Großes Geschäft? Brennstoff und Biogas aus menschlichen Fäkalien

Sie sind ein Rohstoff, der von Schwellenländern wie Industriestaaten zur Energiegewinnung genutzt wird. Mit Blick auf eine Kreislaufwirtschaft steckt in Fäkalien aber noch viel mehr.

Von Anna-Kathrin Hentsch
Veröffentlicht am 3. Juni 2020, 12:18 MESZ
Energie aus Fäkalien

Wie Fäkalien zur Energiegewinnung genutzt werden, hängt stark vom Standort ab. Denn Industrienationen und Schwellenländer stehen vor ganz anderen Herausforderungen. 

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Es ist kein Thema, über das in modernen Gesellschaften gerne gesprochen wird. Fäkalien sind nicht sexy, trotzdem gehören sie zu einem funktionierenden Organismus. So lange es Menschen und Tiere auf der Erde gibt, sind sie als Ressource quasi unendlich verfügbar. Verbirgt sich in menschlichen Fäkalien ein ungenutzter Schatz zur Energiegewinnung, der Holz und Kohle als Brennstoff ersetzen kann? „Aus energiewirtschaftlicher Sicht sind Biomassen – und zu denen gehören natürlich auch menschliche Fäkalien – grundsätzlich Energieträger, die sich verschiedentlich nutzen lassen“, erklärt Prof. Dr. Kai Hufendiek vom Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart.

Energiegewinnung weltweit unterschiedlich

Dabei kommt es immer auf den Standort an, an dem verwertet wird. In Deutschland, wie auch in den meisten anderen Industrienationen, sind menschliche Fäkalien energiewirtschaftlich kein großes Geschäft. „Wir betrachten sie energiewirtschaftlich eher als Nebenprodukt, weil Abwasserbehandlung und Abfallbeseitigung im Vordergrund stehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass dabei keine wertvolle Energie in Form von Wärme und Strom gewonnen wird. Diese wird sinnvoll genutzt, soweit der Rohstoff zur Verfügung steht“, so Dr. Hufendiek. An anderen Standorten geht es dagegen um die Beseitigung elementarer Probleme. „In Entwicklungsländern, wo häufig Kanalisationssysteme und Klärwerke fehlen oder nicht flächendeckend verbreitet sind, sieht das natürlich grundsätzlich anders aus. Hier ist neben der Energiegewinnung die damit verbundene Verbesserung der hygienischen Verhältnisse für die dort lebenden Menschen vordergründig.“

Prof. Dr.-Ing. Martin Kranert, Lehrstuhlinhaber für Abfallwirtschaft und Abluft am Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart hat selbst an zahlreichen Projekten in Schwellenländern gearbeitet. Er unterstreicht ebenfalls die zwei völlig unterschiedlichen Ansätze zwischen den Ländern. „In Industrienationen haben wir landesweit zentrale Abwasserentsorgungssysteme, die Abwässer aus der Toilette, Duschen und der Waschmaschine und zum Teil auch das Regenwasser gemeinsam als Grauwasser erfassen und das Ganze in die Kläranlage leiten. Die Hauptstädte vieler Entwicklungs- und Schwellenländer unterscheiden sich im Zentrum von Industriegroßstädten überhaupt nicht. Stadtzentren haben in vielen Fällen europäischen Zuschnitt, auch was Verkehr und Infrastruktur angeht. Kommt man in die Randbereiche, in ländliche oder indigene Bereiche, hat man ganz andere Rahmenbedingungen als bei uns. In diesen Regionen, die praktisch keine zentrale Abwassererfassung haben, wirkt die Verwendung der Fäkalien zur Energieerzeugung in Richtung der Hygienisierung“, erklärt er.

Als Ersatz für Brennholz wandelt das Projekt Sanivation in Kenia Fäkalschlamm in Biomassebrennstoffe um.

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Innovative Projekte

Fehlen Abwasserkanäle, gibt es Initiativen und Projekte wie Sanivation, die mit der Kenianischen Regierung zusammenarbeiten um den wachsenden Bedarf an Abfallverarbeitung zu decken. Angepasst an die örtlichen Gegebenheiten werden zum Beispiel Toiletten aufgestellt, deren Inhalt eingesammelt wird. In errichteten Anlagen wird der Fäkalschlamm in Biomassebrennstoffe umgewandelt, die als Ersatz für Brennholz dienen. Auch hier machen die Erfinder und Betreiber kein großes Geschäft. „Die Umsatzerlöse decken die Betriebskosten. Jede eingesetzte Anlage sorgt für eine sichere Abfallbewirtschaftung, schafft Arbeitsplätze vor Ort, verhindert Umweltverschmutzung und rettet Bäume durch unsere innovativen Biomassebrennstoffe“, so Sanivation. Für Dr. Kranert ein durchaus richtiger Ansatz. „Vom Grundsatz her ist das sinnvoll. In Indien wird das seit vielen Jahren gemacht. Die Fäkalien werden erst getrocknet und dann verbrannt. Doch im Sinne der Kreislaufwirtschaft halte ich es für wichtig, dass man nach der Verbrennung nicht aufhört. Die Asche enthält noch Spurenstoffe wie Phosphor oder Calium, so dass man sie auf jeden Fall als Dünger in der Landwirtschaft einsetzen kann.“

