Bäume rufen um Hilfe – Wissenschaftler verstehen ihre Signale

Team identifiziert die Geräusche von Bäumen, die wegen Trockenheit unter Stress stehen.

Von Gabe Popkin
Einzelner Baum auf einem Hügel, später Nachmittag.
Auf dieser undatierten Aufnahme steht ein einzelner Baum im von Trockenheit geplagten Salmon-Challis-Nationalpark in Idaho, USA.
Foto von Pete Ryan, National Geographic

Hängende Äste, fallende Blätter und rissige Rinde – optisch gibt es diverse Anzeichen dafür, dass ein Baum unter Hitze und Trockenheit leidet. Doch man kann das Leid der Bäume auch hören. Wissenschaftler haben möglicherweise den Schlüssel zum Verständnis dieser „Hilfeschreie“ gefunden.

Im Labor hat ein Team französischer Forscher die Ultraschallsignale aufgezeichnet, die von Blasen hervorgerufen werden, die sich in Bäumen unter Trockenstress bilden. Da Bäume auch Geräusche machen, die unabhängig von den Folgen einer Dürre sind, konnten Wissenschaftler bisher nicht unterscheiden, bei welchen Geräuschen es sich um relevante Warnsignale handelt.

„Mit diesem Experiment beginnen wir, den Ursprung akustischer Ereignisse in Bäumen zu verstehen“, so Alexandre Ponomarenko, Physiker an der Universität Grenoble in Frankreich, dessen Team die Untersuchungen durchgeführt hat.

„Die Entdeckung könnte Wissenschaftlern helfen, zuverlässiger zu erkennen, wann Bäume ausgetrocknet sind und eine Notbewässerung brauchen“, ergänzte Ponomarenko, als er die Ergebnisse seines Teams im letzten Monat beim Treffen der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft in Baltimore (Maryland) vorstellte.

Bäumen lauschen

Um herauszufinden, auf welche Weise sie am besten auf Bäume hören sollten, stützen sich die französischen Wissenschaftler auf ihr Wissen darüber, wie Bäume Wasser aufnehmen: Sie trinken im Wesentlichen durch einen sehr langen „Strohhalm“.

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Im Inneren der Baumstämme befinden sich Bündel spezialisierter Röhren, die als Xylem bezeichnet werden. Durch die Anziehungskräfte zwischen Wassermolekülen sowie zwischen Wasser und Pflanzenzellen wird die Flüssigkeit bis hin zu den höchsten Blättern und Zweigen transportiert.

Bei hohen Bäumen kann die Flüssigkeit im Xylem unter sehr hohem Druck stehen – einem Mehrfachen des Atmosphärendrucks. Die Anziehungskräfte zwischen benachbarten Wassermolekülen halten die Wassersäule jedoch intakt.

Es ist, wie wenn man mit einem Strohhalm die letzten Tropfen vom Grunde eines Glases aufsaugt: Um dies zu schaffen, muss man den Druck noch stärker erhöhen. In sehr trockenen Bäumen kann dieser erhöhte Druck dazu führen, dass die Wassersäule zerreißt, sodass sich aus gelöster Luft Blasen bilden, die den Wasserfluss unterbrechen.

Diese Ereignisse werden als Kavitationen bezeichnet. Zu viele solcher Kavitationen können für einen Baum tödlich sein.

Wegen dieser tödlichen Wirkung der Kavitationen ist es für Wissenschaftler und Forstleute wichtig zu wissen, wann sich zu viele davon bilden.

Wissenschaftler wissen seit Jahrzehnten, dass Mikrofone die Geräusche aufzeichnen können, die von Kavitationen ausgehen. Weil sie jedoch keine Möglichkeit hatten, ins Innere der betreffenden Bäume zu schauen, bestand keine Klarheit über die Quelle dieser Geräusche. Denkbare Möglichkeiten waren das Knarren oder Brechen von Holz oder das Zusammenbrechen von Xylemzellen.

Um die Frage zu beantworten, legte das Team eine dünne Scheibe Kiefernholz in eine mit Flüssigkeit gefüllte Gelkapsel, um die Bedingungen im Inneren eines lebenden Baumes nachzustellen.

Danach ließen sie Wasser aus dem Gel verdunsten und simulierten so eine Trockenheit. Als sich im Holz die ersten Kavitationen bildeten, filmten die Wissenschaftler parallel zu ihren Mikrofonaufnahmen die Bildung von Bläschen.

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    So fanden sie heraus, dass ungefähr die Hälfte der aufgezeichneten Geräusche im Zusammenhang mit Kavitationen stand. Die andere Hälfte stammte von anderen Prozessen, zum Beispiel von Bläschen, die in Nachbarzellen eindrangen. Die wichtigste Beobachtung war jedoch, dass die Schallwellen der unterschiedlichen Ereignisse jeweils spezifische Muster aufwiesen. Alle liegen oberhalb der Frequenzen, die vom menschlichen Gehör wahrgenommen werden können.

    Die Forscher glauben, dass sie die Geräusche lebender Bäume mit diesen Mustern vergleichen können, um zu ermitteln, durch welche Prozesse sie hervorgerufen werden.

    Hilfe für verdurstende Bäume

    Laut Ponomarenko könnten die neuen Erkenntnisse zur Entwicklung eines Handmessgerätes führen, mit dem sich gestresste Bäume anhand von Mikrofonaufnahmen identifizieren lassen.

    Ein derartiges Gerät könnte besonders wichtig sein, wenn Dürren häufiger auftreten oder heftiger ausfallen, so wie es von vielen Modellen zur globalen Erwärmung vorhergesagt wird.

    Tatsächlich kam eine Studie, die im letzten Herbst in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurde, zu dem Ergebnis, dass Bäume in vielen Gegenden von tropischen Regenwäldern in Südamerika bis zu ariden Wäldern im Westen der USA bereits „auf der Kippe stehen“, weil ihre Kavitationsrate schon fast den kritischen Wert erreicht hat.

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    Mit Ponomarenkos Methode wären frühzeitige Warnungen über zunehmende Kavitationen möglich.

    Er stellt sich zum Beispiel ein Gerät vor, das an einem Baum befestigt wird und dauerhaft auf „Durstgeräusche“ lauscht. Bei Bedarf könnte diese Vorrichtung dann ein Notbewässerungssystem in Gang setzen.

    „Ponomarenkos Untersuchungen sind vielversprechend“, ergänzt Abe Stroock von der Cornell University, dessen Labor die Gelkapsel entwickelt hat, mit der das französische Team arbeitete. „Das Ergebnis ermöglicht eine neue Beobachtungsweise bei Kavitationen.“

    Gleichzeitig weist er jedoch darauf hin, dass die verwendeten Holzproben für die Untersuchungen „zersägt und gequält“ werden mussten. Deshalb kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass sie sich genauso verhalten haben wie Holz in einem lebenden Baum.

    „Die Übertragung [dieser Beobachtungen] auf lebende Pflanzen und auf verschiedene Arten kann sehr aufwendig sein“, sagt er.

    Artikel in englischer Sprache veröffentlicht am 16. April 2013

     

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