Ganz schön Mais!

Mit einer Alternative zur Holzkohle sorgen zwei junge Unternehmer dafür, dass weniger Wald verschwindet.

Von Marlene Göring
Veröffentlicht am 28. Juni 2018, 06:00 MESZ
Maiskolben
Die Spindeln des Maiskolbens werden nach dem Dreschen zu umweltfreundlicher Grillkohle verarbeitet.
Foto von Colour Box

Zwei Jahre hat er dafür gebraucht, und jetzt dauert es nur ein paar Sekunden, bis seine Erfindung in Flammen aufgeht. Das muss auch so sein. Johannes Musiol hält ein Feuerzeug an die dünnen, gelbroten Maisspindeln, die er aus einem Papiersack in den Kugelgrill geschüttelt hat. Ein paar Spritzer Bioanzünder - schon züngelt das Feuer empor. „Läuft!“, sagt Musiol.

Er und sein Geschäftspartner Valentin Schnoor demonstrieren heute in einem Park in Berlin-Kreuzberg, was ihre „Maisterkohle“ kann, eine Alternative zur Grillkohle: Sie staubt nicht und färbt nicht ab. Sie entwickelt kaum Rauch, duftet nur leicht nach angeschmortem Gras und brennt schnell an – ohne endloses Wedeln und Pusten, anders als Holzkohle. Und: Für sie wurden keine Tropenwälder abgeholzt.

Deutschland ist Europameister beim 
Import von Holzkohle: Um die 240.000 
Tonnen werden jährlich gekauft, die
meisten davon aus Nigeria, Paraguay
 und Polen. In den Kohlebeuteln ist aber oft nicht drin, was draufsteht, zeigen Tests von Umweltschutzorganisationen: 2017 fand der WWF in 40 Prozent seiner Stichproben Holz aus den Tropen – sogar in Säcken, die mit „Heimische Buche!“ warben oder das FSC-Siegel für nachhaltige Holzwirtschaft trugen.

Was das in den Herkunftsländern bedeutet, haben Musiol und Schnoor selbst gesehen, als sie für eine deutsche Agrarfirma in Afrika arbeiteten. Schnoor pendelte morgens von Sambias Hauptstadt Lusaka zur Farmarbeit aufs Land. „Wir fuhren an einem Waldreservat vorbei – und konnten zuschauen, wie es verschwand.“ In Uganda traf Musiol Nomaden, die von Wald zu Wald zogen – um ihn zu verkohlen. Für viele Einheimische ist das die einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen. Doch sie zerstören so eine wichtige Ressource. Das Grundwasser sinkt. Ohne Wald, der den Boden vor Erosion schützt, werden die Folgen des Klimawandels noch spürbarer.

“Die Maiskohle staubt nicht, entwickelt kaum Rauch und brennt schnell an. Und: Für sie wurden keine Tropenwälder abgeholzt. ”

Die Außenhaut und der Kern der Spindeln sind nun heruntergebrannt, ihr innerer Holzring glüht nach und verströmt eine gleichmäßige Hitze. Schnoor packt Rindersteaks und Würstchen auf den Rost. Grillen ist an sich schon keine umweltfreundlichen Angelegenheit – wegen der schlechten Klimabilanz des Fleisches. „Das ist uns natürlich klar“, sagt Musiol . „Wir wollen nicht mit der Moralkeule kommen. Sondern zeigen: Dieser kleine Beitrag ist ganz einfach.“

 Geschäftlich war es das nicht. Die beiden fühlen sich der Berliner Start-up-Szene nicht wirklich zugehörig – in die Welt der Landwirte mussten sie trotzdem erst eingelassen werden. „Die dachten wohl: ‚Jetzt kommen diese Berliner Hipster und wollen was von uns‘“, sagt Musiol.

Jetzt arbeiten sie mit einem deutschen Bauern und einer Saatgutfirma zusammen, auch aus Ungarn beziehen sie Spindeln – die dort nicht einmal extra getrocknet werden müssen, weil die Pflanzen im heißen Sommer aus- dörren. „Sie fallen in der Landwirtschaft sowieso an. Wir fördern also keine Monokulturen“, betont Musiol. Normalerweise verrotten die Zapfen, die nach dem Dreschen der Körner übrig bleiben, einfach auf dem Acker. So wie in Italien und Kroatien, wo Musiol im Urlaub klar wurde, dass seine Idee funktionieren kann: Dort ist der Holzkohleersatz viel verbreiteter. Heute kann man den Dreikilosack „Maisterkohle“ für 4,95 Euro online und auch in vielen Edeka-Filialen kaufen. „Wir spielen jetzt bei den Großen mit“, freut sich Schnoor. Dieses Jahr haben sie mit 500 Tonnen geplant.

Nach einer halben Stunde ist das Kilo Maiskohle durchgeglüht, sie verbrennt recht schnell. Übrig ist ein Häufchen Asche, „nicht mal so groß wie mein Handteller“, Schnoor hält zum Beweis den Arm daneben. Er und Musiol grillen das ganze Jahr – mit Kunden etwa oder um eine neue Sorte Mais zu testen. Nur privat kommen sie kaum mehr dazu.“

Diesen Artikel finden Sie auch in Ausgabe 7/2018 des National Geographic Magazins. Jetzt ein Magazin-Abo abschließen!

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