Die Erzeugung und Nutzung von Biogas in Indien, China oder Afrika hält der Experte noch für ausbaufähig: „Das ist durchaus sinnvoll und vom Handling ohne weiteres machbar. Die Fäkalien vergären zusammen mit Resten aus der Küche in einfachen Faulbehältern und es wird Biogas erzeugt, das dann direkt in der Küche genutzt werden kann. Die Handhabung und Speicherung ist sehr gut: man kann direkt einen handelsüblichen Gaskocher anschließen, und hat damit eine sehr saubere Energiequelle, die sehr flexibel einsetzbar ist. Das ist noch sauberer als das Verbrennen von Fäkalien, bei dem mehr Rauch entsteht. Den Schlamm aus der Biogasanlage kann man dann immer noch trocknen und verbrennen und in den Kreislauf über Düngung quasi rückstandslos einfließen lassen.“

Kommt die Hilfe von außen, gibt Dr. Kranert zu bedenken, dass es zwar grundsätzlich sinnvoll sei, in Entwicklungs- und Schwellenländern Projekte zu etablieren, die regionale Gegebenheiten berücksichtigen und Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen. Doch sollten sie nicht in großem Stil technische Aufwendungen erfordern, „denn investiert man sehr viel in Technologie, wird man Ersatzteile aus den Industrieländern brauchen, und dann wird es schwierig“.

Industrienationen: Technologien nutzen

In einer Industrienation wie Deutschland sind die Voraussetzungen durch die zentralen Abwasserentsorgungssysteme ganz andere. Kläranlagen erzeugen beim Abbau organischer Stoffe in Faulbehältern Biogas, das zur Energieversorgung der Kläranlage genutzt wird. Kläranlagen brauchen sehr viel Energie für die Pumpen und Belüftungseinrichtungen zum biologischen Abbau der organischen Substanzen und zur Reinigung des Abwassers. Für den übriggebliebenen Schlamm gibt es drei Wege: Der eine führt in die landwirtschaftliche Verwertung. „Hier gibt es keine energetische Verwertung mehr. Aufgrund der  Schadstoffdiskussion um Schwermetalle und anthropogene Spurenstoffe aus beispielsweise Arzneimitteln ist die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung aber rückläufig", führt Dr. Kranert aus. Da in Deutschland, anders als in anderen europäischen Staaten, keine organischen Abfälle mehr auf Deponien verbracht werden dürfen, führt der Weg für die Schlämme in Monoverbrennungsanlagen für Klärschlamm, die Energie in Form von Wärme und Strom für Kläranlagen erzeugen. Oder der Schlamm wird in die Kohleverbrennung eingebracht: Der Klärschlamm wird getrocknet und mit Kohle vermischt in Großkraftwerke zur Stromerzeugung eingeblasen. Seit es immer weniger klassische Kohlekraftwerke gibt, wird der Schlamm in Zementfabriken auch bei der Zementherstellung als zusätzlicher Brennstoff zugemischt. „Man muss ganz klar sagen, dass der Klärschlamm bei uns heute in größtem Umfang, wenn er nicht landwirtschaftlich verwertet wird, energetisch verwertet wird.“

Kreislaufwirtschaft und Klärschlamm

Die sinnvolle Idee menschliche Fäkalien zur Energiegewinnung zu nutzen, wie es in Entwicklungs- und Schwellenländern im Kleinen umgesetzt wird, haben die Industrienationen perfektioniert. Inzwischen wird hier zu einem anderen Wert als dem energetischen des Klärschlamms geforscht, weiß Dr. Kranert: „Klärschlamm hat durchaus einen Wert, vor allem was seinen Phosphorgehalt angeht. In der Landwirtschaft wird Phosphor benötigt. In Deutschland gibt es einige Pilotkläranlagen die Phosphor rückgewinnen. Noch in der nassen Phase kann man 60 Prozent des Phosphors rückgewinnen. Was die Rückgewinnung aus Klärschlammasche angeht, stehen wir mit thermochemischen oder nasschemischen Verfahren noch am Anfang. Das ist eine Frage von Kosten und Nutzen. Der Weltmarktpreis für die endliche Ressource Phosphor ist noch nicht eklatant hoch, und damit ist es unter wirtschaftlichen Aspekten momentan noch nicht so interessant den Phosphor aus der Asche zurückzugewinnen. Unter Kreislaufwirtschafts- und Ressourcenaspekten ist es aber auf jeden Fall sinnvoll.“

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