Vollgas für die Umwelt: Münchner Start-up entwickelt Solarauto
Ein Münchner Solarauto lädt seine Batterien während der Fahrt auf. Für kurze Strecken ist es eine kleine Revolution.
Das Münchener Start-up Sono Motors gestaltet die Zukunft der Mobilität mit. Dafür geben Laurin Hahn und sein Team alles.
Kurz gefriert Laurin Hahns Miene, als eine dicke Limousine an ihm vorbeirollt. Wie soll es auch anders sein – er kämpft gegen den Verbrennungsmotor und für den Pkw der Zukunft, wie er hofft: das Solarauto Sion. Gerade sitzt Hahn mit verschränkten Armen in einem Prototyp. Der 26-Jährige, der selbst kein Auto hat, entwickelt den Wagen mit seinem Team als CEO des Münchner Start-ups Sono Motors. Der Sion fährt elektrisch und lädt die Batterie nicht nur per Steckdose, sondern auch mit Sonnenenergie. Er könnte die Elektromobilität revolutionieren.
Technisches Novum: Solarzellen in der Karosserie
In die 7,5 Quadratmeter große Karosserie sind unter einer wenige Millimeter dicken Schicht Polycarbonat 248 Solarzellen integriert – technisch ein Novum. Wenn die Sonne scheint, sorgen sie während der Fahrt für bis zu 34 Kilometer zusätzliche Reichweite pro Tag. Ist das nicht sehr wenig? Laurin Hahn sagt, und es klingt nach leichtem Trotz: „Die durchschnittliche Distanz für Pendler in Deutschland zum Arbeitsplatz sind 17 Kilometer. Damit ist der Sion das perfekte Pendlerfahrzeug.“ Bei voller Batterie hat das Auto eine Reichweite von knapp 255 Kilometern, die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 140 Stundenkilometern. Tritt man das Gaspedal, reagiert der Wagen weniger impulsiv als andere Elektroautos. Der Wendekreis ist mit unter elf Metern kleiner als bei vielen Fahrzeugen seiner Größe. Der Kofferraum fasst 250 Liter; es gibt eine Anhängerkupplung. „Wir wollen bewusst nicht das Luxussegment abdecken“, sagt Hahn. Die Rentierflechte (Cladonia rangiferina) sorgt im Innenraum zusammen mit einem Papierfilter für reine Luft. Das Solarauto soll als Alltagsgefährt für jedermann geeignet sein. Es wird nur eine schwarze Variante geben, und der Preis liegt bei 25 500 Euro.
Solarauto per Crowdfunding
Hahn und sein Sozius Jona Christians – sie kennen sich seit der ersten Klasse – hatten die Idee schon 2012, nachdem sie ihr Abi an einer Waldorfschule bestanden hatten. Später kam Navina Pernsteiner als dritte Gründerin dazu. In der Garage schraubten sie mithilfe von YouTube-Tutorials an einem alten Renault Twingo herum, ohne Ahnung von Mechanik. Christians musste sogar ins Krankenhaus: Er wollte mit einem Schlauch Benzin aus dem Tank saugen und schluckte es versehentlich. Heute hat Sono Motors rund 100 Mitarbeiter. Viele von ihnen sind jung und Veganer, für sie drückt ein Auto nicht Status aus, sondern ist ein Mittel zur Fortbewegung. Das Geld beschaffen sich die Gründer, wie das Start-ups heute eben so machen, per Crowdfunding. Mit einer einzelnen Kampagne spielten sie Anfang 2020 mehr als 50 Millionen Euro ein. „So was ist beispiellos“, sagt Hahn. Zwischendurch standen die Gründer kurz vor der Pleite. Zu der Zeit schlief Laurin Hahn, der in einer WG wohnt, sehr schlecht. Er schreckte nachts auf, als sei er gerade aus dem Bett gefallen. Doch jetzt gibt es 12 500 Vorbestellungen für den Sion. Das Auto soll in einem alten Saab-Werk im schwedischen Trollhättan gebaut werden.
Reparieren kann man den Wagen mit etwas Geschick selbst, denn ein detailliertes Handbuch ist inklusive. Die ersten Fahrzeuge sollen im Frühjahr 2022 ausgeliefert werden. Der Termin hat sich schon mehrmals verschoben – unter anderem wegen Corona. „Das Fahrzeug hat viele Stärken. Aber der Zeitdruck ist enorm, da der Markt immer mehr von etablierten Herstellern mit finanzierbaren Modellen geflutet wird, auch unterstützt von den staatlichen Förderungen“, sagt Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbandes eMobilität. Egal, ob man an das Start-up glaubt oder nicht: Es gestaltet die Mobilität der Zukunft mit. Und ökologisch gesehen ist dieses Solarauto konsequent wie kaum ein zweites. Hahn selbst wird vermutlich nie ein Auto besitzen. Ganz sicher aber kann er in diesen Zeiten gut schlafen.
Der Artikel wurde in voller Länge in der September 2020-Ausgabe des deutschen National Geographic Magazins veröffentlicht. Keine Ausgabe mehr verpassen und jetzt ein Abo abschließen!
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