflug. So nahm E. eschscholtzii, der normalerweise ausschließlich am Boden lebt, die Fallschirmhaltung nur in drei von 45 Durchgängen ein.
Brown will nun herausfinden, zu welchem Zweck die Salamander die ungewöhnliche Fortbewegungsart hauptsächlich nutzen – und ob es noch mehr Tiere gibt, die Fallschirmspringen können: „Diese Entdeckung rechtfertigt weitere Untersuchungen über ungewöhnliche, aber unauffällige aerodynamische Merkmale anderer baumbewohnender Lebewesen, die möglicherweise einen kontrollierten Abstieg ermöglichen.“