Wenn LEDs und Software-Netzwerke Indoor-Gemüse züchten

Bowery Farms und andere Unternehmen bauen mit Hilfe von LEDs und Algorithmen Nahrungsmittel in Lagerhallen an.

Von Christina Nunez
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:39 MEZ
Salat auf Tisch
Bowery Farms züchtet hydroponische Ernten in einer Lagerhalle in Kearny, New Jersey, USA. Dabei kommt LED-Beleuchtung zum Einsatz. Laut dem Mitbegründer des Unternehmens, Irving Fain, übersteigt die Produktivität des Indoor-Farmings die der traditionellen Landwirtschaft bei Weitem.
Foto von Bowery

In einer Lagerhalle in New Jersey stehen Beete voller hydroponisch kultivierter Gemüsepflanzen unter Wachstumslampen. Ihr Ziel: teure Restaurants und Lebensmittelläden in New York City und den umliegenden Gebieten. Bowery Farms ist eines von diversen Indoor-Landwirtschafts-Start-ups, das den Anbau von Nahrungsmitteln neu erfinden möchte. Dafür kommen neue Technologien zum Einsatz, angefangen von effizienter Beleuchtung bis hin zu Überwachungssoftware für die Pflanzen.

Der Mitbegründer und Firmenchef von Bowery Farms, Irving Fain, sprach mit uns über die Zukunft und Bedeutung der städtischen Landwirtschaft.

Inwiefern unterscheidet sich Bowery Farms von traditioneller Landwirtschaft?

Wir züchten [unsere Pflanzen] in einer vollständig kontrollierten Umgebung, was bedeutet, dass wir 365 Tage im Jahr züchten können, völlig unabhängig von Wetter oder Jahreszeit. Die verlässliche und gleichbleibende Versorgung mit qualitativ hochwertigen Erzeugnissen das ganze Jahr über ist eine völlige Abkehr von der Art, auf die die Landwirtschaft jahrhundertelang funktioniert hat. Wir bauen unsere ganzen Lebensmittel ohne Pestizide, Herbizide, Fungizide oder Insektizide an.

Wenn man das auf diese Art draußen auf dem Feld machen würde, hat man üblicherweise beträchtliche Einbußen bei den Ernteerträgen. In unserem Fall sind wir sogar in der Lage, eine Reihe von Pflanzen mehr als doppelt so schnell heranzuzüchten, wie es auf dem Feld möglich wäre. Am Ende sind wir hundert Mal produktiver als dieselbe Fläche an Ackerland und sparen mehr als 95 Prozent Wasser.

Unsere Farmen sind so nah am Verzehrpunkt, dass unsere Zeit zwischen Ernte und Verzehr nur ein Bruchteil von dem beträgt, was in der konventionellen Landwirtschaft üblich ist. Wir können ein viel besseres Geschäft aufbauen, als es viele traditionelle Bauern heute haben.

Das ist ein beeindruckender Prozentsatz für Wassereinsparungen. Wie kommt der zustande?

Wir haben ein System gebaut, das es uns ermöglicht, den Wachstumsprozess der Pflanzen zu überwachen und ihnen nur das zu geben, was sie brauchen, wenn sie es brauchen. Wir gehen also mit viel mehr Bedacht vor, wenn wir den Pflanzen die Dinge geben, die sie zum Wachsen benötigen. Wir sind außerdem in der Lage, das Wasser wieder in Umlauf zu bringen und wiederzuverwenden.

Ich habe schon immer sehr an die Fähigkeit der Technologie geglaubt, schwierige Probleme zu lösen. Wenn Sie sich die momentanen Landwirtschaftssysteme ansehen, dann erkennen Sie, dass sie eigentlich – direkt oder indirekt – das Epizentrum so vieler globaler Probleme sind. Laut den Vereinten Nationen werden wir bis 2050 neun bis zehn Milliarden Menschen auf der Erde haben. Und wir brauchen zwischen 50 und 70 Prozent mehr Nahrung, um diese wachsende Bevölkerung zu versorgen.

Für diese zusätzliche Nahrung müssen viele Hebel in Bewegung gesetzt werden – das Problem kann nicht nur durch das, was wir hier tun, gelöst werden. Aber es ist wichtig herauszufinden, wie man Nahrung auf effizientere Weise anbauen kann. Mich hat diese Frage wirklich fasziniert, wie man städtische Umgebungen mit frischer Nahrung versorgen kann, und wie man das auf eine Art und Weise macht, die effizienter und nachhaltiger ist. 

Bowery stapelt die Pflanzen vertikal, um die Anbaufläche zu vergrößern.
Foto von Bowery

Die Idee, Nahrung drinnen anzubauen, ist natürlich nicht neu – was hat sich verändert?

Die Menschen nutzen schon lange Licht, um Pflanzen drinnen anzubauen. Das Problem war, dass die Beleuchtung teuer und ineffizient war.

Das hat sich erst vor sechs oder sieben Jahren geändert. Die Kosten für LED-Lampen sind um 85 Prozent gefallen und ihre Effizienz hat sich mehr als verdoppelt. Die LEDs haben auch das Stapeln [der Pflanzen] ermöglicht, da sie sehr dünn sind und die Hitze gut von den Pflanzen wegziehen. Das bedeutet, dass man vertikal stapeln und den Rauminhalt effizienter nutzen kann.

Wir haben auch ein [firmeneigenes] Softwarenetzwerk auf unserer ganzen Farm. Wir sammeln Milliarden Datenpunkte in Echtzeit. Wir haben Kameras, die nicht nur Bilder der Pflanzen machen, sondern diese Bilder auch in Algorithmen für maschinelles Lernen einspeisen. Die können tatsächlich verstehen, wie diese Pflanze wächst, welche Qualität man sieht – und dann in Echtzeit Änderungen an den Bedingungen vornehmen, um zu beeinflussen, wie die Pflanzen wachsen.

Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der eine innovative Idee hat und versucht, sie umzusetzen?

Leg los. Hab keine Angst davor, Fragen zu stellen, und kontaktiere so viele Leute wie möglich, um so viel Wissen wie möglich anzuhäufen. Die Leute sind oft überrascht, wie viel sie lernen könnten, wenn sie einfach den richtigen Leuten die richtigen Fragen stellen.

Auch wenn ich nicht empfehle, auf gut Glück loszulegen, gibt es einen Punkt des sinkenden Ertrags, ab dem das Nachdenken und das Sprechen mit Leuten weniger Wert hat, als einfach anzufangen.

Der Punkt, an dem Unternehmer zögern, ist oft direkt an dieser Klippe. Sie suchen nach irgendeiner Art von Gewissheit, die sie dazu bringen wird, zu springen. Die Realität für Unternehmer sieht aber so aus, dass Gewissheit nicht existiert – und nie existieren wird. Man muss einfach springen.

Das Interview wurde zugunsten von Länge und Deutlichkeit redigiert.

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